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Dr. Johann David Wadephul: "Die neue Administration denkt anders"

Rede in der Aktuellen Stunde | Strategien zur Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die ungeheuerlichen Ereignisse in Washington auch uns eine erneute Mahnung sein sollten, dass unsere Demokratie zu verteidigen ist, dann hat der Kollege Curio genau diesen Beweis geliefert.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich sage Ihnen, Herr Curio: Wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Wehret den Anfängen! Sie drehen die Dinge hier um.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Was Herr Gauland angekündigt hat – „wir werden sie jagen“ –, ist genau das, was Sie machen. Das ist eine Diffamierung des demokratischen Rechtsstaates, und das werden wir hier in Deutschland nicht mehr zulassen. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Die Vorgänge in Washington hier verharmlosend darzustellen, indem man sagt, da sei eine Demonstration eskaliert – das hätte Präsident Trump nicht besser sagen können, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Er selbst – viele in Amerika sehen das mittlerweile als den Versuch eines Staatsstreichs an – hat sie losgeschickt. Er selbst hat ihnen den Auftrag gegeben, Richtung Kapitol zu marschieren. Das muss man sich vorstellen: Das Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten von Amerika hat den Mob aufgerufen, die Herzkammer der Demokratie anzugreifen. – So war es, und das lassen wir von Ihnen hier auch nicht anders darstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das muss uns Anlass sein, hier und auch international aufmerksam zu sein und die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika und natürlich auch – das hat Außenminister Maas gerade eben vollkommen richtig gesagt – mit der neuen Biden-Administration zu suchen.

(Jürgen Braun [AfD]: Auch mit Kamala Harris?)

– Auch mit Kamala Harris, selbstverständlich.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

– Ich freue mich darüber, dass sie gewählt worden ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wenn Sie an dieser Stelle eine abweichende Meinung vertreten, ist das auch bezeichnend, und ich warte auf Ihre Begründung.

Ich will nur darauf hinweisen: Das soll kein Anlass für uns sein, uns zurückzulehnen und zu meinen, nun läuft alles von alleine; jetzt haben wir eine neue Administration, und alles wird wieder gut. – Nein, die neue Administration – Präsident Biden und Vizepräsidentin Harris – wird sich sehr auf die Innenpolitik konzentrieren müssen. Trump hat in Amerika nicht nur sozusagen den demokratischen Rechtsstaat, sondern durch eine Vernachlässigung der Coronaepidemie auch das gesamte Staatsgefüge in große Gefahr gebracht. Das heißt, die Vereinigten Staaten von Amerika brauchen jetzt Partner. Wir, Europa und Deutschland in Europa, müssen jetzt Freunde und Partner dieser neuen Administration und dieses Amerikas sein, mit dem wir jahrzehntelang erfolgreich zusammengearbeitet haben und dem wir so viel zu verdanken haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen müssen wir aber nicht alles richtig finden, was die amerikanische Sicht der Dinge ist.

Heute hat der Außenminister Pompeo als einzige Aussage noch einmal „America First“ gepostet. Wir wissen aber: Die neue Administration denkt anders. Sie denkt transatlantisch; sie ist bereit zur Partnerschaft. Sie hat natürlich eigene Interessen, aber jetzt müssen Deutschland und Europa bereit sein, sich unterzuhaken. Es darf doch nicht das Ergebnis sein, dass sich die Machthaber in Peking und in Moskau auf die Schenkel klopfen und sich darüber freuen, dass demokratische, freiheitliche Staaten in Schwierigkeiten sind. Nein, wir müssen uns jetzt unterhaken und zusammenarbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Peking freut sich über Biden! Die jubeln in Peking!)

Dann ist auch im Klimaschutz mehr möglich; das ist wichtig. Biden hat dazu angekündigt, er werde extra einen Beauftragten ernennen, nämlich John Kerry, den früheren Außenminister. Das ist ein Schwergewicht. Das heißt, das ist eine wichtige Zukunftsaufgabe.

Wir dürfen uns aber die Themen nicht aussuchen und nicht nur die nehmen, die wir schön finden. Auch die gemeinsame Sicherheitspolitik ist wichtig. Deutschland muss seine Beiträge zur Lastenteilung in der NATO leisten. Ich will jetzt nicht wieder mit den 2 Prozent anfangen, aber es gehört dazu, dass wir hier auch in Zeiten der Coronaepidemie unsere Hausaufgaben machen und eine aktive Sicherheits- und Verteidigungspolitik betreiben. Überall dort werden wir gemeinsam gebraucht. Wir müssen daneben eine gemeinsame China-Politik mit den USA formulieren, und wir haben die Chance, wieder eine gemeinsame Iran-Politik zu formulieren.

Das sind sehr viele große internationale außenpolitische Aufgaben. Lassen Sie uns gemeinsam diese Chance nutzen, mit dieser neuen Administration voranzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Abschließend: Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten wir uns bitte keinen Antiamerikanismus. Amerika ist ein vielfältiges Land. Es gibt manches, was ich nicht gut finde, aber gerade in diesen Tagen sage ich einmal der linken Seite des Hauses: Joan Baez ist gerade 80 Jahre alt geworden. Das ist auch Amerika.

Es ist also ein tolles Land, es ist ein vielfältiges Land, es steht an unserer Seite, und wir sollten aktiv auf diese USA zugehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)