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Ralph Brinkhaus: "Wir sollten eine Reserve vorhalten"

Haushaltsgesetz 2018 - Rede zum Einzelplan 08 - Finanzen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zehn Anmerkungen zum Haushalt:

Erste Anmerkung. Es geht uns gut. Seit 2014 haben wir ausgeglichene Haushalte. Die Finanzplanung ist auch ausgeglichen. Europa und die Welt beneiden uns darum; das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen, weil wir das nur allzu leicht vergessen. Herr Kollege Kindler, wenn das nur an den niedrigen Zinskosten gelegen hätte, hätte ganz Europa davon profitiert, weil alle niedrige Zinskosten hatten, nicht nur wir.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Zweite Anmerkung. Es geht nicht nur dem Bund gut, sondern es geht auch den Ländern und Kommunen gut. Im Jahr 2018 werden wahrscheinlich alle Bundesländer einen ausgeglichenen Haushalt bzw. Überschüsse erwirtschaften. Das hat auch viel mit der Bundespolitik zu tun. Das hat viel damit zu tun – der Kollege Rehberg hat es ausgerechnet –, dass wir in den letzten Jahren 150 Milliarden Euro aus unserem Haushalt an Länder und Kommunen weitergeleitet haben.

Für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und für diejenigen, die vor dem Fernseher sitzen: Wenn der Herr Scholz 1 Euro mehr Einkommensteuer bekommt, dann bekommt er gar nicht 1 Euro. Denn von 1 Euro mehr Einkommensteuer gehen 52,5 Cent an die Länder und die Kommunen. Deswegen, meine Damen und Herren, weil jetzt wieder das Jammern von Ministerpräsidenten und anderen Vertretern einsetzt: Dass der Bund mehr zahlen muss, ist, glaube ich, an dieser Stelle falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

Dritte Anmerkung: der Mythos der Steuermehrschätzung von 63 Milliarden Euro und dass wir im Geld schwimmen. Von den 63 Milliarden Euro bleiben in dieser Legislaturperiode – der Finanzminister hat es ausgerechnet – nach Abzug dessen, was für Länder und Kommunen draufgeht, was schon verplant ist und was erst 2022 kommt, maximal 10 bis 11 Milliarden Euro über. Wenn man das ins Verhältnis zu 1 400 Milliarden Euro setzt – Lothar Binding, jetzt könnte ich deinen Zollstock gebrauchen –, die wir innerhalb von vier Jahren ausgeben, dann weiß man, dass das relativ wenig ist. Das ist also auf alle Fälle kein Grund, jetzt in große Fantasien über Ausgabenorgien und ähnliche Sachen zu verfallen; denn eigentlich handelt es sich um eine Reserve, die wir vorhalten sollten.

Vierte Anmerkung. Wir sollten eine Reserve vorhalten, weil es nicht garantiert ist, dass die Steuereinnahmen so hoch bleiben. Das hängt mit der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Zu unserer wirtschaftlichen Entwicklung muss man eines sagen: Wir sind sehr, sehr exportabhängig. Das heißt, wenn irgendjemand auf der Welt Grippe hat – ob das jetzt im Nahen Osten, in den USA oder sonst wo ist –, husten wir mit. Unsere Industriegesellschaft steht außerdem vor Umbrüchen, die wir uns alle wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen können, und zwar durch die Digitalisierung, durch Robotik und viele, viele andere Sachen. Deswegen ist es gut, auch noch einige Reserven zu haben.

Fünfte Anmerkung: das Thema Steuersenkungen. Wir senken sehr wohl Steuern. Wir gehen nicht nur gegen die kalte Progression an und fahren den Solidaritätszuschlag zurück, am Ende des Tages ist sogar das Baukindergeld eine Steuersenkung für die Mitte der Gesellschaft.

(Otto Fricke [FDP]: Das ist eine Subvention!)

Ich kann mir schon vorstellen, dass die FDP Probleme damit hat. Denn es ist natürlich keine Entlastung für die Besserverdienenden, sondern etwas für Familien mit Kindern.

(Widerspruch bei der FDP)

Das ist der Fokus unserer Politik. Wir machen Politik für Familien mit Kindern, und wir sind keine Klientelpartei für Besserverdienende.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Otto Fricke [FDP]: Ihr Niveau sinkt mit jeder Minute! Der Millionär kriegt das ja sogar!)

Sechste Anmerkung: zu wenig Investitionen. Ja, es ist immer wichtig, auf Investitionen zu achten. Der Kollege Binding hat es erklärt: Das Geld muss auch abfließen können. Momentan ist das Problem wohl weniger, dass zu wenig Geld da ist, sondern das Problem ist einfach, dass das Geld nicht verbaut werden kann. Investitionen sind wichtig. Gerade in der Krise wird sich zeigen, wie wichtig Investitionen genommen werden.

Ich habe mich ein bisschen über den Kollegen Kindler von den Grünen gewundert, der sagte: Sozialausgaben und Investitionsquote müssen hoch sein. Das ist richtig. Aber ich will doch die Sozialausgaben nicht verteufeln; das geht doch gar nicht.

Siebte Anmerkung. Meine Damen und Herren, dieser Staat ist nicht nur dafür verantwortlich, eine gute Infrastruktur zu liefern, sondern auch dafür, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft erhalten bleibt. Dafür müssen wir gerade in der jetzigen Situation Geld in die Hand nehmen. Was nützen uns gute Straßen, was nützt uns eine gute digitale Infrastruktur, wenn diese Gesellschaft auseinanderbricht?

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wenn wir über Zusammenhalt reden – das führt mich zu meiner achten Anmerkung –, dann müssen wir auch über den Zusammenhalt der Generationen reden. Auch das ist in diesem Haushalt angelegt. Wir werden ja dafür verspottet – angeblich ist es ein Fetisch –, dass wir die schwarze Null halten. Nein, das ist eine Frage der Generationengerechtigkeit. Es ist eine Frage, was wir denjenigen zumuten, die hier in 20 oder 30 Jahren sitzen. Haben sie dann überhaupt noch Spielräume, oder haben sie keine, weil wir das Geld herausgejuxt haben? Darum geht es bei der schwarzen Null. Wir sind dafür, dass die Generationengerechtigkeit eine große Rolle spielt. Das ist wie im Haushalt von Wolfgang Schäuble auch im Haushalt von Olaf Scholz angelegt, und das ist gut und richtig; da sind sich CDU, CSU und SPD sehr, sehr einig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Florian Toncar [FDP]: Das merken wir! – Otto Fricke [FDP]: Nicht nur da!)

Neunte Anmerkung. Wenn wir das mit der Generationengerechtigkeit ernst nehmen, dann müssen wir natürlich schon schauen, was wir den nächsten Generationen in den Rucksack packen. Dazu gehören einige Ziegelsteine. Natürlich ist ein großer Ziegelstein die Mehrbelastung, die wir durch die Europäische Union haben werden. Der Brexit wird für uns nicht kostenlos sein.

Wir sind uns doch alle einig – zumindest fast alle –, dass die Europäische Union Aufgaben übernehmen muss, die wir als Deutsche nicht alleine übernehmen können: Das ist die äußere Sicherheit; das ist eine gemeinsame Verteidigungspolitik; das ist eine gemeinsame Außenhandelspolitik; das ist aber auch eine gemeinsame Grenzsicherung. Wir werden die Grenzen der Europäischen Union nicht alleine sichern können. Deswegen müssen wir dafür mehr Geld in die Hand nehmen. Das ist investiertes Geld, und zwar gut investiertes Geld. Dementsprechend werden wir keinen Blankoscheck dafür ausstellen, dass in der Europäischen Union zu viel Geld ausgegeben wird. Aber uns ist klar – da sind wir sehr realistisch und auch sehr, sehr ehrlich –, dass die Europäische Union zu unserem Nutzen mehr Geld kosten wird, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Zehnte Anmerkung. Meine Damen und Herren, man kann natürlich sagen: Wir brauchen mehr Mittel; deswegen müssen wir eine Vermögensteuer einführen. – Die SPD hat gerade wieder in einer Rede die Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz aus der Mottenkisten herausgeholt. Man kann über eine höhere Erbschaftsteuer und viele andere Dinge reden. Aber ich denke, wir haben noch eine andere Quelle, mit der wir uns haushalterische Mittel erarbeiten können: Das ist der Punkt Aufgabenkritik.

Wir müssen doch einfach einmal hinterfragen, welches Geld in den verschiedenen Einzelplänen ausgegeben wird, ob dieses Geld sinnvoll ausgegeben wird, ob es effektiv und effizient ausgegeben wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

– Ich nehme mit Freude wahr, dass die FDP jetzt mitklatscht. – Das ist die eigentliche Oppositionsaufgabe und im Übrigen auch eine Aufgabe von uns, den Unions- und den sozialdemokratischen Haushältern. Genau da müssen wir in den Haushaltsberatungen den Finger in die Wunde legen und gucken, wo das Geld gut ausgegeben wird und wo es schlecht ausgegeben wird. Das ist doch wesentlich besser und wesentlich interessanter, als hier populistische Thesen abzusondern. Aber es ist natürlich nicht so ganz einfach, weil es Kärrnerarbeit ist. Da muss man in die Einzelpläne hinein; da muss man in die einzelnen Positionen hinein. Da muss man auch einmal unangenehme Wahrheiten aussprechen.

(Otto Fricke [FDP]: So wie der Minister!)

Ehrlich gesagt, das ist eine Geschichte, mit der wir uns in den nächsten Wochen beschäftigen sollten. Ich glaube, in diesem Haushalt ist noch Luft. Wir können unser Geld besser ausgeben. Wir können dafür sorgen, dass wir für 1 Euro mehr Autobahnen kriegen. Wir können dafür sorgen, dass wir für 1 Euro eine bessere Betreuung von Langzeitarbeitslosen kriegen. Wir können dafür sorgen, dass wir für 1 Euro eine bessere Bildung kriegen, als es in der Vergangenheit der Fall war. Da sehe ich auch das Bundesfinanzministerium in der Pflicht, diesen Prozess von vorne zu führen, lieber Herr Minister Scholz. Wir sollten uns anschauen, wie wir mit den bestehenden Mitteln besser arbeiten können. Das ist besser, als danach zu fragen, wie wir mehr Mittel generieren können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)