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Sebastian Brehm: Das Wichtigste bei Umsatzsteuerkarussellgeschäften ist, diese aufzudecken

Rede zu Umsatzsteuerbetrug

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steuerbetrug ist kein Kavaliersdelikt, und ich denke, wir sind uns einig – das hat die Diskussion auch gezeigt –, dass wir mit allen Mitteln des Rechts diesen Steuerbetrug bekämpfen müssen. Dabei kommt natürlich dem Umsatzsteuerbetrug eine erhebliche Bedeutung zu; die Zahlen sind schon genannt worden. Es gibt immer wieder neue Modelle des Steuerbetrugs, die es aufzudecken gilt. Wir konnten dies in der öffentlichen Anhörung am 15. Januar dieses Jahres auch mit Sachverständigen aus der Wissenschaft, der Steuerfahndung und aus Verbänden diskutieren.

Ich glaube, so einfach, wie Sie sich das vorstellen, nämlich dass man einfach das Reverse-Charge-Verfahren, also die Umkehr der Steuerschuldnerschaft, einführt, geht es leider nicht. Es gibt den Artikel 199c der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Da die Umsatzsteuer materiellrechtlich eine harmonisierte Steuer in der Europäischen Union ist, können wir keinen Alleingang machen. In Artikel 199c sind die Bedingungen der Umkehr der Steuerschuldnerschaft geregelt. Wenn Sie schon den Kommentar aufgeschlagen haben, Herr Gottschalk, könnten Sie auch mal die wichtigen Dokumente lesen.

(Beifall des Abg. Metin Hakverdi [SPD])

Da steht nämlich drin, dass diese Einführung nicht möglich ist, sondern an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, die Deutschland leider nicht erfüllt.

(Jörn König [AfD]: Die Regelung kann man nicht ändern?)

Insofern muss es eine europäische Regelung geben.

Die Bundesregierung hat übrigens schon im Jahr 2006 als Vorreiter versucht, ein generelles Reverse-Charge-Verfahren in Europa einzuführen.

(Markus Herbrand [FDP]: Das ist sehr erfolgreich!)

– Das war damals nicht erfolgreich, weil nämlich die europäischen Partner noch verschiedene Probleme gesehen haben, zum Beispiel die Problematik der Abgrenzung zwischen Geschäftskunden und Privatkunden. Was passiert, wenn ein Privatkunde in einen Laden geht und sagt: „Ich bin Geschäftskunde“? Dann müsste er keine Steuer zahlen. Das ist derzeit noch gar nicht machbar. Deswegen setzen wir auf digitale Lösungen, zum Beispiel auf eine zentrale Meldung aller Rechnungen, sodass man wirklich prüfen kann: Ist er Unternehmer, ist er nicht Unternehmer? Fällt er unter das Reverse-Charge-Verfahren oder nicht?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wichtigste bei diesen Umsatzsteuerkarussellgeschäften ist, diese aufzudecken. Das ist gar nicht so einfach. Der Kollege Güntzler hat es ja beschrieben; ich will es wiederholen. Wenn zum Beispiel eine Firma aus den Niederlanden – er hat es erwähnt, dann erwähne ich das auch – eine Ware nach Deutschland liefert, ist es eine innergemeinschaftliche Lieferung. Insofern muss die niederländische Firma keine Mehrwertsteuer abführen.

Die deutsche Firma ist aber die Betrugsfirma und führt überhaupt keine Steuer ab, sondern verkauft die Ware gleich wieder weiter. Derjenige, der in Deutschland diese Ware kauft – das kann ein ganz unbescholtener Unternehmer sein –, macht den Vorsteuerabzug geltend – das heißt, er lässt sich die 19 Prozent Mehrwertsteuer erstatten – und verkauft sie dann weiter, zum Beispiel wieder in die Niederlande. Das heißt, wenn bei der Firma in Deutschland, die vielleicht nach drei Monaten in der Insolvenz ist oder ihren Sitz ins Ausland verlegt hat, Betrug begangen wird, muss man erst mal herausfinden, dass es überhaupt ein Missing Trader ist. Das ist die Herausforderung bei diesem Thema.

Wir haben einige Dinge auf den Weg gebracht. Es sind Datenbanken beim BZSt eingerichtet worden, wo alle Umsatzsteuerbetrugsfälle kenntlich gemacht werden, sodass man schnell reagieren kann. Dort gibt es auch eine Zentralstelle für Umsatzsteuersonderprüfungen. Wir müssen die Fahnder und die Finanzämter in die Lage versetzen, diese Karussellgeschäfte, diese Reihengeschäfte schnell zu erkennen. Das ist die Herausforderung in den nächsten Monaten für uns als Deutscher Bundestag: dass wir sie in ihren Möglichkeiten der Fahndung stärken.

Ich glaube, langfristig – da gebe ich Ihnen recht – muss man auf das Reverse-Charge-Verfahren europaweit umswitchen, aber dazu bedarf es europaweit dieser Möglichkeiten und Voraussetzungen. Deswegen sollten wir die Ratspräsidentschaft nutzen, genau dies einzuführen und damit den Umsatzsteuerbetrug aktiv zu bekämpfen.

Übrigens haben wir gemeinsam schon im letzten Jahr und in vielen Jahressteuergesetzen Umsatzsteuerbetrug bekämpft. Denken wir zum Beispiel an die Umsatzsteuermeldungen auf elektronischen Plattformen, die wir im Jahressteuergesetz 2018 geregelt haben. Herr Gottschalk, wenn Sie so einfache Lösungen wollen: Dieser einfachen Lösung, die wir vorgeschlagen haben, haben Sie nicht einmal zugestimmt. Wenn Sie Umsatzsteuerbetrug überhaupt aktiv bekämpfen wollen, dann müssen Sie auch handeln, und dann müssen Sie auch zustimmen. Nur reden und nicht handeln – gut, das ist vielleicht Ihr Prinzip – reicht nicht. Deswegen sollten Sie vielleicht im Kommentar noch ein bisschen nachlesen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir kümmern uns darum. Wir werden gemeinsam in diesem Hause – ich glaube, übrigens mit allen Kräften, die wir haben – die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um kurz- und mittelfristig und dann langfristig mit dem Reverse-Charge-Verfahren, der Umkehr der Steuerschuldnerschaft, Steuerbetrügereien endlich den Garaus zu machen. Dafür setzen wir uns gemeinsam ein, und dafür lohnt es sich auch sich einzusetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)