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Christian Natterer: "Wir müssen die nachhaltige Transformation unserer Industrie gemeinsam gestalten"

Arbeitsprogramm 2021 der Europäischen Kommission

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Bürger aus meinem Wahlkreis im Dreiländereck in Weil am Rhein berichtete der „Badischen Zeitung“ im April 2020, wie schwierig es ist, seiner Arbeit in Basel nachzugehen und gleichzeitig seine Lebensgefährtin im Elsass zu besuchen. Frankreich, Schweiz, Deutschland – normalerweise würde er die Grenzen dort gar nicht wahrnehmen. Doch seit dem Ausbruch der Coronapandemie hat sich seine Realität schlagartig verändert. Denn zu Beginn der Coronakrise schien all das, wofür wir in Europa lange und hart gekämpft hatten, ins Wanken zu geraten. Die geschlossenen Grenzen betrafen dabei, wie im eben erzählten Beispiel, sehr konkret das Leben unserer Bürger.

Ein Schleier des Egoismus und der Verschlossenheit fiel über Europa. Bilder endloser Lkw-Staus waren ein Symbol der plötzlich dagewesenen Angst um die allgemeine Versorgungslage in der EU. Masken und Schutzanzüge steckten zunächst in den europäischen Häfen fest, und Erinnerungen an die Zeiten vor Schengen waren wieder präsent. Kurzum: Die innereuropäische Freizügigkeit, ein zentraler Pfeiler unseres liebgewonnenen vereinten Europas, schien bedroht zu sein.

Probleme und Krisen dieser Art sind aber nur gemeinsam zu bewältigen. Deshalb brauchen wir zukünftig nicht weniger, sondern mehr Europa. Ich begrüße daher ausdrücklich das Arbeitsprogramm der EU-Kommission, welches auch über die Pandemie hinaus konkrete und zukunftsorientierte Lösungen anbietet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei möchte ich vor allem auf zwei zentrale Punkte eingehen: den Klimaschutz und die Verkehrspolitik, zwei eng miteinander verzahnte Themen. Eine nachhaltige Verkehrspolitik auf europäischer Ebene ist unerlässlich. Die von der EU vorgeschlagenen Maßnahmen erachte ich als sinnvoll und fordere dabei weitere Schritte.

Die transeuropäischen Verkehrsachsen, die sogenannten TEN-Projekte, müssen weiter fortgeschrieben und vor allem schneller umgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein prominentes und immer wieder genanntes Beispiel ist der Rheinkorridor mit der Ausbaustrecke Karlsruhe–Basel im Zuge der TEN-Achse Rotterdam–Genua, unter anderem das größte Verkehrsprojekt in meinem südbadischen Wahlkreis. Dies würde nicht nur eine Beschleunigung der Verkehre in Europa insgesamt bedeuten, sondern auch zu einer Entlastung der vom Verkehrslärm geplagten Menschen im Rheintal und anderswo führen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Beschleunigung der transeuropäischen Schienenprojekte auch innerhalb Deutschlands ist sehr wichtig. Ich blicke zu der Fraktion der Bündnisgrünen. Schade, dass der grüne Verkehrsminister von Baden-Württemberg das vom Bund angebotene beschleunigte Verfahren zum Ausbau der Schienenwege in seinem Land abgelehnt hat. Vielleicht können Sie ihm hier noch etwas auf die Sprünge helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unabhängig davon geht es aber auch um die Frage des CO2-neutralen Bahnstroms. Dessen Anteil liegt in Deutschland bei 61 Prozent. Auch hier ist ein höheres Ziel möglich, um eine wirklich nachhaltigere Schieneninfrastruktur zu schaffen.

Ebenso will die EU eine deutliche CO2-Minderung in der Industrie erreichen. Das ist ein wichtiges Ziel; doch die Lasten müssen gerecht verteilt werden, ohne dabei Industriearbeitsplätze zu gefährden. Gerade die deutschen Automobilunternehmer mit ihren Zulieferern haben mit der Umstellung auf die Abgasnorm Euro 6 viel Vorbildhaftes geleistet. Genau deswegen müssen wir nun aufpassen, bevor wir wieder neue Grenzwerte und somit neue Kosten für unsere Wirtschaft aufbauen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Corona hat uns doch gerade gelehrt, wie wichtig es ist, industrielle Produktion in Europa zu halten und nicht durch zunehmende Belastungen auf andere Kontinente zu verlagern. Wir müssen die nachhaltige Transformation unserer Industrie gemeinsam mit den Firmen und nicht gegen sie gestalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht ohne Grund heißt das Arbeitsprogramm „Eine vitale Union in einer fragilen Welt“. Die Aufnahme von coronakranken Patienten aus anderen EU-Ländern in eigenen Krankenhäusern – im Übrigen eine deutsche Initiative – ist ein gelungenes Beispiel dafür. Die EU hat gezeigt, dass sie bei aller Kritik in der Lage ist, in Krisenzeiten zu handeln, Solidarität zu zeigen und Dinge zu verändern. Diesen Mut müssen wir für künftige Herausforderungen bewahren, dabei nationalen Egoismus bekämpfen, innereuropäische Grenzen wieder abbauen und natürlich das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission konsequent umsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)