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Sebastian Brehm: "Problem muss mit marktwirtschaftlichen Instrumenten gelöst werden"

Rede zu Dispozinsen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In regelmäßigen Abständen kommt ein Antrag der Linken zur Deckelung der Dispozinsen. Das letzte Mal haben wir im Februar 2019 – das wurde erwähnt – im Bundestag darüber diskutiert. Jetzt kommt er neu im Lichte der Coronapandemie.

Auch die SPD – das haben wir heute schon in der Debatte gehört – hat im Herbst 2020 ein Positionspapier wohl im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl auf den Weg gebracht und fordert die gesetzliche Begrenzung der Dispozinsen. Dieses Thema verschafft schnell Öffentlichkeit und klingt in einem ersten Schritt gut. Aber es ist ein süßes Gift.

Viele Kolleginnen und Kollegen – der Kollege Schäffler hat es ja angesprochen – sitzen als Kommunalpolitiker bei den Sparkassen in den Aufsichtsräten, Linke, Grüne, aber auch welche von der SPD

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Von der CDU!)

– von der CDU und der CSU natürlich auch –, aber von ihnen wurden keinerlei Anträge wie von der Ihnen gestellt. Ich kenne es aus meiner Sparkasse: Da habe ich keinen von den anderen Parteien gehört, der sich mit dieser Herabsetzung der Zinsen beschäftigt. Insofern ist es ein reiner Schaufensterantrag, den Sie hier stellen,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)

wahrscheinlich im Lichte der Bundestagswahl.

Sie wissen ganz genau, liebe Kolleginnen und Kollegen: Für die Berechnung der Dispozinsen gilt eben nicht der Leitzinssatz der EZB wie bei ganz normalen Darlehen. Es gibt vielmehr preisbestimmende Faktoren.

Erstens kann das benötigte Geld – das ist wiederum falsch gemacht worden – nicht von der EZB geliehen werden. Es muss aus den Kundeneinlagen, also aus dem Eigenkapital, mit erbracht werden.

Zweitens. Die Kontokorrentlinien führen zu massiven Kostensteigerungen und Mehrkosten aufgrund der Regulatorik und zu wesentlich höheren Eigenkapitalkosten der Banken.

Drittens. Die Kreditlinie muss vorgehalten werden, unabhängig von der Inanspruchnahme. Es muss also Geld hinterlegt werden, ob es beansprucht wird oder nicht. Es muss schnell verfügbar sein, und es gibt eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit.

Alle diese Punkte fließen in die Preisberechnung der Dispositionszinsen mit ein. Deswegen kann man eine Begrenzung nicht so pauschal fordern wie Sie, sondern es braucht eine differenzierte Betrachtung für die Bemessung der Zinsen für Dispositionskredite.

Aber natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es auch in unserem Interesse, dass die Zinsen nicht zu hoch sind und dass die Verbraucher nicht unnötig oder gar unüblich hoch belastet werden. Deswegen gibt es ja schon eine gesetzliche Begrenzung in § 138 BGB zu dem Thema Wucherzins. Aber ich sage klar: Das Problem muss mit marktwirtschaftlichen Instrumenten und darf nicht mit planwirtschaftlichen Denkspielen gelöst werden.

Wir haben das 2018 im Zahlungskontengesetz gesetzlich geregelt. Da waren wesentliche Punkte – sie wurden heute ja in der Debatte erwähnt – die Transparenz und die Vergleichbarkeit. Ein zweiter wesentlicher Punkt in diesem Gesetz ist, dass bei einem Kontowechsel auch die Überweisungsdaten und Einziehungsaufträge mitgenommen werden können. Ich war in Vorbereitung auf die Rede heute gestern auf verschiedenen Vergleichsportalen, auch auf dem TÜV-gesteuerten Vergleichsportal. Hier variieren die Zinsen von 0 Prozent bis 11 Prozent, also hat jeder Kunde die Wahl.

In einem zweiten Gesetz haben wir mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie die wichtigen Beratungspflichten für die Banken bei einer langfristigen Inanspruchnahme ebenfalls gesetzlich geregelt, nämlich bei der Möglichkeit oder der Notwendigkeit, umzuschulden. Es ist richtig: In der Pandemie werden viele Berufsgruppen, gerade auch Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, vor große Herausforderungen gestellt. Deswegen unternehmen wir jeden Tag große Anstrengungen, um diese schwierigen Situationen zu beseitigen und Mängeln abzuhelfen.

Aber es sind andere Maßnahmen als die Dispositionszinsen, die wirken: Kurzarbeitergeld bis 2021 in Höhe von 80 bzw. 87 Prozent des Verdienstausfalls. Kinderbonus: 300 Euro pro Kind. Steuerfreier Coronabonus: 1 500 Euro im letzten Jahr. Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende – wo waren Sie da? den haben wir nach vorne gebracht –: zunächst befristet, jetzt verlängert. Einführung der Homeoffice-Pauschale für diejenigen, die belastet sind. Wir haben die Abschaffung des Solidaritätszuschlages für kleine und mittlere Einkommen; wir würden uns ja wünschen, dass er für alle Einkommen abgeschafft wäre.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Für die Reichen!)

Wir haben den vereinfachten Zugang zur Grundsicherung.

(Beifall des Abg. Frank Schäffler [FDP])

Wir haben Hilfsprogramme für Künstlerinnen und Künstler, also gerade für die kleineren und mittleren Einkommen.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Maßnahmen, die ankommen, das sind Maßnahmen, die wirken, und das sind auch wirkliche Entlastungen für die kleineren und mittleren Einkommen. Deswegen haben wir diesen Weg beschritten. Wir wollen eben noch keinen Wahlkampf machen wie Sie, insbesondere auch die Kollegen der SPD. Wir wollen sachorientiert an den Fragen arbeiten, und wir wollen Lösungen finden. Diese Lösungen haben wir gefunden.

Deswegen sage ich: Raus aus dem Schaufenster, ran an den Schreibtisch! Lassen Sie uns jeden Tag aufs Neue prüfen, wie wir die Pandemie und die Folgen der Pandemie sinnvoll bekämpfen und gerade denjenigen helfen können, die unter der Pandemie extrem leiden. Das sind natürlich auch die Bezieher der kleineren und mittleren Einkommen. Dafür arbeiten wir jeden Tag ganz hart, und wir werden es auch in den nächsten Wochen und Monaten tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)