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Armin Schuster: Nizza und Dresden zeigen, wie wichtig es ist, dass wir endlich das Terrorismusbekämpfungsgesetz entfristen

Redebeitrag zur Entfristung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine letzte Rede in diesem Hohen Haus! Hätte ich es mir aussuchen dürfen, hätte ich diese Uhrzeit gewählt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

– Ja, denn so habe ich dieses Haus die letzten elf Jahre erlebt; die Uhrzeit passt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, jetzt sind nur doch die da, die es ernst meinen!)

Was nicht passt – das muss ich ehrlich sagen –, ist, heute zu diesem Thema reden zu müssen. Angesichts von Nizza fällt mir das schwer. Wir sind in Gedanken bei unseren französischen Freunden. Ich bin ihnen auch geographisch sehr nahe. Wenn das stimmt, was mein Generalsekretär getwittert hat, Herr Kuhle, dann haben Sie die Initiative ergriffen und gerade eben spontan vor der französischen Botschaft auch unsere Trauer noch mal gezeigt. Das haben viele Abgeordnete, viele Kolleginnen und Kollegen, gemacht, und ich finde das ein sehr schönes Zeichen an unsere französischen Freunde. Danke dafür!

(Beifall im ganzen Hause)

Leider zeigen Nizza und Dresden, wie wichtig es ist, dass wir endlich das Terrorismusbekämpfungsgesetz entfristen.

(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Warum?)

– Weil wir hybride Bedrohungslagen im Bereich des Rechtsterrorismus und im Bereich des internationalen Terrorismus durch unsere Nachrichtendienste, und zwar weltweit im Verbund, besser bekämpfen können, wenn wir Bewegungsbilder für Terrorgefährder erstellen können, wenn wir Finanztransaktionen für Terrorfinanzierung offenlegen können, wenn wir Netzwerkaufklärung betreiben können. Dadurch können wir auch die Spionageabwehr verbessern und Proliferation besser bekämpfen.

„Otto-Pakete“ wird es etwas despektierlich genannt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kataloge!)

Otto Schily hat 2002 genau gewusst, was er tut. Das ist bis heute richtig.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pleite gegangen! Zu Recht!)

Die Unionsfraktion war damals übrigens in der Opposition und hat diesem Paket zugestimmt,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

weil wir davon überzeugt waren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass es richtig war, haben die drei Verlängerungen gezeigt, die wir vorgenommen haben. Und im Übrigen haben das auch die vier Evaluationen bewiesen. Der Bedarf und die Angemessenheit werden seit über 15 Jahren immer wieder von Wissenschaftlern attestiert.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass ich nicht lache! Wer hat denn evaluiert?)

Sie können jetzt nur noch den Vatikan einschalten, wenn Sie noch eine Stufe höher gehen wollen. Ich glaube, wir brauchen das nicht. Was es braucht, sind Vertrauen und Zutrauen in unsere Sicherheitsbehörden. Das macht übrigens ganz besonders regierungsfähig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich glaube, es ist für mich an der Zeit – ich war schon beim Vatikan –,

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

mich beim lieben Gott und bei meiner CDU – ob im Kreis, ob im Land, ob im Bund, ob bei meiner Fraktion – zu bedanken. Es ist nicht selbstverständlich, dass man hier als Sicherheitsexperte reinkommt und tatsächlich Innenausschuss machen darf; das ist überhaupt nicht selbstverständlich.

(Stephan Thomae [FDP]: Eher Zufall!)

Ich durfte es elf Jahre machen, sieben Jahre als Obmann. Ich war in vier Untersuchungsausschüssen in allen Funktionen. Ich habe mich vom stellvertretenden Mitglied zum Vorsitzenden hochgearbeitet. Das ist schon eine steile Karriere, finde ich.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sieben Jahre Parlamentarisches Kontrollgremium und drei Jahre Vorsitzender: Das ist für jemanden wie mich, der sich immer noch als normaler Bürger sieht, schon etwas, was ich, glaube ich, erst begreifen werde, wenn das mal wirklich rum ist und ich zurückgucke.

Ich glaube, ich habe sehr bewegte Zeiten in diesen Funktionen erlebt, widerspreche aber ab sofort dem Satz, mit 48 Lebensjahren – damals kam ich hier rein; keine Sorge, ich bin wirklich so alt – könne man sich nicht mehr entwickeln und verändern. Ich glaube, dass das der Lebensabschnitt war, der mich persönlich am meisten entwickelt hat. Ich hoffe, ich kann das irgendwie in Bonn einsetzen. Ich möchte jedenfalls keine Sekunde missen. Ich hatte eine Menge toller Ideen. Einiges davon ist umgesetzt worden. Das, was wir nicht umgesetzt haben: Da seid ihr selber schuld. Das hätte es noch besser gemacht.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich trete nach meiner Wahrnehmung auf dem Höhepunkt meines politischen Wirkens ab – da bin ich ziemlich sicher – und gehe in meine berufliche Heimat zurück, in die Exekutive. Darauf freue ich mich ganz besonders; das konnte ich, glaube ich, nie verbergen.

(Stephan Thomae [FDP]: Keine Steigerung!)

Es ist der letzte Baustein für einen echten Sicherheitsexperten, der mir noch fehlt. Nach den Nachrichtendiensten und der Polizei kommt jetzt der Katastrophenschutz. Das macht mich schon stolz. Wenn ich damit fertig bin: Sucht ihr euch mal einen Vergleichbaren!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, nach Covid-19 – das wird irgendwann vorbei sein – haben wir Lessons learned zu betreiben, und dann sehe ich die Stunde des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir alle gemeinsam – auch die Ministerpräsidenten – gelernt haben, dass wir mit diesem Amt ein hervorragendes Amt haben, das nicht nur im Spannungs- und im Verteidigungsfall, sondern auch in zivilen Fällen seine Leistung erbringen kann und erbringen will. Ich glaube, dass es neben Waldbränden, Flutkatastrophen an der Elbe und dem Verteidigungsfall noch etwas gibt, was wir jetzt gerade bekämpfen, nämlich Katastrophen von nationalem Ausmaß, wobei das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eine andere Rolle spielen möchte. Dafür werde ich mich jedenfalls einsetzen.

Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen der SPD für elf wirklich starke Jahre in der Innenpolitik. Mit keinem anderen kann ich mir vorstellen so weit zu kommen, wie wir gekommen sind. Diese Republik hat elf starke Jahre hinter sich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Stephan Thomae [FDP]: Nicht sehr ehrgeizig! Bescheidene Ansprüche!)

Die Union hat mit der SPD eine klasse GroKo-Politik gemacht, und die werden wir mit dem BND-Gesetz, mit dem Bundesverfassungsschutzgesetz und mit dem Bundespolizeigesetz beenden; davon bin ich überzeugt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit uns?)

Die Grünen: Leute, ich bin Wettkampfsportler, und wenn ich mich entscheiden könnte, im Vorlauf den schwachen oder den starken Gegner zu haben, dann würde ich den starken nehmen, und so charakterisiere ich euch. Wir sind so superstark, weil ihr es auch seid.

(Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)

Ich glaube, dass die sehr gute Leistung der Regierung Merkel seit 15 Jahren viel damit zu tun hat, dass wir starke Gegner haben. Das macht uns besser. Danke dafür!

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich beantrage Verlängerung der Redezeit!)

Die FDP habe ich vier Jahre in der Opposition und vier Jahre in der Regierungskoalition erlebt. Ihr macht in Opposition weit mehr Spaß. Bleibt dabei, liebe FDP!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Thomae [FDP]: Und das ist kein Spaß!)

Es ist wirklich cool.

Herzlichen Dank an alle Mitarbeiter. Das will ich mal sagen: Viele von uns wären bei Weitem nicht so gut, wenn es die nicht gäbe. Über die redet nie jemand; die dürfen nie hier drin sein. Vor denen mache ich einen großen Diener.

Ich scheide mit Trude Herr:

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: „Niemals geht man so ganz“!)

Niemals geht man so ganz, irgendwas von mir bleibt!

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das passt ins Rheinland! – Stephan Thomae [FDP]: Eine freundliche Drohung!)

Als Bürger habe ich eine herzliche Bitte: Macht et jot!

Tschö!

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich)