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Sebastian Brehm: Wir wollen eine Einziehungsmöglichkeit schaffen, auch wenn die steuerrechtliche Verjährung bereits eingetreten ist

Redebeitrag zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einer so guten Rede von Alois Karl kommen wir jetzt zur stillen Erotik des deutschen Steuerrechts.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es geht heute um die Abgabenordnung, und es geht darum, eine Möglichkeit zu schaffen, Taterträge bei schwerer Steuerhinterziehung einzuziehen, also sich das erbeutete Geld wieder zurückzuholen.

Wenn wir an schwere Steuerhinterziehung denken, dann denken wir aktuell insbesondere an die vielen Cum/Ex-Fälle. Vereinfacht gesagt, war es bei den Cum/Ex-Fällen ja so, dass für eine Dividendenauszahlung die Kapitalertragsteuer zweimal zurückerstattet bzw. dies beantragt wurde. Dies erfüllt natürlich eindeutig den Tatbestand der Steuerhinterziehung; in der Abgabenordnung ist das geregelt. Auch der Versuch ist strafbar.

Ab wann spricht man von einer schweren Steuerhinterziehung? Der Bundesgerichtshof sagt: Bei Beträgen ab 50 000 Euro liegt eine schwere Steuerhinterziehung vor. – Aber diese vereinfachte Darstellung, gerade der Cum/Ex-Geschäfte, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Cum/Ex-Geschäfte leider sehr komplex gestaltet wurden und dass für die Aufklärung dieser Geschäfte ein erheblicher Aufwand seitens der Strafverfolgungsbehörden vorgenommen werden muss.

Nach den Regelungen des Strafgesetzbuches ist eine Einziehung ausgeschlossen, soweit der entsprechende Anspruch erloschen ist. Wann erlischt ein Anspruch aus schwerer Steuerhinterziehung? Auch das ist in der Abgabenordnung geregelt. Nach der Abgabenordnung erlischt ein Steueranspruch bei schwerer Steuerhinterziehung nach zehn Jahren. Daran schließt sich dann eine zehnjährige Strafverfolgungsverjährung bei den Gerichten an, die sogenannte absolute Verjährung. Sobald die Staatsanwaltschaft Kenntnis von einer Steuerstraftat hat und ein Verfahren einleitet, laufen die zehn Jahre an.

In unserem Fall stellt sich nun die Frage, ob die Einziehung auch erfolgen kann, wenn die steuerrechtliche Verjährung bereits eingetreten ist. Hier hat der Bundesgerichtshof – und das ist überhaupt der Ausgangspunkt der ganzen Diskussion – 2019 entschieden, dass eine Einziehung von steuerrechtlich verjährten Taterträgen nicht mehr möglich ist.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach der derzeitigen Rechtslage!)

Gerade bei solchen komplexen Fällen kann es eben passieren, dass das Verfahren so lange dauert, dass die steuerrechtliche Verjährung schon eintritt. Deswegen wollen wir eine Einziehungsmöglichkeit schaffen, auch wenn die steuerrechtliche Verjährung bereits eingetreten ist.

Jetzt stellt sich als Zweites die Frage: Können wir eine Gesetzgebung machen, die Rückwirkung hat?

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

– Ein klares Ja, wie Sie von den Grünen das formulieren, gibt es eben nicht. – Der Bundesgerichtshof hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Deswegen ist die Methode, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf verfolgen, zu einfach, und sie führt auch zu Rechtsunsicherheit.

Die Bundesregierung bzw. das Bundesfinanzministerium hat mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz versucht, hier eine Regelung zu schaffen, allerdings für meine Begriffe – wir haben das immer wieder gesagt – viel zu schnell und zu undurchdacht – ohne Verbändeanhörung –, und dann wurde dieser neue § 375a Abgabenordnung eingeführt. Am Ende kam natürlich raus, dass er erst für Taterträge gilt, die ab dem 1. Juli 2020 noch nicht verjährt waren, also mit Inkrafttreten des Gesetzes.

Ich halte diese Vorgehensweise nicht für richtig. Wir haben das auch in den Berichterstattergesprächen mit dem Koalitionspartner immer wieder erwähnt und haben gesagt: Wir brauchen keinen Schnellschuss im Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz, sondern wir brauchen ein Extragesetz, in dem wir substanziiert die einzelnen Punkte wirklich abschichten und schauen, dass wir alle Cum/Ex-Erträge wieder zurückholen können. Leider war diese differenzierte Diskussion mit dem Koalitionspartner nicht möglich. Jetzt stehen wir vor dem Berg an Aufgaben, die wir erledigen müssen, und wir haben keine Lösung für die alten Erträge.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, unser Gesetzentwurf liegt vor!)

Ich glaube, wir müssen hier ohne Schaum vor dem Mund ganz sachlich, klar und steuerrechtlich präzise eine Regelung finden. Nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums sind übrigens bisher keine Taterträge verjährt. Also, ich verstehe gar nicht die Hektik. Man hätte das wirklich auch ganz sauber lösen können.

Nun liegen zwei Lösungen auf dem Tisch: eine aus dem Bundesrat, insbesondere aus NRW vom Justizminister Biesenbach, der sagt: Wir wollen die steuerrechtliche Verjährung von 10 auf 15 Jahre verlängern. – Ein entsprechender Antrag wurde übrigens heute im Bundesrat an dessen Finanzausschuss überwiesen. Zum anderen liegt zwar noch kein richtiger Vorschlag vor, aber zumindest die Ankündigung eines Vorschlages des Bundesfinanzministeriums gemeinsam mit dem Justizministerium, eine Fortentwicklung der Strafprozessordnung und der Regelungen im Strafgesetzbuch vorzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns beide Regelungen, sobald sie auf dem Tisch liegen, anschauen. Wir werden beide bewerten und dann eine Entscheidung darüber treffen, welchen Weg wir gehen. Ich warne erneut vor einem Schnellschuss.

Die beiden Gesetzentwürfe, einer von den Linken und einer von den Grünen, sind Schnellschüsse. Die Grünen sagen: Es ist uns eigentlich wurscht, was das Bundesverfassungsgericht entscheidet; Rückwirkungen machen wir einfach mal. – Das ist rechtsunsicher. Die Linken sagen: Wir streichen einfach den Passus „1. Juli 2020“. – Auch das ist zu kurz gesprungen.

Wir werden das aus diesem Grunde heute ablehnen, aber mit dem festen Willen, glaube ich, aller Parteien hier im Hause, die Taterträge aus Geschäften schwerer Steuerhinterziehung zurückzuholen. Aber wir wollen eine rechtssichere Möglichkeit schaffen.

Deswegen, glaube ich, sollten wir jetzt in den nächsten Wochen einfach den Entwurf abwarten, die beiden dann vorliegenden Entwürfe, sowohl den vom Bundesrat als auch den vom Bundesfinanz- und Justizministerium, diskutieren – inhaltlich, sachlich –, und dann sollten wir eine Entscheidung treffen. Denn wir wollen, dass Taterträge aus schwerer Steuerhinterziehung vom Staat auch wieder zurückgeholt werden können. Das ist unser fester Wille. Ich freue mich auf die Diskussion.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)