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Rüdiger Kruse: "Wir brauchen eine stabile maritime Wirtschaft"

Rede zur Maritimen Wirtschaftspolitik

Moin, Herr Präsident! Als ich heute Morgen zum Reichstag rüberging, ragte dieser noch aus dem Nebel heraus, der Fluss war nicht zu sehen – also ein romantisches Bild, wie wir es auch von der Küste kennen. Maritime Wirtschaft ist nicht romantisch. Sie ist auch nicht Elend, nicht Not, aber sie ist eine Notwendigkeit. Warum ist sie eine Notwendigkeit? Weil wir in unserer Selbstdefinition und auch in der Realität eine Handelsnation sind. Wenn 95 Prozent des Welthandels über die Meere abgewickelt werden, dann wird man wohl Schiffe brauchen. Und wenn man hier ein großer Player sein will, dann muss man auch Schiffe bauen, bereedern und finanzieren können. Darum geht es.

Es geht nicht zum ersten Mal darum, dass wir der maritimen Wirtschaft den Rücken stärken. Für uns ist sie eine Schlüsselindustrie; das machen wir auch mit diesem Antrag wieder deutlich. Sie ist auch einer der Bausteine für unser Konzept, dieses Land nachhaltiger zu machen, gerade was die Handelswege angeht. Hier müssen wir überlegen, wie wir aus einer bisher nicht nachhaltigen Welt in eine nachhaltige kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In der letzten Woche hat sich die Koalition auf 110 Punkte verständigt. Zwei davon waren überall in den Medien – das war der Koalitionsabend –; die anderen 108 Punkte finden Sie in diesem Antrag. Das ist eine ganze Menge, und es ist mehr als nur ein Arbeitsnachweis. Das Interessante ist, dass wir die Konfliktpunkte, die wir insgesamt haben und an der sich unsere Politik immer ausrichten muss, alle wiederfinden, wenn wir über die maritime Wirtschaft sprechen.

Was unsere Sicherheit und Verteidigung angeht, müssen wir zukünftig mehr Lasten übernehmen und können uns nicht mehr einfach blind darauf verlassen, dass andere das machen. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, dass wir weiterhin die Kompetenz haben müssen, unsere Schiffe hier selber zu konstruieren und zu bauen, damit wir unabhängig sind und auch glaubwürdig gegenüber unseren Partnern sind, unseren Beitrag leisten zu können.

Wir befinden uns im internationalen Handel in einem Wettbewerb; das ist auch völlig in Ordnung. Dass man große Banken braucht, die international arbeiten können, ist logisch, wenn man da überleben will. Aber genauso braucht man eben auch eine stabile maritime Wirtschaft. Man braucht auch Häfen, die wettbewerbsfähig sind, wo uns niemand anderes hineinregiert und wo niemand anderes entscheidet, welche Warenströme über diese Häfen abgewickelt werden.

Wir haben einen globalen Mitbewerber: die Volksrepublik China. Ich habe ja nie an 5-, 10- oder 20-Jahres-Pläne geglaubt und das auch zu Recht nicht getan; wir haben auf deutschem Boden ja bewiesen, dass das nicht funktioniert. Aber diesen neuen Staatsmonopolkapitalismus, also diese Verschmelzung der imperialen Macht mit der Wirtschaft, die wir in China erleben, nehme ich schon sehr ernst. Wenn China ankündigt, dass sie Weltmarktführer für Hightechschiffbau sein wollen, dann nehme ich das sehr ernst, und ich nehme es auch sehr ernst, wenn sie ihre Fühler ausstrecken und die Handelswege dominieren wollen. Hier müssen wir leistungsfähig sein. Hier wollen wir leistungsfähig sein, und wir haben die besten Voraussetzungen dafür.

Ein weiterer Punkt ist der Klimaschutz, der ja nicht nur freitags intensiv im Fokus der Öffentlichkeit steht. Man kann sich nicht darauf zurückziehen, dass von den Transportkilometern her Schiffe immer noch die sauberste Lösung sind; denn anders als auf dem Land kann man hier nicht zwischen Schiene und Straße wechseln. Niemand kommt auf die Idee, mit Lkws über das Meer zu fahren.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da könnte die CDU ruhig mal klatschen! – Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Alles gut. Zuhören ist mir übrigens lieber. – Auf jeden Fall ist es folgendermaßen: Wir müssen auch hier die Potenziale heben und rechtzeitig nach vorne kommen.

Wir haben in diesem Antrag auf LNG-Förderung und Power-to-X abgestellt. Da könnte man sagen: „Ja, das ist eben einer von 108 Punkten“; aber in Wirklichkeit ist es schon ein sehr zentraler Punkt. Wir müssen auch die langfristigen Klimaschutzziele bedenken. Wir streben 2050 für das Erreichen der Klimaneutralität an. Das entspricht von heute aus gerechnet einem Drittel eines Menschenlebens. Bei Schiffen sind 30 Jahre ein ganzes Schiffsleben. Das heißt, die Schiffe, die wir heute bauen, werden dann noch fahren. Das bedeutet: Wenn wir jetzt nicht durch die Tür gehen und für alternative Antriebe sorgen, dann werden wieder Schiffe fahren, die uns nicht weiterbringen.

Die Schiffsbaubranche ist agil; das ist der Vorteil gegenüber der Automobilindustrie. Sie hat schon sehr früh angefangen, sich darauf vorzubereiten, auch mit unserer Unterstützung. Ich bin sehr dankbar, dass mein Kollege Oliver Grundmann vom Arbeitskreis Küste dies immer sehr, sehr intensiv nach vorne stellt. Es geht bei LNG wirklich darum, die Tür für eine Zukunftstechnologie aufzumachen, mit der wir den Strom aus den Erneuerbaren für Power-to-X nutzen können, das heißt, in eine neue Welt mit CO 2 -neutralen Kraftstoffen einzutreten. Die sind auch deswegen eine Lösung, weil sie im vorhandenen alten System funktioniert. Wir müssen nicht warten, bis alle Schiffe auf einen wie auch immer gearteten zukünftigen Antrieb umgestellt sind, sondern wir können diese Schiffe mit Synthetic Fuels weiterfahren lassen und haben sie dann klimaneutral.

Die Dinge, die wir heute unternehmen müssen, werden sich langfristig auswirken. Natürlich stellt sich immer die Frage der Technologieoffenheit; das ist eine sehr wichtige Frage. Wir haben uns in den letzten Jahren überall informiert: Welche Möglichkeiten gibt es? Durch welche Türen kann man gehen? Sie müssen aber auch eines berücksichtigen: Wenn man nicht irgendwann durch eine Tür geht, wird man sein Leben auf dem Flur verbringen, und das wollen wir nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Josip Juratovic [SPD] – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE], an die CDU/CSU gewandt: Jetzt aber!)