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Mark Hauptmann: "Wir brauchen die Verbindung zwischen klassischer Industrie und Plattformökonomie"

Rede zur Förderung von Unternehmensgründungen

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gründerinnen und Gründer in diesem Land! Es eint uns, dass wir hier in dieser Debatte überlegen, wie wir in Zukunft ein innovationsfreudiges, ein wachstumsorientiertes Land sein können, das auf die Gründerinnen und Gründer setzt, genauso wie das vor über 100 Jahren erfolgreich geschehen ist. Es waren Personen wie Gottlieb Daimler, Werner von Siemens, Carl Benz, die damals, vor über 100 Jahren, als Gründer den Wohlstand von heute generierten. Wir müssen in unserer heutigen Zeit eben auch schauen, dass wir die Start-ups und die Gründerinnen und Gründer unserer Zeit zu großen Unternehmen, zu international agierenden Akteuren von morgen machen.

Von daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es nicht richtig, wenn der Kollege von der AfD davon spricht, dass wir keine Fokussierung alleine auf die Start-up-Szene vornehmen sollten, zulasten des Handwerks oder der Industrie. Nein, wir brauchen beides. Wir brauchen auch Gründungen aus dem Handwerk.

(Enrico Komning [AfD]: Habe ich doch gesagt!)

Das Handwerk erfindet sich gerade neu. Wir brauchen die Verbindung zwischen klassischer Industrie und Plattformökonomie.

(Beifall des Abg. Michael Theurer [FDP])

Das ist das, was wir im 21. Jahrhundert brauchen.

Herr Lutze von den Linken, Sie haben von vagabundierendem Kapital gesprochen. Zurück in die Vergangenheit – das war Ihre Rede. Wahrscheinlich orientieren Sie sich an den Volkswirtschaften Venezuelas, Kubas und Nordkoreas. Danach klang zumindest Ihr Wortbeitrag hier.

(Thomas Lutze [DIE LINKE]: Einfach mal zuhören! Zuhören!)

Ich glaube, Sie haben die Start-up-Szene in Deutschland, insbesondere die Start-up-Szene in Berlin, die große Chancen bietet und sich gerade anschickt, Start-up-Platz Nummer eins in Europa zu werden und damit an London vorbeizuziehen, noch nicht ganz verstanden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kollegin Stark-Watzinger hat am Anfang ein schönes Beispiel gebracht. Sie hat von einer Gründerin gesprochen – es ist immer gut, wenn wir auch weibliche Gründer in diesem Land haben; das sollten wir fördern –, die kein Kapital, kein Geld findet.

(Beatrix von Storch [AfD]: Was hat das mit ihrem Geschlecht zu tun?)

Schönes Beispiel! Leider haben Sie die aktuellen Ansprüche in unserem Land nicht zutreffend beschrieben. Wie sieht aktuell die Lage aus? Ich will Sie mitnehmen auf eine Reise entlang der Wertschöpfungskette vom Anfang, von der Gründung, bis zum Exit:

Wenn Ihre junge Gründerin Kapital braucht, dann bekommt sie heute schon eine Unterstützung seitens des Bundeswirtschaftsministeriums über ein Programm, das sich „EXIST“ nennt. Drei Viertel der EXIST-Gründerstipendien und 80 Prozent der EXIST-Forschungstransferprojekte führen zu einer Unternehmensgründung, und die Unternehmen sind nach drei Jahren auch noch am Markt.

Dann kommt die Stufe zwei. Was ist Stufe zwei? ­Friends, Fools and Family. Das sind diejenigen, die zuallererst in eine Idee investieren.

Dritte Finanzierungsstufe: Wagniskapital durch Business Angels. Auch hier greift das Bundeswirtschaftsministerium helfend unter die Arme,

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wir brauchen Fonds! Business Angels ist zu klein!)

indem es einen Wagniskapitalzuschuss von 20 Prozent gibt. Für Ihren Fall, für Ihre Gründerin, heißt das ganz konkret: Wenn es einen Wagniskapitalgeber gibt, der 100 000 Euro investiert, schenkt ihr das Bundeswirtschaftsministerium 20 000 Euro als Zuschuss.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Die brauchen Millionen!)

Wir kommen zum Bereich Nummer vier. Jetzt braucht die Gründerin Wagniskapital von einem Venturecapital-Fonds. Die Situation, die Sie hier beschrieben haben, bestand vor zehn Jahren, vielleicht auch noch vor fünf Jahren, aber besteht nicht mehr im Jahr 2019. Wir sind in der Seed-Finanzierung und der Finanzierung der Series A und der Series B, also der ersten und zweiten Stufe, finanziell gut ausgestattet. Und die Erfolgsgeschichte des Bundeswirtschaftsministeriums geht weiter; denn an jedem Venturecapital-Fonds, der hier in Berlin seine Erfolge feiert, ist der Staat mit 40 Prozent beteiligt,

(Beifall der Abg. Astrid Grotelüschen [CDU/CSU])

zu 20 Prozent über die KfW und zu 20 Prozent über den European Investment Fund. Die sichern als starke Partner des Staates in privaten Venturecapital-Unternehmungen den benötigten Kapitaltransfer. Sie sehen also: Der Staat ist immer wieder einer der ganz wichtigen Partner.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wir wollen ja privates Kapital! Nicht staatliches!)

Jetzt komme ich zum entscheidenden Punkt Nummer fünf. Das ist die dritte Stufe des Wagniskapitals. Das sind Modelle zur Finanzierung von 10 Millionen Euro aufwärts. Ich nehme mal an, Ihre Gründerin braucht bei ihrer Gründung nicht gleich am ersten Tag 10 Millionen.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Habe ich nicht gesagt! Wachstumsphase!)

In dieser Wachstumsphase – 10 Millionen aufwärts – haben wir – das stimmt – noch ein Defizit beim Kapital.

(Michael Theurer [FDP]: Sagen wir doch! – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Das ist unser Thema heute!)

Jetzt geht es darum: Wie akquirieren wir dieses Kapital, um dieses Defizit auszugleichen? Hierzu gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier. Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie wir auf die Family Offices in Deutschland, auf die Pensionskassen in Deutschland, auf internationale Kapitalgeber zugehen können, um sie zu animieren, nicht etwa in KMUs zu investieren, die das Know-how abziehen und das Geschäft nach China verlagern, sondern wir wollen sie animieren, in die Venturecapital-Szene insgesamt zu investieren; denn damit findet ein Risikosplitting statt, und wir können über eine Hebelfunktion, über unsere staatliche Komponente, viel mehr Firmen helfen, als das bisher bekannt ist.

Sie alle wissen, dass wir das dänische Dachfondsmodell in den Koalitionsvertrag geschrieben haben.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Dann können Sie ja zustimmen!)

Das eint diese Koalition. Wir wollen das dänische Modell voranbringen. Was ist das dänische Modell? Das dänische Modell besagt: Wir nehmen größere Tickets vor allem von den Pensionskassen, von Allianz oder Münchener Rück, die durchaus 50 Millionen als Einzelticket zur Verfügung stellen können, aber nicht der alleinige starke Investor sein wollen. Mit diesen Tickets verbinden wir eine Risikoabsicherung, und wir verknüpfen Venture­capital und Private Equity. Die Dänen machen das im Verhältnis 80 : 20. Man kann hier über das Verhältnis 70 : 30 und auch über die Absicherung des Staates durch Ausfallbürgschaften und Garantien sprechen.

Hier sind wir mittendrin statt nur dabei. Wir wollen nicht nur das Land der Dichter und Denker, sondern vor allem auch der Tüftler und Macher sein,

(Michael Theurer [FDP]: Stimmen Sie deshalb unseren Anträgen zu!)

und wir wollen diejenigen animieren, die hier vorangehen und uns und unserer Gesellschaft mit guten Ideen weiterhelfen.

Hier gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten: über den Ausbau der Beteiligungsfinanzierung der KfW – Beschluss von 2017 –,

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wir haben 2019!)

über die Tech-Growth-Fund-Initiative der Bundesregierung und über den Venture-Debt-Markt, wofür die KfW bis 2022 noch 250 Millionen Euro mit einer 95‑prozentigen Absicherung bereitstellt. Daneben werden durch die KfW Capital über das ERP-Sondervermögen noch einmal 200 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt. Außerdem helfen wir vielen Gründerinnen und Gründern auch über Coparion und eine Fülle von anderen Maßnahmen.

Wir haben erkannt, dass es nicht mehr an der Erstfinanzierung mangelt, sondern an der Wachstumsfinanzierung. Diese Erkenntnis ist nicht nur vorhanden, sondern die Lösung ist auch auf einem guten Weg.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Mark Hauptmann (CDU/CSU):

Von daher: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)