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Sebastian Brehm:" Es ist ein wirtschaftlicher Kraftakt"

Rede zum Einführungsgesetz der Abgabenordnung

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich auch heute an dieser Stelle bei den vielen Menschen bedanken, die mit der Bearbeitung der wirtschaftlichen Coronahilfen Tag für Tag mit einem hohen Arbeitsaufwand befasst sind: die Finanzverwaltung mit den zahlreichen Anträgen auf Herabsetzung und Stundung, die Sozialversicherungsträger mit den Anträgen auf Stundung, die Agentur für Arbeit mit der Bearbeitung des Kurzarbeitergeldes, auch die bearbeitenden Stellen – bei uns in Bayern ist es zum Beispiel die IHK München –, die die Vielzahl der Anträge bearbeiten, und natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen Steuerberater mit ihren Teams, die all das beantragen müssen.

Es ist ein wirtschaftlicher Kraftakt, den wir zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie unternehmen. Wir setzen alles daran, dass kein Unternehmer coronabedingt aufgeben muss und dass auch kein Arbeitsplatzabbau coronabedingt erfolgt.

Die Bescheide über die Novemberhilfe und die Überbrückungshilfe II werden derzeit versandt und ausgezahlt. Die Abschlagszahlungen für die Dezemberhilfe werden ausgezahlt. Die Überbrückungshilfe III steht kurz vor der Beantragung.

Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir alles unternehmen, diese Hilfen schneller an den Antragsteller auszuzahlen. Gerade jetzt im zweiten Lockdown werden die Hilfen so dringend gebraucht wie nie zuvor. Schnelligkeit ist also das Gebot der Stunde. Deshalb werbe ich dafür, dass wir die Abschlagszahlungen bei der Überbrückungshilfe III erhöhen. Damit nimmt man den Druck aus der komplizierten Bearbeitung. Es erfolgt ja eh eine Abrechnung Ende des Jahres 2021, wodurch dann auch die Korrekturen vorgenommen werden können.

Die Beantragung der Hilfen und vor allem die Bearbeitung jedes Einzelfalls – ich kann das aus der Praxis sagen – nehmen enorme Zeit in Anspruch. Jeder Fall muss detailliert angesehen werden, sodass eine ordnungsgemäße Bearbeitung erfolgen kann. Daher bleibt gerade bei den Steuerberaterinnen und Steuerberatern nicht die notwendige Zeit für die Bearbeitung und die Einreichung der Steuererklärungen 2019, die normalerweise bis Ende Februar 2021 eingereicht werden müssen.

Mit der heutigen Beschlussfassung schaffen wir die gesetzliche Grundlage für eine Verlängerung der Abgabefristen um sechs Monate, also bis zum 31. August 2021. Zusätzlich wird auch die zinsfreie Karenzzeit, also die Verzinsung insbesondere der Steuernachzahlungen, um sechs Monate verlängert.

Normalerweise beginnt der Zinslauf für Steuernachzahlungen und Steuerrückerstattungen für 2019 am 1. April 2021 mit 0,5 Prozent pro Monat. Dieser Zinslauf beginnt nun mit dem heutigen Beschluss am 1. Oktober 2021. Im parlamentarischen Verfahren haben wir zudem erreicht, dass wir auch die Abgabefristen für die Landwirte verlängert haben. Die haben ein abweichendes Wirtschaftsjahr, vom 1. Juli bis 30. Juni. Hier haben wir die Abgabefrist um die zinsfreie Karenzzeit ebenfalls um fünf Monate verlängert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen aber auch – das müssen wir noch erledigen – eine Verlängerung der Fristen zur Einreichung der Bilanzen beim elektronischen Unternehmens- und Handelsregister. Wir brauchen aber auch eine Verlängerung der Fristen zur Einreichung der notwendigen Bilanzen bei den Banken, um keine Ratingverschlechterungen in Kauf nehmen zu müssen. Das ist übrigens für beide Seiten wichtig: einerseits für den Kunden, damit er nicht schlechtere Zinsen und ein schlechteres Rating hat, und andererseits für die Banken, damit nicht mehr Eigenkapital hinterlegt werden muss. Das müssen wir noch tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der zweite wichtige Teil, den wir im parlamentarischen Verfahren geschafft haben – selbstverständlich ist das alles ordnungsgemäß im Ausschuss behandelt worden –, sind die Anpassungen der insolvenzrechtlichen Regelungen. Gerade hier ist es wichtig – Kollege Schrodi hat es gesagt; mir ist es auch ganz wichtig –, dass wir kommunizieren: Es ist keine generelle Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für alle Unternehmerinnen und Unternehmer. Einen Insolvenzantrag muss man stellen, wenn man eine bilanzielle Überschuldung hat oder wenn Zahlungsunfähigkeit besteht. Die bilanzielle Überschuldung kann normalerweise geheilt werden durch die Einreichung einer positiven Fortführungsprognose. Aber bei Zahlungsunfähigkeit ist zwingend innerhalb von drei Wochen ein Insolvenzantrag zu stellen. Ansonsten hat man mit strafrechtlichen Konsequenzen wegen Insolvenzverschleppung oder Eingehungsbetrug zu rechnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bis zum 30. September war diese generelle Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Aber vom 1. Oktober – das muss man wirklich kommunizieren – bis zum 31. Januar ist sie begrenzt auf die bilanzielle Überschuldung, die coronabedingt entstanden ist. Jetzt, ab dem 1. Februar, wird die Insolvenzantragspflicht nur ausgesetzt für Unternehmen, die staatliche Hilfsleistungen erwarten können, aber auch nur dann, wenn sie den Antrag bis 28. Februar 2021 gestellt haben. Das ist für meine Begriffe wirklich der springende Punkt in der Kommunikation. Ich möchte daher heute noch einmal herausstellen: Wir helfen natürlich allen Unternehmern, die pandemiebedingt in Schwierigkeiten gekommen sind. Aber bei Unternehmen, die schon vorher oder aus ganz anderen Gründen in Schwierigkeiten waren oder jetzt sind, ist die ganz normale Insolvenzantragspflicht weiterhin gegeben.

Wenn man diese spezielle Insolvenzantragspflicht verschiebt, dann ist es eine logische Konsequenz, dass man dann natürlich auch die Aussetzung der insolvenzbedingten Anfechtung verlängert. Also: Wenn Menschen großzügige Stundungen oder Ratenzahlungen aufgrund der Pandemie gewähren, dann kann es ja nicht sein, dass sie bei einer späteren Insolvenz von Anfechtungen betroffen werden und sie die gesamten Beträge zurückzahlen müssen. Deswegen ist es richtig, dass wir dieses auch verlängern, eben im Hinblick auf die pandemiebedingten Fälle.

Es ist ein gutes und durchdachtes Gesetz. Es nimmt auch den Druck aus der Bearbeitung der zahlreichen Aufgaben. Deswegen bitte ich Sie alle herzlich, dass wir im gesamten Hause diesem Gesetz zustimmen. Ich glaube, das wäre das richtige Signal am heutigen Tag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)