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Dr. Johann David Wadephul: "Es gibt keine völkerrechtliche Rechtfertigung für diese militärischen Aktionen"

Aktuelle Stunde - Haltung der Bundesregierung zum Einmarsch der Türkei in Syrien – Einmarsch als völkerrechtswidrig verurteilen

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass jetzt, wo wir einen schrecklichen Krieg miterleben müssen – es ist zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt der Versuch einer Landannexion –, die Stunde ist, in der man mit kleiner innerdeutschen Münze versuchen sollte, Parteipolitik zu machen, Frau Dağdelen.

(Widerspruch bei der LINKEN)

Ich weise den Vergleich, mit dem Sie die Bundeskanzlerin in einem Atemzug mit Reichskanzler Bethmann Hollweg nennen, auf das Schärfste zurück.

(Zuruf von der LINKEN: Stoppen Sie die Exporte!)

Wir haben hier im Deutschen Bundestag mit der CDU/CSU-Fraktion eindeutige Positionierungen zu dem Verbrechen an den Armeniern gefunden.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meinen Sie Herrn Hahn oder Herrn Röttgen?)

Sie brauchen hier nicht mit Vorwürfen zu kommen. Sie haben nicht einmal eine klare Rede zur russischen Annexion der Ostukraine und der Krim gehalten.

(Zurufe von der LINKEN)

Sie brauchen sich bei diesen Fragen im Deutschen Bundestag nicht zu Wort zu melden, Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)

Wir sind der Bundesregierung dankbar – die Bundeskanzlerin hat mit Staatspräsident Macron eine eindeutige Erklärung abgegeben; Bundesaußenminister Maas hat eindeutige Erklärungen abgegeben, auch zu der Frage der Waffenexporte –, dass sie der Türkei hier ein klares Signal gegeben hat. Ich habe heute eine Äußerung des türkischen Staatspräsidenten in Bezug auf unseren Außenminister gelesen. Dazu sage ich an dieser Stelle: Das weisen wir mit Schärfe zurück. Wenn Herr Erdogan meint, in seiner Region in diesem Stil mit anderen reden zu müssen, dann ist das seine Sache. Das ist aber nicht unser Stil in Europa.Das lassen wir uns nicht gefallen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und dazu gehört ganz klar – das hat die Bundesregierung gesagt, das haben die Koalitionsfraktionen gesagt, und ich möchte es deutlich auch für meine Fraktion sagen –: Es gibt bei all dem, was wir hören seitens der Türkei – die Berufung auf Artikel 51 der UN-Charta –, keine völkerrechtliche Rechtfertigung für diese militärischen Aktionen, die die Türkei jetzt in Nordsyrien durchführt. Wir verurteilen das. Wir sagen eindeutig, dass das völkerrechtswidrig ist.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Aha! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Konsequenzen!)

Wir rufen die Türkei zu sofortigem Rückzug aus dieser Region auf, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu geplanten Umsiedlungen von arabischstämmigen Flüchtlingen von der Türkei in den Norden Syriens sagen wir hier auch von vornherein ganz klar: Wenn sich jemand freiwillig irgendwo ansiedeln will, dann ist das seine individuelle Entscheidung, beispielsweise die eines Syrers, der in sein Heimatland zurückgehen will. Zwangsweise Umsiedlungen, veranlasst durch die Türkei, wird Europa, wird Deutschland niemals billigen.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Jetzt zittert man am Bosporus!)

Hier müssen wir klipp und klar unsere Position einhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN: Nur warme Worte!)

Das veranlasst mich zu zwei grundsätzlichen Bemerkungen, einerseits zu den Vereinigten Staaten von Amerika und andererseits zur NATO. Das eine ist: Die erratische Tweet-Kommunikation des amerikanischen Präsidenten ist irritierend genug. Wenn er jetzt mit Äußerungen an die Öffentlichkeit tritt, die Kurden hätten in der Normandie den Vereinigten Staaten nicht geholfen und vielleicht würde ihnen jetzt Napoleon helfen, so ist das zynisch und aus meiner Sicht – aber das muss das amerikanische Volk entscheiden – eines Präsidenten der westlichen Führungsnation unwürdig, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auf der anderen Seite haben wir im amerikanischen Kongress bei unseren Kollegen eine bemerkenswerte konzertierte Aktion von Republikanern und Demokraten erlebt. Wir haben erlebt, wie Lindsey Graham von den Republikanern und Nancy Pelosi von den Demokraten sich zusammengeschlossen haben. Wir haben erlebt, dass parlamentarische Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika funktioniert. Das hat dazu geführt, dass es eine Sanktionspolitik der USA gibt. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir sind Parlamentarier. Wir haben eine Chance, mit Parlamentariern der Vereinigten Staaten gemeinsam westliche Politik zu machen.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Wir haben nicht die Macht dazu! Wir haben nichts!)

Eine Politik, die klar verurteilt, was Erdogan macht, die dafür sorgt, dass wieder Ordnung in das westliche Bündnis hineinkommt. Da sind wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch aufgefordert, anzupacken und gemeinsam mit unseren amerikanischen parlamentarischen Kolleginnen und Kollegen Politik zu formulieren und auch durchzuführen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine zweite grundgesetzliche Bemerkung zur NATO. Die NATO ist für uns ein Wertebündnis. Und für uns als Union war wichtig, dass Konrad Adenauer einst formuliert hat „Wir wählen die Freiheit“. Wir haben zum 70-jährigen Bestehen hier im Hohen Hause einen Entschließungsantrag verabschiedet, in dem wir betont haben: Die NATO ist eine einzigartige Wertegemeinschaft, die fest auf dem Fundament von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Freiheit und der Achtung vor Menschenrechten fußt und für diese Werte in der Welt eintritt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn das wirklich gilt, müssen Erdogan und die Türkei rausgeschmissen werden!)

Deswegen lautet in dieser Lage die klare Frage an die Türkei: Quo vadis, Türkei? Wo soll es hingehen? Man kann nicht auf der einen Seite Europa als den wichtigsten Handelspartner haben und NATO-Mitglied sein und auf der anderen Seite die Interessen und Werte der westlichen Welt mit Füßen treten. Das müssen wir der Türkei an dieser Stelle klar sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Wir wollen, dass die Türkei in der NATO bleibt, aber wir erwarten von der Türkei, dass sie auf diese unsere Kritik Rücksicht nimmt und ihre Politik ändert.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das machen die doch nie im Leben, nur weil Sie das so schön sagen!)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)