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Peter Altmaier: Wir dürfen die Krise jetzt nicht herbeireden

Rede zum Haushaltsgesetz 2020 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Epl. 09)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in den letzten Wochen und Monaten nicht nur gute Nachrichten zur konjunkturellen Entwicklung bekommen. Aber es liegt mir sehr daran, noch einmal zu unterstreichen: Was wir an rückläufigem Wachstum, an enttäuschenden Zahlen erlebt haben, das ist zum überwiegenden Teil außenwirtschaftlich bedingt. Das hängt damit zusammen, dass weltweit in vielen Bereichen Handelskonflikte die Wirtschaftsbeziehungen belasten. Was die deutsche Wirtschaft angeht, insbesondere den Mittelstand, die vielen Hidden Champions, die Handwerksunternehmen und viele andere, im Baugewerbe, aber auch in weiteren Bereichen: Dort ist die Wirtschaftsleistung nach wie vor gut, findet nach wie vor Wachstum statt. Deshalb sage ich: Ich bin stolz auf diese Leistung, die jetzt zehn Jahre in Folge von den mittelständischen Unternehmen in Deutschland erbracht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir nicht wollen, dass aus der Wachstumsschwäche, aus der Wachstumspause, die wir im zweiten Quartal erlebt haben, eine Delle in der wirtschaftlichen Entwicklung wird, wenn wir wollen, dass der Aufschwung sich auch im zehnten und elften Jahr fortsetzt, dann dürfen wir die Krise jetzt nicht herbeireden,

(Zuruf von der AfD)

und dann müssen wir der Wirtschaft jetzt Signale geben, die das Vertrauen stärken, die Investitionskräfte freisetzen und dafür sorgen, dass sich unternehmerisch denkende Menschen ermutigt fühlen.

 

Wir haben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 40 Jahren mehrfach solche Momente gehabt. Otto Graf Lambsdorff hat die Bedeutung von Wirtschaft und Wachstum 1982 mit seinem Thesenpapier in den öffentlichen Diskurs gerückt. Auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte den Mut, mit der Agenda 2010 auch vielen in den eigenen Reihen unbequeme Wahrheiten zu sagen. Ich meine, es ist auch jetzt wieder an der Zeit, dass wir uns darüber verständigen, was geschehen muss, damit die Anzahl der Arbeitsplätze dauerhaft hoch bleibt, damit in die Zukunft investiert wird und damit die Wirtschaft nachhaltig wächst.

(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich habe mit einigen von Ihnen hier, von der Opposition vor allen Dingen, im letzten Jahr diskutiert, wann endlich die Mittelstandsstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums kommt, die ich 2018 in der Tat angekündigt hatte. Wir haben die Eckpunkte dieser Strategie im August vor meiner Mittelstandsreise präsentiert. Ich kann sagen: Ich habe aus allen Teilen des Landes, von allen Verbänden, von allen Betroffenen dafür ein hohes Maß an Unterstützung bekommen. Die Menschen fühlen sich ermutigt, weil deutlich wird, dass wir ihnen nicht immer mehr wegnehmen, sondern dass wir ihnen auch etwas zurückgeben wollen, weil wir die Themen ansprechen, die die Menschen umtreiben. Deshalb: Geben Sie sich heute einen Ruck und sagen Sie auch einmal etwas Positives über die Politik dieser Bundesregierung! Die Wählerinnen und Wähler werden es Ihnen danken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben ja in den letzten Monaten einiges auf den Weg gebracht. Wir haben bei der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung einen neuen Weg beschritten. Ich hätte mir gewünscht, dass wir noch ein bisschen mutiger herangegangen wären. Die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung ist ein Instrument, das vor allem mittelständischen Unternehmen zugutekommt. Wir werden sie so ausgestalten, dass von der Auftragsforschung gerade die Mittelständler, die keine eigenen FuE-Abteilungen haben, profitieren.

Wir sind dabei, beim Soli einen ersten Schritt zur Entlastung von vielen, vielen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland in der Größenordnung von über 10 Milliarden Euro zu machen. Aber ich sage auch – auch wenn es im Bundeskabinett, in der Bundesregierung im ersten Anlauf noch nicht möglich war, dazu einen Konsens zu erzielen –: Aus Sicht des Bundeswirtschaftsministers brauchen wir Klarheit, wann der Soli für alle und endgültig ausläuft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Karsten Klein [FDP])

Dass wir uns dabei an den Realitäten orientieren, dass wir eine solide Haushaltsführung nicht gefährden, das versteht sich von selbst. Aber ich würde mir wünschen, dass wir im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal darüber nachdenken, was notwendig ist, um diese Planungssicherheit zu erzielen.

Wir haben mit dem Bundesfinanzminister in den letzten Monaten darüber gesprochen, dass es notwendig ist, die Personengesellschaften zu entlasten, dass es notwendig ist, für den Fall, dass Geld im Unternehmen investiert wird und dort bleibt, bessere und günstigere Regelungen im steuerlichen Bereich zu schaffen. Der Bundesfinanzminister hat sich dazu öffentlich geäußert, deshalb kann ich das hier sagen. Ich würde mir jedoch wünschen, dass wir schnell und zügig zu einem Konzept kommen, das in der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann, weil auch davon für viele Unternehmerinnen und Unternehmer ein Anreiz ausgehen würde, Gewinne im Unternehmen zu belassen und nicht für konsumtive Zwecke zu verwenden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich wünsche mir, dass wir darüber hinaus einen Einstieg finden in eine umfassende Körperschaft- und Unternehmensteuerreform. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben erlebt, dass die USA von den weltweiten Abschwungtendenzen in der Wirtschaft bislang weniger erfasst werden als andere Länder. Alle Experten sagen uns: Es hat auch etwas damit zu tun, dass man dort den Mut zu dieser Unternehmensteuerreform hatte. Wir haben erlebt, dass auch in Großbritannien und in Frankreich Debatten über die Höhe der Unternehmensteuern geführt werden, was am Ende dazu führen könnte, dass Deutschland im internationalen Vergleich zurückfällt. Das ist keine ideologische Debatte. Es ist für eine Volkswirtschaft, die 51 Prozent ihrer Industrieproduktion in andere Länder exportiert, von entscheidender Bedeutung, dass es attraktiv bleibt, in den Standort Deutschland zu investieren und hier zu produzieren. Ansonsten dürfen Sie sich nicht beklagen, wenn Unternehmen mehr darüber nachdenken, wie sie neue Arbeitsplätze im Ausland schaffen können, statt hier bei uns – dort, wo sie dringend gebraucht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Reinhard Houben [FDP])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben vor wenigen Wochen im Bundeskabinett das Strukturstärkungsgesetz beschlossen und in den Bundestag eingebracht. Wir halten Wort, wir halten Wort gegenüber den vielen, vielen Tausend Beschäftigten im Bereich der Braun- und Steinkohle sowie in der Elektrizitätswirtschaft. Wir sorgen dafür, dass neue Arbeitsplätze entstehen und dass eine bessere Infrastruktur gebaut wird, und zwar lange bevor die alten Kraftwerke dann irgendwann durch moderne, umweltverträglichere Energieproduzenten ersetzt werden.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Irgendwann“?)

Meine Damen und Herren, das ist für die Glaubwürdigkeit der Politik von hoher Bedeutung. Wenn wir erreichen wollen, dass die populistischen Stimmenfänger von rechts und von links keine Chance haben, dann müssen wir deutlich machen, dass wir auch die Gelder zur Verfügung stellen, die dafür notwendig sind, damit die Regionen, die vom Strukturwandel am meisten betroffen sind, nicht am Ende die Verlierer sind. Wir hatten früher in den 70er- und 80er-Jahren beim Strukturwandel in der Kohle- und Stahlindustrie keine aktiven Begleitmaßnahmen des Bundes beschlossen. Wir haben jetzt zum ersten Mal, noch bevor der Strukturwandel stattfindet, dafür gesorgt, dass Neues entstehen kann. Wir wollen eben nicht nur Straßen bauen, wir wollen nicht nur neue Gewerbegebiete erschließen – das ist alles sehr wichtig –, sondern wir wollen vor allen Dingen auch erreichen, dass investiert wird. Deshalb gibt es einen Vorschlag, über den wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal diskutieren werden, nämlich den der Einführung einer AfA, um Investitionen gezielt anzureizen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in wenigen Tagen wird das Klimakabinett der Bundesregierung zusammentreten, und wir werden dort darüber entscheiden, wie wir langfristig erreichen wollen, dass unsere Klimaziele für 2030 und danach eingehalten werden. Wir fühlen uns dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das „Aber“ ist das Problem, Herr Altmaier!)

es ist auch von entscheidender Bedeutung, dass wir so weit als möglich marktwirtschaftliche Mittel beschließen, weil der Markt die Ziele schneller und billiger erreicht als jede staatliche dirigistische Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist überhaupt kein Gegensatz!)

Deshalb werde ich mich dafür einsetzen, dass wir nicht mit Verboten operieren, sondern mit marktwirtschaftlichen Instrumenten.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:

Sie reden seit zwei Jahren darüber! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie müssen mal handeln!)

Ich habe gestern einen Vorschlag vorgelegt, der dazu führen kann, dass Millionen Bürgerinnen und Bürger einen Anreiz haben, mit dazu beizutragen, dass die notwendigen Investitionen getätigt werden.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geldverschwendung ist das, was  Sie da vorschlagen!)

Die Idee der Gründung einer Bürgerstiftung Klimaschutz ist auch schon von Sozialdemokraten, zum Beispiel Matthias Miersch, und von Alexander Dobrindt geäußert worden. Eine Bürgerstiftung kann helfen, das Engagement ganz vieler zu erreichen und damit auch Investitionen in Klimaneutralität zu ermöglichen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Geld der Steuerzahler!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der letzte Punkt, der mir wichtig ist: Die Entscheidung über eine CO2-Bepreisung werden wir uns nicht einfach machen. Wir werden auch dies marktwirtschaftlich lösen. Aber der 

entscheidende Punkt ist: Wir müssen die Einnahmen wieder an die Bürgerinnen und Bürger und an die Unternehmen zurückgeben.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal, wie!)

Weil wir in Europa das Land mit den höchsten Strompreisen für private Haushalte und mit den zweithöchsten Strompreisen für die Industrie sind, ist es für mich als Wirtschaftsminister wichtig, diese Chance zu nutzen, um die Netzentgelte und die Strompreise in Deutschland sowie die EEG-Umlage zu senken. Damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass die Klima- und Energiewende gelingt und die Bürgerinnen und Bürger sehen, dass die Politiker in der Bundesregierung und im Parlament ihre Probleme ernst nehmen und entschlossen handeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)