Skip to main content

Mark Hauptmann: "Es hat sich in den letzten Jahren Unglaubliches getan"

Rede zur Gründungspolitik in Ostdeutschland

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegen! Verehrte Zuhörer dieser Debatte! Es eint uns viel in dieser Debatte. Es eint uns, dass wir uns im 30. Jahr der Friedlichen Revolution Gedanken darüber machen, wie die neuen Bundesländer auch in Zukunft, in den nächsten Jahren weiter wachsen, wie der Angleichungsprozess zwischen Ost und West weiter erfolgreich gelingen kann. Uns eint vor allem, dass wir auch ohne Denkverbote verschiedene Instrumentarien der Förderung diskutieren und in den parlamentarischen Prozess einbringen.

Lieber Thomas Kemmerich, du hast viele Punkte angesprochen, die sich im Koalitionsvertrag wiederfinden oder von unserer Fraktion, der Union, bereits beschlossen sind. Aber wir müssen schon auch schauen, wie wir hier eine ehrliche Debatte führen, die dahin geht, ein reales Bild zu zeichnen: Wo steht der Osten? Der Jammerton darf nicht zum Kammerton werden, wenn wir über die neuen Bundesländer sprechen. Es hat sich in den letzten Jahren Unglaubliches ereignet – und vieles in die positive Richtung. Das heißt: Wenn wir über die Treuhand reden, dann führen wir eine in die Vergangenheit gerichtete Debatte, die uns erstens wenig hilft und die zweitens der Realität, nämlich der Entwicklung der neuen Länder, überhaupt nicht gerecht wird. Der Kollege von der AfD hat gesagt, wie es in Mecklenburg-Vorpommern aussieht; Brandenburg wurde genannt, verschiedene andere Bundesländer auch.

Ich möchte Ihnen kurz mal einige Punkte aus meinem Südthüringer Wahlkreis nennen, und Sie werden feststellen: Wir haben ganz andere Sorgen als das, was von anderen Kollegen angesprochen wurde. In meinem ostdeutschen Wahlkreis liegt die Arbeitslosigkeit aktuell noch bei 3,5 Prozent. Im Landkreis Sonneberg gibt es heute schon mehr Einpendler aus Bayern als Thüringer, die nach Bayern pendeln, mehr offene Stellen als Arbeitslose, und unser größtes Problem ist Fachkräftemangel,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Toleranz! Toleranz!)

nicht etwa fehlende Infrastruktur.

Wenn wir in den Osten schauen, muss man sagen: Die Infrastruktur ist doch exzellent. Wir haben hervorragende Autobahnen, wir haben hervorragende Universitäten. Die Universität Greifswald und viele andere Hochschulen – in Jena, in Leipzig, in Potsdam – bieten exzellente Forschungsmöglichkeiten, bieten exzellente Chancen für die jungen Menschen, zu studieren. Sie können auch eine Ausbildung in den Betrieben, in der Fläche bekommen. Das heißt, wir sehen doch: Es hat sich in den letzten Jahren Unglaubliches getan.

Lieber Thomas Kemmerich, du hast gesagt: Wir müssen die Aufstiegsversprechen auch einhalten. – Die blühenden Landschaften sind angesprochen worden. Wir sind doch gerade dabei, genau dieses Aufstiegsversprechen mit Wirklichkeit zu füllen. Wenn wir uns das anschauen, dann sehen wir, dass die Herausforderungen heute nicht nur im Osten, sondern in ganz Deutschland Automatisierung, Digitalisierung, Internationalisierung sind.

Automatisierung aufgrund von fehlenden Menschen durch den demografischen Wandel: Wenn wir genau wissen, dass die Babyboomer in den nächsten Jahren in Ruhestand gehen und zu wenig von unten nachkommen, werden Automatisierungsprozesse den Unternehmen dabei helfen, effizienter zu wachsen und weiterhin einen Wachstumsprozess zu realisieren.

Die Digitalisierung stellt uns doch nicht nur im Osten, sondern in ganz Deutschland vor die Herausforderung: Wie verbinden wir Wertschöpfungsketten? Wie knüpfen wir auch die Unternehmen untereinander in ein digitales Umfeld ein? Wie gestalten wir die Industrie 4.0, die Anknüpfung der klassischen Industrie an die Plattformökonomie? Das sind die Herausforderungen auch im Osten.

Ich komme zum dritten Punkt, der Internationalisierung. Erst jüngst, vor zwei Monaten, hat ein internationaler Investor, Edgewell – er ist bekannt für die Wilkinson-Rasierer –, in Thüringen ein Unternehmen für 1,23 Milliarden Euro gekauft. Dieses Unternehmen baut seit 1920 Rasierklingen und ist viele Jahre in einem schwierigen Umfeld in der DDR erfolgreich gewesen, aber erst jetzt durch einen Internationalisierungsprozess, durch die Verknüpfung von einer Start-up-Kultur mit klassischer Industrie auf ein neues Level gekommen und greift aktuell Gillette im amerikanischen Markt des Direktvertriebs online an.

(Beifall des Abg. Dr. Carsten Linnemann [CDU/CSU])

Das sind die Erfolgsgeschichten, die wir im Osten haben. Aber wir müssen auch darüber berichten. Wir müssen auch aufzeigen, welche Schätze wir hier haben und dass es sich lohnt, über eine Entwicklung der Automatisierung, Digitalisierung und Internationalisierung solches Potenzial zu heben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas L. Kemmerich [FDP]: Wir brauchen mehr!)

Insofern glaube ich, dass wir diesen Standort nicht schlechtreden sollten, sondern dass wir viele Maßnahmen weiterentwickeln müssen. Wir haben das EXIST-Programm an Hochschulen. Wenn wir uns das anschauen, dann sehen wir, dass drei Viertel der geförderten Projekte und 80 Prozent der Forschungstransferprojekte nach drei Jahren noch am Markt sind und weiter wachsen. Das EXIST-Programm ist eine Erfolgsgeschichte, die wir haben. Wir sehen, dass wir mit ZIM junge, kleine Unternehmen fördern, die sich keine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung leisten können. 40 Prozent der ZIM-Fördermittel gehen in die neuen Länder, auch hier eine Erfolgsgeschichte. Es ist diese Koalition, die die Mittel für ZIM Jahr für Jahr aufgestockt hat, weil uns der Osten wichtig ist bei dieser Fördermaßnahme.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])

Wir werden dies auch weiter tun, weil wir sagen: Gerade das ist ein bürokratieschlankes Programm, mit dem wir dem Mittelstand helfen können.

(Beifall des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])

Wenn wir die Lebensrealität des Ostens anerkennen, dann sehen wir doch: Wir haben nicht die Supertanker, aber wir haben viele Schnellboote. Wir haben nicht die DAX-Konzerne, aber wir haben eine starke, KMU-geprägte mittelständische Wirtschaft. Und es sich lohnt eben, diese Wirtschaft ganz besonders durch Instrumente des Staates und aus dem Bundeswirtschaftsministerium zu unterstützen. Das geschieht durch ZIM, das geschieht durch INNO-KOM – INNO-KOM dabei nicht mehr nur auf den Osten bezogen, sondern gesamtdeutsch auf strukturschwache Regionen. Das geschieht auch durch eine ganze Reihe von Initiativen: ob es um die künstliche Intelligenz geht, ob es um die Digitalisierung geht, ob es darum geht, dass wir die industrielle Gemeinschaftsforschung auch in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut haben.

Deswegen, liebe Kollegen, lassen Sie uns diesen Ansatz weiter verfolgen. Lassen Sie uns nicht, wie der Kollege von der AfD vorgeschlagen hat, die Förderkulisse für die Städte einstellen. Nein, wir brauchen diese Leuchtturmförderung. Gerade durch diese Förderung sind Leuchttürme überhaupt erst entstanden; beispielsweise denke ich an die Optik in Jena, die mittlerweile Weltniveau erreicht hat. Deswegen brauchen wir eine solche Förderkulisse.

Lassen Sie uns die Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, weiterentwickeln: über Wagniskapitalzuschuss, über Venturecapital, indem wir internationale Investoren hereinholen, indem wir die deutschen Family Offices und vor allem die deutschen Pensionskassen dazu auffordern.

(Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

All das passiert im Dialog mit dem Bundeswirtschaftsministerium.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Mark Hauptmann (CDU/CSU):

Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Deswegen: Aus der Gesamtbetrachtung dieser Debatte lohnt es sich, den Weg, den wir eingeschlagen haben, weiter fortzusetzen. Da nehmen wir die Anregungen der FDP gerne auf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)