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Kai Whittaker: "In vielen anderen Bereichen aber sind wir auf einem sehr guten Weg"

Rede zur deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

Frau Präsidentin! Werte Kollegen!

Der Mensch will immer, daß alles anders wird, und gleichzeitig will er, daß alles beim Alten bleibt.

Dieser Satz von Paulo Coelho beschreibt den Zielkonflikt der Nachhaltigkeit ziemlich genau. Auf der einen Seite wissen wir, dass wir anders produzieren müssen und dass wir unseren Lebensstil verändern müssen, wenn wir saubere, bezahlbare und erneuerbare Energie wollen. Auf der anderen Seite merken wir aber auch, wie schwer es ist, auf Wohlstand, zumindest aber auf die Annehmlichkeiten des Alltags zu verzichten. Eigentlich sollte doch alles so bleiben, wie es ist, aber irgendwie auch anders werden.

„Nachhaltigkeit“ ist ein Begriff, der manchmal hip und modern ist, manchmal auch etwas sperrig, der aber auch kontrovers und widersprüchlich sein kann. Das wird klar, wenn man zum Beispiel die Diskussion um die E-Autos betrachtet. Ja, wir wollen weg von der klassischen CO 2 -Verbrennungsmaschine. Wenn wir uns aber anschauen, wie zum Beispiel Batterien für E-Autos hergestellt werden, stellen wir fest, dass man nicht sagen kann, dass das heute ein ökologisch sauberer Standard ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das zeigt den Widerspruch in dieser Debatte. Trotzdem ist es ein großes politisches Versprechen – und wir wollen es einhalten –, Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenzubringen. Anders ausgedrückt: Es stellt sich die Frage, wie wir eine Gesellschaft schaffen können, in der es fair zugeht und die lebenswert und auch lebensfähig ist. Um diese drei Ziele muss es uns gehen.

Die elf Experten, die sogenannten Peers, haben sich Deutschland daraufhin angeschaut und ihr Urteil in eine Frage gefasst. Sie lautet: Wenn es Deutschland nicht schafft, wer dann? Man ist gerade als Christdemokrat geneigt, zu sagen: Wir in Deutschland schaffen das, diese drei Ziele zusammenzubringen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zugegeben: Bei einigen Zielen habe ich mir wenig Sorgen gemacht, ob wir sie erreichen, zum Beispiel, was den Zugang zu sauberem Wasser und zu Wassertoiletten angeht. Das war sicherlich nicht die große Herausforderung für unser Land. Aber natürlich gibt es auch Bereiche, in denen wir noch besser werden müssen. Das gilt etwa beim Thema „CO 2 “ und beim Thema „erneuerbare Energien“, auch wenn wir da mit knapp 40 Prozent einen neuen Rekordstand erreicht haben. Die Frau Staatssekretärin hat das gerade ausgeführt.

In vielen anderen Bereichen aber sind wir auf einem sehr guten Weg. Ich nenne als Beispiel das zehnte Ziel der UN, „weniger Ungleichheit“. Deutschland belegt Platz eins beim durchschnittlich verfügbaren Einkommen. Auch beim elften Ziel, „nachhaltige Kommunen“, stellen wir fest: Wir belegen Platz eins bei der Recyclingquote; 63,8 Prozent des kommunalen Mülls werden recycelt.

Stichwort „Umwelttechnologie“. Dazu hat das BMU vor kurzem eine Studie herausgegeben, die zeigt, dass der Weltmarktanteil Deutschlands an der Umwelttechnologie bei 14 Prozent liegt, obwohl der Marktanteil der Bundesrepublik Deutschland insgesamt nur bei knapp unter 5 Prozent liegt. 1,5 Millionen Menschen stehen jeden Morgen auf, um für diese Umwelttechnologie, für einen sauberen Planeten, für eine bessere Zukunft zu arbeiten. Wir verdienen in Deutschland inzwischen jeden fünften Euro mit dieser Technologie. Das zeigt – das ist insbesondere an Sie gerichtet, Herr Dr. Kraft –, dass es hier nicht um eine Utopie geht, sondern um ganz reale Punkte, die unsere Menschen umtreiben und die sie nicht belasten, sondern von denen sie profitieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Peers haben uns einige Ratschläge auf den Weg gegeben. Einer davon ist – das freut vielleicht den einen oder anderen in unserem Ausschuss –, der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung bräuchte mehr Kompetenz. Er müsste eventuell zu einem Super-Ausschuss werden, in dem wir jedes Gesetz daraufhin prüfen, ob es den Nachhaltigkeitszielen der UN entspricht. Wir wären dann so etwas wie ein Super-Veto-Ausschuss.

Ich glaube nicht, dass das richtige Ziel ist; denn die wenigen Wochen, die wir zwischen der ersten und der zweiten und dritten Lesung haben, um ein Gesetz zu prüfen, sind nicht die richtige Zeit, um einen Gesetzentwurf strukturell komplett umzuschmeißen, wenn er den Nachhaltigkeitszielen nicht entspricht. Es kann auch nicht Aufgabe von einigen wenigen Parlamentariern in diesem weiten Rund sein, diese Aufgabe zu übernehmen. Wenn wir wirklich wollen, dass diese Ziele erreicht werden, dann muss jeder Kollege diese Ziele mitdenken, und dann muss die Feder schon entsprechend geführt werden, wenn der Gesetzentwurf geschrieben wird. Das kann nicht erst geschehen, wenn wir schon mitten in der Beratung sind.

Wir als Union haben deshalb zwei konkrete Forderungen: Erstens. Lasst es uns doch als Staatsziel in das Grundgesetz aufnehmen. Zweitens. Lasst uns doch den Nationalen Kontrollrat dafür nutzen, dieser Aufgabe mit gerecht zu werden. Wir lassen schon die Bürokratiekosten von ihm überprüfen. Warum lassen wir Gesetze nicht auch bezüglich der Nachhaltigkeitsziele durch ihn prüfen? Ich freue mich darauf, dass wir das in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam debattieren werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)