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Peter Altmaier: Wir sind eine wehrhafte soziale Marktwirtschaft

Rede zurÄnderung des Außenwirtschaftsgesetzes

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich bei den Fraktionen für die Paralleleinbringung und dafür, dass es möglich ist, heute diesen Gesetzentwurf zu beraten – trotz der aktuellen Umstände –, weil es ein Gesetzentwurf ist, der eine erhebliche grundsatzpolitische Bedeutung hat. Aber es zeigt sich eben auch, dass vieles, was seit Wochen und Monaten vorbereitet wurde, in der Herausforderung der Pandemie eine ganz besondere Bedeutung hat.

Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage: Wie gehen wir mit ausländischen Investitionen in Deutschland, mit der Beteiligung an deutschen Unternehmen, mit der Übernahme deutscher Unternehmen um? Das ist eine Frage, die in vielen Ländern dieser Welt gestellt und zum Teil sehr unterschiedlich beantwortet wird.

Deutschland hat seit Jahrzehnten mit das freiheitlichste und das liberalste Übernahmerecht auf der ganzen Welt. Darauf sind wir im Übrigen stolz, weil es bedeutet, dass diejenigen, die erfolgreiche Unternehmen gründen, die Möglichkeit haben, sie weiterzuveräußern, damit ein Geschäftsmodell zu etablieren, damit Geld zu verdienen – das ist Ausdruck unternehmerischer Freiheit in der Marktwirtschaft –, und weil das hohe Interesse ausländischer Investoren an Investitionen in Deutschland belegt, wie groß das Vertrauen in unser Land nach wie vor ist. Wir haben in der Tat im letzten Jahr bei mehreren Hundert Übernahmeanträgen, die gestellt und geprüft worden sind, weniger als 1 Prozent moniert oder verhindert.

Trotzdem: Der Umstand, dass wir liberal und marktwirtschaftlich sind, bedeutet nicht, dass wir blauäugig sein dürfen, wenn es sich um Risiken und Gefahren für unsere vitalen nationalen wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sonstigen Interessen handelt. Wir möchten eben nicht, dass kritische Infrastrukturen in Deutschland – Stromleitungen, Wasserleitungen, Straßen und vieles andere – von Unternehmen übernommen werden, bei denen wir nicht hundertprozentig sicher sind, was sie damit vorhaben und was sie damit machen werden. Wir wollen nicht, dass Unternehmen, die lebenswichtige Güter in Deutschland produzieren, Güter mit einem hohen Innovationsanteil, die für die Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit unserer Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung sind, gekauft werden und die Technologie dann womöglich anderswohin transferiert wird. Und wir wollen insbesondere nicht, dass wir in der aktuellen Krise, wenn es um die Entwicklung von Impfstoffen geht, wenn es um die Produktion von Testkits geht, wenn es um die Herstellung von Schutzkleidung geht, nicht mehr imstande sind, unserer nationalen Verantwortung gerecht zu werden.

Deshalb brauchen wir Antworten auf all diese Fragen. Diese Antworten müssen wir mit einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein geben, weil es eine Schwarz-oder-Weiß-Lösung nicht gibt.

Wir wollen auch in Zukunft ein liberales Investitionsschutzrecht haben, aber wir novellieren unser Außenwirtschaftsgesetz in Übereinstimmung mit dem, was die Europäische Union unter dem Stichwort „Investment Screening“ bereits vor einigen Monaten ebenfalls beschlossen hat. Wir sind uns einig mit unseren Partnern in Europa, dass wir wissen müssen, was vor sich geht, dass wir die Möglichkeit haben müssen, Übernahmen, die mit unseren eigenen Interessen, europäischen und nationalen Interessen, nicht vereinbar sind, zu verhindern. Wir müssen die Möglichkeit haben, solange die Prüfung andauert, zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Mit dem jetzigen Gesetz ermöglichen wir eine vorausschauende Prüfung; denn es geht nicht nur um aktuelle Gefährdungen der nationalen Sicherheit, sondern auch um voraussehbare Gefährdungen der nationalen Sicherheit. Es dürfen, während ein solches Verfahren läuft, keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, und es dürfen auch keine sensiblen Informationen an den Übernahmebewerber weitergegeben werden. Zuwiderhandlungen sollen als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat geahndet werden.

Das, meine Damen und Herren, zeigt: Wir sind nicht nur eine wehrhafte Demokratie, sondern wir sind auch eine wehrhafte soziale Marktwirtschaft. Insofern möchte ich Sie bitten, dass Sie mit dazu beitragen, dass wir unsere Wirtschaft auch und gerade in dieser Krise ermuntern, nicht nur weiterhin zu arbeiten und zu investieren, sondern sich auch weiterhin zu entwickeln und auf den Weltmärkten konkurrenzfähig zu bleiben. Wir müssen der Wirtschaft auch sagen: Wir schützen euch davor, dass ihr Opfer von Übernahmeversuchen werdet, nur weil die Aktienkurse im Moment etwas niedriger sind als sonst. Wir schützen euch, wenn ihr besondere hochtechnologische Skills und besonderes Know-how habt, das von anderen begehrt wird, die gar nicht daran interessiert sind, in diesen Standort zu investieren, sondern nur diese Informationen erlangen möchten.

Trotzdem bleiben wir einer freien, globalen Marktwirtschaft verbunden. Trotzdem wollen wir, dass auch in Zukunft alle ausländischen Investoren, die nach Deutschland kommen, um hier ein Teil unseres Erfolgsmodells zu werden, sicher sein können: Sie sind erwünscht, sie dürfen sich hier betätigen. Umgekehrt unterstützen wir auch unsere Unternehmen, die im Ausland investieren. Die Globalisierung ist in der Zeit der Coronaepidemie und ‑pandemie einem Stresstest ohnegleichen ausgesetzt. Wir werden auch in Lektionen lernen müssen. Wir werden Supply Chains, Versorgungs- und Logistikketten, diversifizieren müssen, damit wir nicht nur von einem einzigen Standort abhängig sind. Wir werden überlegen müssen, welche Dinge wir national auch in Zukunft vorhalten müssen, damit wir schneller reagieren können. Aber es wird kein Zurück hinter die Globalisierung der letzten 20 oder 30 Jahre geben, weil sie Teil unseres offenen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells geworden ist und weil sie dazu beigetragen hat, dass wir den Menschen ermöglicht haben, mit ihrer Arbeit möglichst viel an Wohlstand zu erwerben.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)