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Johannes Selle: Es geht um finanzielle Entlastung und qualifizierte Beratung

Redebeitrag zur Errichtung des Beratungszentrums für das Recht der WTO

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es handelt sich um ein kurzes und leicht verständliches Gesetz, das wir heute beschließen wollen. Wer dem Schwachen zu seinem Recht verhelfen will, der sollte diesem Gesetz zustimmen. Wir wissen nur zu gut, dass es nicht reicht, recht zu haben; man muss auch recht bekommen. Dazu kommt noch, dass man sich die Rechtsstreitigkeiten leisten können muss. Selbst wenn es nicht am Geld scheitert, braucht man die Fähigkeit, auf der Klaviatur des Rechtssystems auch spielen zu können. Und genau darum geht es heute: finanzielle Entlastung und qualifizierte Beratung.

Wir treten mit unserem Beschluss dem Beratungszentrum für das Recht der Welthandelsorganisation bei, das seinen Mitgliedstaaten in solidarischer Weise Unterstützung anbietet bei dem inzwischen umfangreichen Rechtsgeflecht der Welthandelsorganisation. Den am wenigsten entwickelten Ländern entstehen bei der Inanspruchnahme keine Kosten; den anderen entstehen Gebühren, gestaffelt. Das sei noch mal festgehalten. Die Entwicklungsländer zeigen sich mit 68 Prozent Zustimmung sehr zufrieden mit dem Beratungszentrum. Im Durchschnitt wird das Zentrum im Jahr 200-mal für Gutachten und 17‑mal für Rechtsstreitigkeiten in Anspruch genommen.

In der Überzeugung, dass der Welthandel zum Vorteil für die Nationen werden kann, wenn man sich Regeln gibt für den fairen Umgang miteinander, wurde die Welthandelsorganisation 1995 gegründet. Die Zahl der Verträge wächst schnell und damit der Bedarf nach Streitschlichtung. Wenige Jahre später wird deutlich, dass nicht alle Staaten institutionell und finanziell in der Lage sind, ihr Recht zu erkennen und einzufordern. Also kommt es 1999 zum Vorschlag des Beratungszentrums, dem nun 11 Industrieländer und 37 Entwicklungsländer angehören.

Das klingt nach einem zivilisierten und abgerundeten System. Nur, leider ist die Arbeitsfähigkeit der Welthandelsorganisation insgesamt im Moment nicht gegeben. Das können wir nicht ignorieren, wenn wir heute dieses Thema behandeln. Die Lage ist dramatisch. Das hat eine Videokonferenz mit unserem Vertreter in Genf in der letzten Woche noch einmal unterstrichen.

Für unsere eigene Wirtschaft und für unsere Ziele in der internationalen Gemeinschaft, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz voranzubringen, ist die Welthandelsorganisation ein bedeutender Faktor. Mit über 30 Prozent Anteil am Welthandelsvolumen ist Europa stärkster Akteur, vor den USA mit 11 Prozent und China mit 10 Prozent. Es wäre für Europa so wichtig, die Welthandelsorganisation vital zu halten. Stattdessen scheint sie am Streit zwischen China und den USA zu zerbrechen.

Deshalb wollen wir diese Gelegenheit im Plenum nutzen, um unsere Regierung zu ermutigen, die heute beginnende Ratspräsidentschaft Deutschlands zu nutzen, um Europas Rolle im Welthandel zu stärken und die Marktmacht einzusetzen, um die Welthandelsorganisation zu erhalten und ihre Arbeit zu befruchten. Prozesse im Welthandel benötigen viel Zeit, manchmal gibt es Fortschritte und Hoffnung – und immer wieder Enttäuschung und Unvollendetes, wie es die Kollegen schon angesprochen haben. Gerade in dieser Zeit des coronabedingten Niedergangs des Welthandels braucht es funktionierende Institutionen.

Wir diskutieren in Deutschland, wie wir mit einem Lieferkettennachweis faire Produktionsbedingungen voranbringen können. Diese Idee gehört in die Weltwirtschaft. Unsere Anstrengungen, globale Güter besser zu schützen, müssen den Welthandel einbeziehen. Für unsere Bemühungen, Arbeitsplätze und Perspektiven in der Heimat für die Millionen junger Menschen zusammen mit den reformwilligen Ländern zu schaffen, braucht es faire Regelungen des Marktzugangs und des Welthandels. Unser Beitritt zum Beratungszentrum ist sinnvoll. Inzwischen geht es darum, die Welthandelsorganisation selbst zu stärken, damit uns das sinnvolle Welthandelssystem erhalten bleibt.

Ich bitte um Ihre Zustimmung zum Gesetz und um Unterstützung für die wichtigen Anliegen, zu denen wir den fairen Welthandel brauchen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD])