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Dr. Andreas Nick: Das Engagement für die Vereinten Nationen ist Kern unserer Außenpolitik

Redebeitrag zur Bilanz der deutschen Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat 2019/2020

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen der deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat hat die Bundesregierung klare und ambitionierte Schwerpunkte gesetzt. Neben dem Kerngeschäft der Behandlung aktueller Konflikte – wir waren federführend für die Erstellung der Dossiers über Syrien und Sudan zuständig – ging es ausdrücklich darum, im Sinne eines erweiterten Sicherheitsbegriffs ganz bewusst auch solche Themen auf die Agenda zu bringen, die unter den ständigen Mitgliedern durchaus umstritten sind.

Ich will bewusst beginnen mit der Resolution 2467 zur Beendigung sexueller Gewalt in Konflikten. Was ich hierzu heute gehört habe, ist wirklich beschämend. Das ist eine knallharte Menschenrechtsverletzung und nicht Gedöns, wie Sie es hier versucht haben darzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben im Juli eine Grundsatzdebatte über Klima und Sicherheit auf den Weg gebracht. Die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hat eine Sitzung zu Peacekeeping und Menschenrechten geleitet. Auch die Indossierung der Berliner Konferenz zu Libyen war eine wichtige Errungenschaft dieser Präsidentschaft.

Unser herzlicher Dank gilt Botschafter Christoph Heusgen, aber auch seinen Stellvertretern, Botschaftern Jürgen Schulz und Günter Sautter, sowie dem gesamten Team der Ständigen Vertretung in New York und natürlich auch den zuständigen Kollegen hier in der Zentrale des AA mit Frau Baumann an der Spitze.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als Deutscher Bundestag haben wir die Aktivitäten des Sicherheitsrates auch parlamentarisch aufmerksam begleitet in mehreren Plenardebatten, insbesondere in Vorsitzmonaten, durch einen ständigen Tagesordnungspunkt zum Sicherheitsrat im Unterausschuss Vereinte Nationen und – solange das vor Corona möglich war – durch die Begleitung des Außenministers nach New York zu Sitzungen des Sicherheitsrates, zuletzt im Februar.

Es ist schon angesprochen worden: Ein besonderes strategisches Ziel war die Europäisierung unseres Auftritts in den Vereinten Nationen. Gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien, aber auch mit den anderen nichtständigen Mitgliedern Polen, Belgien und Estland haben wir dies, finde ich, gut erreicht. Das sollte in den kommenden Jahren verstetigt werden, damit Europa in den Vereinten Nationen weiterhin mit einer deutlichen und vernehmbaren Stimme spricht. Denn für uns ist klar: Die Bewahrung und die Weiterentwicklung dieser regelbasierten internationalen Ordnung ist und bleibt das überragende strategische Interesse unseres Landes und aller Europäer. Während es die USA unter Präsident Trump in den vergangenen Jahren an internationalem Engagement schmerzlich haben vermissen lassen, haben wir viel investiert, um die Strukturen einer regelbasierten internationalen Ordnung zu erhalten und zu festigen, zum Beispiel mit der Allianz für den Multilateralismus, die auch Wertepartner aus Lateinamerika und dem Indopazifik umfasst.

Auch wenn sich Multilateralismus stets an einer gemeinsamen Grundlage zum Interessenausgleich und Kompromiss orientieren muss, ist er wesentlich mehr als punktuelle Zusammenarbeit. Es geht darum, mit gleichgesinnten Partnern gemeinsam zur Lösung konkreter globaler Probleme und Herausforderungen beizutragen.

Es ist daher wichtig, dass das Auswärtige Amt derzeit ein Weißbuch „Multilateralismus“ nach norwegischem Vorbild entwickelt. Die Beteiligung von Bevölkerung und Parlament an diesem Prozess kann aber sicher noch umfassender gestaltet werden. Laut einer Umfrage der Körber-Stiftung konnten 2019 zwei Drittel der Bevölkerung mit dem Begriff „Multilateralismus“ noch nichts Greifbares anfangen. Es gibt aber einen großen Konsens – jedenfalls unter den demokratischen Fraktionen in diesem Haus –, dass Multilateralismus für unser Land als Mittelmacht ein geradezu schicksalhafter Handlungsimperativ ist. Demokratische Außenpolitik benötigt den Rückhalt der Bevölkerung. Lassen Sie uns daher gemeinsam mit Regierung und Parlament noch stärker für die Bedeutung des Multilateralismus auch hierzulande werben.

Meine Damen und Herren, vor einigen Wochen, als wir hier anlässlich des 75. Jahrestages der UN-Charta diskutierten, habe ich klar gesagt: Wir brauchen einen starken Westen in handlungsfähigen Vereinten Nationen. – Mit dem Ergebnis der Wahl in den USA können wir hoffen, dass sich die Vereinigten Staaten künftig wieder konstruktiv in die Arbeit der Vereinten Nationen einbringen. Die Benennungen von Antony Blinken als Außenminister und von Linda Thomas-Greenfield als VN-Botschafterin mit Kabinettsrang sind vielversprechend, genauso wie die von Joe Biden angekündigte Initiative für einen „global summit of democracies“.

Uns muss klar sein: Nur wenn sich die P 5 als Hüter einer gemeinsamen Ordnung verstehen, können Effektivität und Legitimität der Vereinten Nationen insgesamt wieder gestärkt werden. Dazu müssen wir Europäer gemeinsam mit den USA und gleichgesinnten Partnern in der Welt in Zukunft einen erheblichen Beitrag leisten, auch und vor allem durch entschlossenes wie vorbildhaftes Handeln.

Deutschland wird sich auch weiterhin konstruktiv und kreativ in die Arbeit der VN einbringen. Ob das in einigen Jahren als ständiges Mitglied oder spätestens in acht Jahren im Zuge einer Bewerbung um einen nichtständigen Sitz sein wird, bleibt abzuwarten, aber klar ist: Das Engagement für die Vereinten Nationen ist Kern unserer Außenpolitik.

Herzlichen Dank.