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Dr. Andreas Nick: "Kontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung von Kernwaffen können nicht isoliert erreicht werden"

Atomare Abrüstung voranbringen – Überprüfungskonferenz zum Erfolg führen

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn mit aller Klarheit feststellen: Wenn es um den einseitigen Verzicht auf Nuklearwaffen geht, hat unser Land nun wirklich keinen Nachholbedarf. Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits bei den Pariser Verträgen 1955 einseitig und vollständig auf den Besitz von Kernwaffen verzichtet. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde der Verzicht auf die Herstellung, die Verfügung und den Besitz von ABC-Waffen auch für das vereinte Deutschland bekräftigt. Dieses Bekenntnis gilt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieser Verzicht nur möglich und vertretbar war und ist, weil wir uns gleichzeitig unter den gemeinsamen nuklearen Schirm der NATO stellen konnten. So unbequem es ist: Nukleare Abschreckung wirkt, und sie dient unseren nationalen und europäischen Sicherheitsinteressen. Denn solange Nuklearwaffen auch auf deutsche Städte gerichtet sind, tun wir gut daran, an der Abschreckung im Rahmen der nuklearen Teilhabe festzuhalten. Es ist daher richtig, dass die Bundesregierung unsere Position zur Abrüstung multilateral in der NATO koordiniert, anstatt auf nationale Alleingänge zu setzen, auch wenn sich das mittlerweile ja sogar führende Köpfe beim Koalitionspartner zu wünschen scheinen.

Seit Langem treten wir in Deutschland nachdrücklich für nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung ein. Wir begrüßen ausdrücklich die Verlängerung des New-START-Vertrages zwischen den USA und Russland. Ich füge hinzu: Wir würden uns wünschen, dass wir auch den INF-Vertrag, der für unsere Sicherheit besonders relevant ist, wiederbeleben können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Lechte [FDP])

Deshalb ist es uns ein großes Anliegen, bei der Überprüfungskonferenz des NVV im August 2021 weitere Fortschritte zu erreichen. Gemeinsam mit 15 weiteren Staaten entwickelt die Bundesregierung in der Stockholm-Initiative konkrete Vorschläge, um den Nichtverbreitungsvertrag zu stärken.

Eine weltweite vollständige nukleare Abrüstung bleibt unser langfristiges Ziel. Auf dem Weg dorthin ist ein neuer sogenannter Atomwaffenverbotsvertrag aber nicht wirklich hilfreich; denn anders als der etablierte Nichtverbreitungsvertrag fußt der Verbotsvertrag allein auf wohlfeilen Bekenntnissen von Teilnehmerstaaten, die selbst weder Nuklearwaffen besitzen noch einer nuklearen Bedrohung ausgesetzt sind.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind alle der Bedrohung ausgesetzt!)

Der neue Vertrag entspricht auch nicht den hohen Überprüfungsstandards des Nichtverbreitungsvertrags und des Zusatzprotokolls von 1997. Er empfiehlt diese noch nicht einmal; ein klarer Rückschritt.

Besonders problematisch ist aber das unklare Verhältnis der beiden Verträge zueinander.

(Matthias Höhn [DIE LINKE]: Nein, ist es nicht!)

Viele seiner Befürworter stellen den neuen Vertrag über den weithin anerkannten Nichtverbreitungsvertrag. Das kann gefährliche Folgen haben. Der neue Vertrag könnte Staaten mit Nuklearwaffenstreben als Vorwand dienen, aus dem Nichtverbreitungsvertrag auszutreten, um die strengen Kontrollen der IAEO zu umgehen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch!)

In aller Klarheit: Eine Schwächung des Nichtverbreitungsvertrages durch den Atomwaffenverbotsvertrag können wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind komplementär zueinander!)

Letztlich trägt der Atomwaffenverbotsvertrag eben auch nicht dazu bei, den wirklich zentralen Gefahren im atomaren Bereich unserer Zeit wirksam zu begegnen. Da ist zum einen das Risiko neuer globaler Rüstungswettläufe zwischen den Großmächten, diesmal eben auch unter der zentralen Beteiligung von China. Da ist zweitens das Streben zahlreicher Staaten nach Nuklearwaffen als ultimativer Währung staatlicher Souveränität mit der Folge regionaler Wettläufe, beispielsweise auf dem indischen Subkontinent. Und da ist nicht zuletzt die unkontrollierte Verbreitung von nuklearwaffenfähigem Material, gegebenenfalls auch hin zu nichtstaatlichen Akteuren.

Dies alles zeigt: Kontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung von Kernwaffen können nicht isoliert erreicht werden. Sie können nur erfolgreich sein, wenn sie eingebettet sind in eine verlässliche globale Friedensordnung und in ein robustes System regionaler Sicherheitsstrukturen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)