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Ralph Brinkhaus
(Quelle: Thomas Imo)

"Bauen muss insgesamt einfacher und günstiger werden"

Brinkhaus-Interview mit der B.Z. Berlin

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus will die Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen vorantreiben. Im Interview fordert er: "Das Umland der Metropolen muss attraktiver werden, um dem Sog in die Städte zu begegnen."

B.Z.: Was sagen Sie zum Koalitionsstreit um Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin?

Ralph Brinkhaus: Als Wahlkämpfer hätte ich mir für dieses Amt Manfred Weber gewünscht. Das hat leider nicht geklappt. Und wir müssen jetzt regeln, dass bei der nächsten Wahl, das Spitzenkandidatenprinzip auch tatsächlich trägt. Aber die 28 Staats- und Regierungschefs haben ein Personal-Paket hinbekommen, das alle unterstützen. Das ist eine große Leistung. Dass die SPD die erste Deutsche für diesen Posten seit 52 Jahren, die erste Frau überhaupt, ablehnt, finde ich seltsam. Da könnte man den Eindruck haben, dass die Partei wichtiger ist als die Sache. Ich halte Ursula von der Leyen für sehr geeignet – von ihrer Biografie her, ihrer Einstellung zu Europa, ihren Sprachkenntnissen, ihrer Persönlichkeit und ihren internationalen Verhandlungserfahrungen als Verteidigungsministerin. Sie ist so stark, dass sie auch vor Politikern wie Donald Trump oder Wladimir Putin nicht einknicken wird.

Wie ist der Zustand der GroKo?

Wir haben in den letzten neun Monaten einiges hinbekommen – von den Migrationsgesetzen bis zu besseren Familienleistungen. Der Kessel der Großen Koalition läuft auf Hochtouren, und der Dampfer bewegt sich nach vorn. Nur kommen manchmal schwierige Signale vom Deck. Die SPD ist nach dem Rücktritt von Andrea Nahles in der Findungsphase. Aber wir haben in der Koalition unser Geschäft zu erledigen und tun das auch gemeinsam. Im Herbst stehen der Bundeshaushalt 2020, die Grundsteuer und das Klimaleitbild an. Und da erwarte ich von der SPD, dass sie konstruktiv mitarbeitet.

Stichwort Seenot-Rettung. Wie sehen Sie das Dilemma?

Eine schwierige Frage. Natürlich müssen wir Menschen vor dem Ertrinken retten, ganz klar. Da darf es keine Ausreden geben. Auf der anderen Seite müssen wir Migration steuern. Der eigentlich richtige Weg wäre, die Menschen dorthin zurückzubringen, von wo sie aufgebrochen sind, und dort für vernünftige Verhältnisse zu sorgen. In Libyen ist die Lage derzeit allerdings unglaublich gefährlich. Diesen Konflikt zu lösen, wird schwer.

Beim Thema Wohnungsnot scheint sich die SPD mehr um die Mieter und die CDU eher um die Eigentümer zu kümmern …

Nein. Wir sind die Partei der Mieter und der Eigentümer und haben beider Interessen im Blick. Da müssen wir einen vernünftigen Ausgleich hinbekommen, sonst haben Eigentümer kein Interesse an einer Vermietung, und es werden keine neuen Wohnungen gebaut. Die Probleme durch das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage kann man vielleicht kurzfristig über Mietpreis-Regulierung entschärfen. Doch so entsteht kein neuer Wohnraum. Den brauchen wir aber. Zwei Drittel der Wohnungen in Deutschland gehören privaten Kleinvermietern. Gerade die, die ihre Mieten zuletzt nicht erhöht haben, würden zum Beispiel durch einen Mietendeckel bestraft.

Was ist das Konzept der CDU?

Die Mieten steigen regional so stark, weil wir zu wenig Angebot haben. Um dem zu begegnen, müssen wir bauen, bauen, bauen. Dazu braucht es ein ganzes Bündel an Maßnahmen. In den Städten brauchen wir mehr Verdichtung, mehr Höhe und mehr Bauland. Wir müssen Bauen finanziell attraktiver machen, die steuerliche Abschreibung für Mietwohnungsbau ist endlich durch den Bundesrat gegangen. Der Bund gibt außerdem mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau, für den die Länder zuständig sind. Dafür haben wir das Grundgesetz verändert. Und: Bauen muss insgesamt einfacher und günstiger werden.

Aber es wird durch neue Vorschriften immer teurer!

Viele Vorschriften machen Sinn. Wir wollen Klimaschutz. Wir wollen energetisch sanieren. Aber wir können die Effizienz verbessern, etwa bei den Genehmigungsverfahren. Und warum bauen wir nicht mehr seriell? Ich will bestimmt nicht zum Plattenbau zurück. Aber serielles Bauen, wie man auch Autos seriell herstellt, hat noch viel Potenzial. Zum Kampf gegen die Wohnungsnot gehört auch, dass wir die Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen vorantreiben. Das Umland der Metropolen muss attraktiver werden, um dem Sog in die Städte zu begegnen. In der aktuellen Diskussion – gerade hier in Berlin – geht es immer nur um staatliche Regulierung. Das lenkt vielleicht von den Versäumnissen des Senats beim Bauen ab. Regulierung ist aber nur eines von vielen Instrumenten. Und bestimmt nicht das wichtigste. Das ist es wie bei einer Symphonie, alle Töne, alle Instrumente müssen sich harmonisch ergänzen.

Aber diese Strategien sind langfristig, und das Problem hoher Mieten ist akut.

Die Mietpreisbremse kann durchaus dazu beitragen, Missstände kurzfristig zu entschärfen. Aber ein massives Eingreifen in die Märkte – Mietendeckel, Enteignung – wäre absolut kontraproduktiv. Wir behalten die Mieten langfristig nur im Griff, wenn wir ein größeres Angebot schaffen. Wir haben in der DDR gesehen, was passiert, wenn der Staat das Thema Wohnen in die Hand nimmt. Der Staat sollte nicht den Wohnungsmarkt regulieren. Wenn Sie im teuren München Polizisten brauchen, kann der Staat sich allerdings als Arbeitgeber um Wohnungen für sie kümmern.

Sehen Sie da den Staat verstärkt in der Pflicht?

Darüber wird zurzeit diskutiert. Fest steht: Es darf nicht sein, dass es innerhalb des S-Bahn-Rings – wie in London oder Paris – nur noch Sozial- oder Millionärswohnungen gibt. Wohnen ist ein Thema der Mitte. Die ganz normale arbeitende Mittelkasse muss sich in der Stadt vernünftige Wohnungen leisten können.

Macht die Grundsteuerreform die Mieten in gefragten Berliner Lagen teurer?

Wie hoch die Belastung durch die Grundsteuer sein wird, liegt in den Händen des Senats von Berlin. Er kann das Gesetz passgenau gestalten, um Schieflagen zu vermeiden. Die Frage ist jetzt, wie die Länder das Gesetz ausgestalten. Das Land Berlin hat es in der Hand.

Wie bewerten Sie die Berliner Wohnungspolitik?

Ich finde es schon seltsam, wenn man auf dem Tempelhofer Feld drei Quadratkilometer beste Innenstadtlage zum Drachensteigen nutzt. Es wäre eine Führungsaufgabe, da einen Kompromiss zu erzielen, sodass auf der einen Seite Freiflächen bleiben, auf der anderen Seite ein Teil aber auch bebaut werden kann.

Sie sind Fußball-Fan (1. FC Köln). Haben Sie selbst mal gespielt?

Ich habe alles durch, von der E-Jugend bis zu den Herren. Aber ich war ziemlich talentfrei und habe daher mit 22 aufgehört. Meine Liebe zum Fußball wurde vom Fußball leider nicht erwidert.

Was lehrt Sie der Fußball für die Politik?

Etwas vereinfacht: Früher gab es noch Trainer die haben gesagt: Geht auf den Platz und gewinnt! Heute haben alle Trainer eine sehr ausdifferenzierte Spielidee. Die habe ich auch für die Fraktion. Gute Einzelspieler reißen es nicht mehr. Man muss ein System haben, eine Idee für das ganze Team. Daran arbeiten wir und wir haben schon einiges umgesetzt.

Was zum Beispiel?

Wir sind jetzt bei den meisten Gesetzentwürfen sehr früh dabei, auch wenn das manche Minister nervt. Wir haben die Fraktion breiter aufgestellt. Stellvertreter und Sprecher aber auch die einzelnen Abgeordneten haben mehr Verantwortung. Und zu meiner „Spielidee“ gehört auch: nicht jedem Alarmismus hinterherlaufen, sich auch mal Zeit nehmen, auf bewährte Verfahren vertrauen. Man kann auch mal schweigen, wenn eine Sau durchs Dorf getrieben wird. Gleichzeitig steigern wir unsere Präsenz in den sozialen Medien.

Ist das der Rebell, als der Sie nach dem Sieg über Volker Kauder gefeiert wurden?

Ich bin nie als Rebell angetreten. Ich wollte die Fraktion aktiver in die politische Entscheidungsfindung einbinden. Das ist auch passiert. Wenn wir anderer Meinung sind als die Bundesregierung, klären wir Konflikte im Vorfeld freundschaftlich und respektvoll und räumen sie meist still und in der Regel im Sinne der Fraktion ab.

 

Interview mit der B.Z. Berlin. Fragen von  Ulrike Ruppel. Zuerst online hier erschienen.