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Stephan Stracke: Die Anpassung des Mindestlohns ist nicht Aufgabe von Politik

Rede zur Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Festsetzung der Höhe des Mindestlohns geht es im Grundsatz um eine Lösung eines Zielkonflikts. Dieser Zielkonflikt besteht zwischen der Beschäftigungssicherung einerseits und der Armutsvermeidung andererseits. Bei der Einführung des Mindestlohns ging dieser erstaunlich problemlos über die Bühne. Das hat sicherlich mit dem konjunkturellen Umfeld zu tun, aber auch damit, dass die Eingriffsintensität des Mindestlohns in das Lohngefüge von der Wissenschaft weitgehend überschätzt wurde.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir wussten das vorher! Wir haben Professor Unsinn nie ein Wort geglaubt!)

Wir stellen allerdings fest, dass es seit Einführung des Mindestlohns erhebliche Verstöße zu verzeichnen gab. 2017 waren es schätzungsweise 1,8 Millionen Fälle. Das zeigt, worin unsere Aufgabe liegt: Wir müssen die Kontrolldichte erhöhen, um verstärkt gegen Verstöße vorgehen zu können. Das tun wir auch, beispielsweise mit der Stärkung der Zollverwaltung und vielen anderen Dingen mehr.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie schon seit 2015, und es klappt nicht!)

Das tut in diesem Bereich gut.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da könnt ihr noch ein paar Schippen drauflegen!)

Im Zuge der Coronakrise stecken wir jetzt allerdings in der tiefsten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Damit unterliegt der Mindestlohn zum ersten Mal einer Bewährungsprobe. Wir müssen alles daransetzen – und das tun Koalition und Regierung –, Beschäftigung in dieser Phase zu sichern und nicht zu gefährden. Derjenige, der jetzt für eine schlagartige Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ist, der gefährdet im Ergebnis Beschäftigung, und das ist kontraproduktiv. Man spielt nicht mit Arbeitsplätzen, und man spielt auch nicht mit Existenzen. Das ist der Grund, weswegen wir den vorliegenden Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Anpassung des Mindestlohns ist nicht Aufgabe von Politik. Wir haben ihn einmal festgesetzt,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Damals zu niedrig! Sonst hätten wir das Problem nicht!)

aber dann das weitere Vorgehen aus guten Gründen der Mindestlohnkommission übergeben; denn wir wissen, dass es die Tarifvertragsparteien sind, die für die Festsetzung des Tariflohns berufen sind. Lohnpolitik ist im Übrigen genauso wie Geldpolitik nicht originäre Aufgabe des Staates. Deswegen haben wir die Tarifautonomie als wesentliches Prinzip im Grundgesetz etabliert. Die Tarifvertragsparteien sind für die Lohnfindung zuständig, und die Lohnentwicklung bestimmt letztendlich die Höhe des Mindestlohns. Umgekehrt gilt im Übrigen, dass der Mindestlohn in einigen Branchen die Tarifdynamik beeinflusst. Diese Wechselwirkung muss man sich klar vor Augen halten.

Die Mindestlohnanpassung folgt der Tariflohnentwicklung. Das ist eine gute Regel. Sie hat sich bewährt, und an ihr wollen wir festhalten;

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Kollege Zimmer hat vorhin etwas anderes gesagt! Da müssen Sie sich mal einigen!)

denn sie nimmt diejenigen in die Verantwortung, die für die Tarifentwicklung in diesem Lande am besten berufen sind, nämlich die Tarifvertragsparteien.

Herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU/CSU)