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Kai Whittaker: Nachhaltigkeit ist ein Prinzip

Rede zum Zukunftspakt aus der Krise

Herr Präsident! Werte Kollegen! Lieber Kollege Riexinger, wir wollen nach Corona unsere Wirtschaft modernisieren, nicht den Marxismus einführen; das ist der Unterschied.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kai, du weißt doch gar nicht, was Marxismus ist! Machen wir einmal ein Privatissime, dann erkläre ich dir das mal! – Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zunächst einmal möchte ich festhalten, worin sich die allermeisten Fraktionen hier in diesem Haus einig sind, nämlich dass diese Coronakrise eine unglaubliche Chance ist, unsere Wirtschaft zu modernisieren. In dem Ziel sind wir uns ja einig, aber über den Weg dorthin streiten wir. Und da muss ich offen gestehen, dass mich die beiden Anträge von der FDP und von den Grünen entsetzt haben.

An die Kollegen der FDP möchte ich sehr klar und deutlich sagen: Sie breiten sich auf drei Seiten in einer epischen Beschreibung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland aus. Und da merkt man schon, dass Sie da total überfordert sind. Da legen Sie nette volkswirtschaftliche Abhandlungen vor, wie sich die Wirtschaft eventuell entwickeln könnte, wenn man wüsste, ob sich die volkswirtschaftlichen Prognosen tatsächlich als richtig oder falsch erweisen. Sie faseln etwas von einer Erholung in Form eines V oder eines U oder eines L.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Können wir Ihnen gerne erklären! Sind ökonomische Grundlagen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sind Modelle, die unter Ökonomen auch ernsthaft diskutiert werden!)

Das ist ja alles nette Theorie. Als Volkswirt verstehe ich das auch alles. Aber wenn man so zaghaft an die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft herangeht, dann entwickelt sich unsere Wirtschaft in Form eines I: Es geht steil bergab.

(Zuruf des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

Und so richtig überzeugt sind Sie ja von Ihrer eigenen Meinung auch nicht. In Ihrem Antrag schreiben Sie – immerhin –: Mit Klimaneutralität können wir in Deutschland Geld verdienen. Aber dieser Mut verlässt Sie sofort wieder, weil Sie etwas später schreiben: Ein Konjunkturprogramm darf sich nicht an politischen Wunschvorstellungen ausrichten. – Übersetzt heißt das: Klimaneutralität theoretisch ja, aber praktisch jetzt bitte nicht.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Das heißt es nicht!)

Da kann ich nur sagen: Donnerwetter! Donnerwetter! Ich hatte eigentlich gedacht, Politik bedeutet, dass man auf Basis von Fakten über politische Positionen ringt. Ich meine, wozu machen wir das Ganze hier eigentlich? Dass Sie sich an Ihren eigenen Forderungen dann nicht orientieren, zeigt sich ja daran, dass Sie sechs Wunschvorstellungen selber formulieren: Forschungsförderung, keine Kaufprämien, mehr Technologieneutralität usw. usf. Kurzum: Ich weiß nicht, wer Ihren FDP-Antrag geschrieben hat, aber Profis waren es nicht.

Das ist bei den Grünen – das muss ich zugeben – deutlich anders; auf 19 Seiten schreiben Sie sehr klar, was Sie wollen. Aber offenkundig – und das betrübt mich ein bisschen als Obmann im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung – haben Sie das Prinzip der Nachhaltigkeit nicht verstanden.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oha!)

Sie schreiben – ich zitiere –:

Deshalb müssen die notwendigen …programme an … Kriterien für Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz und die Geschlechtergerechtigkeit geknüpft werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man das so liest, hört sich das an, als ob diese Kriterien nebeneinander stehen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie stehen hintereinander!)

Das Problem ist nur: Genau das tun sie nicht. Ich erkläre Ihnen das Prinzip, Frau Lemke, wie Nachhaltigkeit geht, gerne noch einmal.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieder diese Arroganz!)

Nachhaltigkeit ist ein Prinzip. Das bedeutet, wir versuchen, wirtschaftliche, umweltpolitische und soziale Herausforderungen miteinander zu versöhnen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würde mich mal interessieren!)

Die UN hat dazu 17 Nachhaltigkeitsziele aufgeschrieben: vier wirtschaftliche, vier ökologische, acht soziale und ein übergeordnetes Ziel. Darin enthalten ist zum Beispiel das Ziel des Klimaschutzes,

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super, dass uns das endlich mal einer erklärt! Sensationell!)

darin enthalten ist das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit. Aber was Sie machen, ist: Sie ziehen einzelne Ziele heraus, stellen sie absolut über alle anderen. Genau das ist eben nicht nachhaltige Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ebenso wenig verstehe ich, was an dem Programm selbst nachhaltig sein soll. Immerhin wollen Sie 600 Milliarden Euro unters Volk bringen, das sind fast zwei Bundeshaushalte; das muss man hier einmal deutlich sagen. Zusätzlich. Und Sie schaffen es noch nicht einmal mit einer Silbe, zu sagen, wie Sie das gegenfinanzieren wollen.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Bei den ganzen Wünschen, die Sie in Ihren Antrag reingeschrieben haben, bezweifle ich, dass Sie mit den 600 Milliarden Euro überhaupt auskommen. Aber was mich wirklich aufregt und sprachlos macht, ist, was gerade daran für die junge Generation nachhaltig sein soll. Denen so ein Schuldenpaket noch obendrauf aufzubürden, das verstehe wer will.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn das bei den SDGs?)

Und selbst wenn Sie das Geld hätten und es ausgeben könnten: Sie haben ja in Ihrem Antrag einen so schönen Mechanismus eingebaut, der dazu führen würde, dass das alles verpufft und das Geld überhaupt nicht bei den Unternehmen ankommt. Sie wollen nämlich, dass das Geld nur dann dorthin fließt, wenn sich die Unternehmen an die EU-Taxonomie, also an eine nachhaltige Unternehmensberichterstattung, halten. Das ist an sich ein guter Gedanke. Aber die meisten Unternehmen haben diese Berichterstattung heute noch nicht und werden sie mitten in der Krise sicherlich nicht aufbauen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird Ihre Rede aber sehr widersprüchlich!)

Und deshalb finde ich: Wenn das Haus brennt, dann denkt man nicht darüber nach, wie man das Wohnzimmer neu einrichtet, sondern man löscht erst das Feuer. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kluge Frau kauft den Feuerlöscher aber vorher!)

Genau das machen wir auch als Bundesregierung. Wir werden gesunde Unternehmen stützen, damit sie nicht pleitegehen. Damit erhalten wir Arbeitsplätze, verhindern Armut und sichern das Wachstum von morgen. Das ist nachhaltige Politik.

Und dort, wo es technisch und administrativ in der Kürze der Zeit möglich ist, werden wir auch den Klimaschutz voranstellen. Wir wollen Innovationen. Wir wollen das Auto neu erfinden. Wir wollen Wasserstoff und grüne Technologien. Hier setzen wir auch Impulse. Und das Ganze machen wir mit Blick auf die Finanzen mit Maß und Mitte. Denn die schwarze Null ist der Inbegriff von nachhaltiger Politik,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)

und auch die junge Generation hat ein Anrecht auf diese nachhaltige Politik.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da war die Rede von Herrn Kruse aber fortschrittlicher!)