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Christian Schmidt: Israel braucht eine starke konventionelle Verteidigungskraft

70 Jahre Gründung des Staates Israel

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ephraim Kishon, der berühmte ungarischstämmige jüdische Satiriker, hat einmal geschrieben:

Die Solidarität der Welt ist etwas Schönes und Herzerquickendes. Auch unser junger Staat

– Israel –

wäre dieser Solidarität teilhaft geworden, wenn sich nicht … der hebräische Goliath auf den hilflosen arabischen David gestürzt hätte.

Gott sei Dank hat sich in der Zwischenzeit manches geändert, aber die Bedenken von Ephraim Kishon, in diese Satire gekleidet, sind immer noch ein Thema.

Wir müssen uns damit beschäftigen, dass nach der Unabhängigkeitserklärung von David Ben-Gurion – es ist bereits gesagt worden – die arabischen Nachbarstaaten dem neuen Israel noch in der Nacht den Krieg erklärt haben. Seit seiner Gründung vor 70 Jahren, zu der wir heute erneut alles Gute und viel Glück für die Zukunft wünschen, ist Israel einer permanenten militärischen und terroristischen Bedrohung ausgesetzt. Staaten aus der Region und terroristische Gruppierungen propagieren seine Vernichtung. Ja, auch eine atomare Bedrohung ist zu befürchten.

Angesichts dieser Erfahrungen ist es gut, dass das Existenzrecht Israels Teil der deutschen Staatsräson ist und dieses unverhandelbar ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Überzeugung schließt auch mit ein, dass die militärische Verteidigungsfähigkeit Israels gewährleistet sein muss. Ein Land ohne strategische Tiefe kann sich bei diesem Thema keine Verzögerung leisten. Das ist etwas, über das wir wenig in der Öffentlichkeit sprechen und es doch tun sollten.

Ich werde nie vergessen, wie ich als Student in den späten 70er-Jahren das damalige Yad Vashem vor dessen Neubau besuchte. Im Eingangsgebäude gab es ein großes Bild vom Lager Auschwitz-Birkenau, aufgenommen 1944 von alliierten Luftaufklärern. Es war so präzise, dass selbst die Kolonnen von Menschen zu erkennen waren, die Josef Mengele gleich in die Gaskammer schicken würde. Der aus Dresden stammende Oberst, der uns geführt hat und dessen Familienmitglieder genau diesen Weg gegangen waren, sagte: Wissen Sie, wer das sieht, der wird verstehen, dass wir uns nie mehr auf andere verlassen wollen, sondern selbst handlungsfähig sein wollen. – Ja, das ist nachvollziehbar, das ist verständlich, und das muss so sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist gut 60 Jahre her, dass der damalige Generaldirektor im israelischen Verteidigungsministerium ­Schimon Peres nachts den deutschen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß in Niederbayern in dessen Privathaus in Rott am Inn besucht hat. Dort wurde zum ersten Mal eine umfassende militärische Unterstützung für Israel vereinbart. Diesem Denken folgten alle Bundesregierungen bis heute, nicht nur mit der Lieferung von Material, Schiffen und anderem, sondern auch in Form eines guten bilateralen Austauschs.

Es ist richtig: Einen dauerhaften Frieden und eine Lösung des Grundkonflikts zwischen Israelis und Palästinensern kann es nach unserem Verständnis nur mit zwei stabilen Staaten geben. Das ist auch im Interesse Israels. Wir alle müssen unseren Beitrag dazu leisten. Deswegen kann man beim Militärischen nicht stehen bleiben; man kann es aber auch nicht ausklammern. Wir müssen einen sehr aktiven Beitrag leisten, um eine dauerhafte Regelung für beides zu schaffen. Der Oslo-Prozess ist leider verbraucht und auch durch die unzureichende Fähigkeit und Bereitschaft der palästinensischen Seite, einen verlässlichen Beitrag zu leisten, nicht vorangekommen. Er muss nun wieder aufgelegt werden, zum Beispiel in Genf oder jeder anderen Stadt der Welt, die ein Forum dafür bieten kann. Dies kann nur mit dem Verzicht auf regionale Hegemonievorstellungen von iranischer, russischer oder welcher Seite auch immer einhergehen.

Auf demselben Boden wächst übrigens auch die Boykottbewegung, über die wir heute schon gesprochen haben. Hier muss Die Linke noch einiges klarstellen; das sehe ich bis heute nicht. Wer Boykottbewegungen unterstützt, nimmt die Plakate des 1. April 1933 wieder auf, auf denen stand: „Kauft nicht bei Juden!“ – Das ist eine völlig inakzeptable, zu verwerfende und zutiefst antisemitische Verhaltensweise.

(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD] – Jan Korte [DIE LINKE]: Wer macht das denn?)

Im Augenblick ist es besonders wichtig, zu verhindern, dass der Iran und andere regionale Mächte ein Atomwaffenarsenal bekommen. Deswegen müssen wir alles tun, dass das Nuklearabkommen mit dem Iran hält. Wir wünschen allen Europäern, insbesondere der Bundeskanzlerin, in den nächsten Tagen eine gute Resonanz in den Gesprächen mit denjenigen, die darüber mitentscheiden. Israel braucht auch eine starke konventionelle Verteidigungskraft. Der Frieden mit den alten Kriegsgegnern Ägypten und Jordanien war erst möglich, nachdem Friedensverträge – im Sinne von Yitzhak Rabin – abgeschlossen wurden.

Israel ist für uns heute Kooperationspartner in technologischer, ziviler und militärischer Hinsicht und Forschungsland Nummer eins. Eine gute Zusammenarbeit im militärischen und nachrichtendienstlichen Bereich dient sowohl den Interessen Israels als auch Deutschlands. So hat die Bundeswehr in Afghanistan auf sehr erfolgreiche Weise mit der Drohne Heron Aufklärungseinsätze durchgeführt. Die verbesserte israelische Drohne Heron TP wird bei europäischen Streitkräften ebenso gute Dienste leisten. Auch im Bereich der Cybersicherheit besteht eine enge Zusammenarbeit.

Ich bedanke mich, dass sich die Bundeswehr und die israelischen Streitkräfte darüber hinaus gemeinsam mit Werten wie Humanität, Geschichtsbewusstsein und Toleranz befassen und sich in diesem Bereich sehr, sehr stark engagieren, wie viele andere in der deutschen Zivilgesellschaft. Ich denke an die vielen Bemühungen, palästinensische und israelische Familien, die oft jahrelang nicht miteinander sprechen, zusammenzubringen. Ich kann mich an ein gutes Projekt der Hanns-Seidel-Stiftung erinnern, das vor vielen Jahren ins Leben gerufen wurde.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Schmidt, darf ich Sie auf die abgelaufene Redezeit hinweisen?

Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU):

Ja, Herr Präsident. – Herzlichen Dank den Israelis dafür, dass sie uns seit 70 Jahren ihre Freundschaft – nach schwierigem Beginn und mit schwerer historischer Last – anbieten und uns die Hand gereicht haben. Wir sollten sie nehmen, und wir haben sie genommen.

Dem Staat Israel wünsche ich alles Gute für die Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)