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Eckhardt Rehberg: Wir müssen nicht sparen, aber Maß und Mitte müssen wir schon behalten

Redebeitrag zum Corona-Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweite und dritte Lesungen sind Stunden des Parlaments. Deswegen möchte ich mich zuerst bei meinem neuen Sprecherkollegen Dennis Rohde bedanken. Ich glaube, Dennis, das Ergebnis, was wir hier heute präsentieren, dass wir ohne Plafonderhöhung viele Dinge auf den Weg gebracht haben, verdient Respekt, auch in Anbetracht der Zeitschiene. Deswegen ein herzliches Dankeschön an alle Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss, aber besonders an dich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Boehringer – ich habe das schon mal an dieser Stelle gesagt –, ich gehöre mit 66 Jahren zu den Älteren, und ich bin seit 20 Jahren Diabetiker. Ich möchte heute nicht in den Vereinigten Staaten leben. Ich möchte auch nicht in Schweden leben. Ich möchte auch nicht in Großbritannien leben. Ich bin froh, dass ich in Deutschland lebe, ich bin froh, dass wir diese Krise so angefasst haben, und ich bin froh, dass wir bisher so durchgekommen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Krise ist eine Herausforderung. Gestern vor 30 Jahren wurde die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion verbunden mit der Einführung der D-Mark im Osten Deutschlands durchgeführt. Ich möchte mich bei Ihnen, Herr Dr. Schäuble, noch einmal ausdrücklich bedanken für die Leistung, die Sie in dem Jahr vollbracht haben. Ich spreche das deswegen an, weil Theo Waigel in einem Aufsatz deutlich gemacht hat, dass man damals im Bundeshaushalt kurz vor der schwarzen Null stand. Wir haben dann 24 Jahre, bis 2014, gebraucht, um wieder dahin zu kommen.

Manches, was 1990 erfolgt war, haben Ökonomen kritisiert. Wir Ostdeutschen haben profitiert. Wir haben bis 4 000 Ostmark eins zu eins umgetauscht; danach wurde halbiert. Löhne, Renten, Gehälter wurden eins zu eins umgerechnet. Kredite wurden halbiert. Ich war selber Profiteur: 34 000 Ostmark wurden halbiert in 17 000 Westmark. Die Zinsen waren damals hoch; das gebe ich zu. Aber wir haben diese Herausforderung gemeistert, und deswegen bin ich davon überzeugt, dass wir auch diese Krise meistern werden.

Aber lassen Sie mich am Anfang ein paar mahnende Worte sagen. Die Kreditfinanzierungsquote des Bundes liegt bei 43 Prozent. Ich weiß nicht, ob wir das auch im nächsten und übernächsten Jahr so weitermachen können.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein!)

Ich bezweifle das. Wir werden nach der letzten Steuerschätzung von diesem Jahr als Bund erst 2023 wieder die Steuereinnahmen des Jahres 2019 haben, Länder und Kommunen schon 2021. Deswegen hat mich gestern in der Sitzung des Haushaltsausschusses manches irritiert. Ich sage das in Richtung der gesamten Bundesregierung: Ich glaube, wir sollten nicht so leicht und locker meinen, dass das immer so weitergeht wie in diesem Haushalt mit einem Umfang von 509 Milliarden Euro und neuen Schulden in Höhe von 218 Milliarden Euro für die Jahre 2021, 2022 usw.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir das tun, dann müssen wir uns auch irgendwann bestimmte andere Fragen stellen: Sind wir dann noch der Bonitätsanker in Europa? Können wir dann alles das, was wir uns in Europa vorgenommen haben – Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens, Wiederaufbaufonds –, noch zu diesen günstigen Konditionen leisten? Ich glaube, hier sollten wir im deutschen Parlament deutlich machen: Wir müssen in der Zukunft auch Maß und Mitte behalten. Wir müssen nicht sparen, aber Maß und Mitte müssen wir schon behalten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind ja fünf Komponenten, die wir im zweiten Nachtrag beschlossen haben. Es geht dabei um die Kaufkraftstärkung. Übrigens: Dies bricht nicht am 1. Januar 2021 ab, sondern es kommen dann die Absenkung des Soli, die Kindergelderhöhung, die Abschaffung der kalten Progression usw. Das ist noch mal eine Entlastung in Höhe von 16 Milliarden Euro.

Die Herausforderung der nächsten Jahre wird die Stabilisierung der Sozialbeiträge sein. Wir wollen sie bei 40 Prozent halten. Das entlastet niedrige und mittlere Einkommen, und das belastet die Wirtschaft nicht weiter. Denn steigende Sozialbeiträge wären eine Belastung der Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir stabilisieren Unternehmen, und wir entlasten Länder und Kommunen. Christian Haase wird nachher noch auf die Grundgesetzänderung eingehen. Herr Bundesfinanzminister, die Grundgesetzänderung und das Begleitgesetz zum Ausgleich der Gewerbesteuerausfälle überzeugen uns bisher noch nicht,

(Beifall des Abg. Otto Fricke [FDP])

besonders nicht an einer Stelle. Ich sage Ihnen auch, warum. Es müssen zwei Hauptfragen gestellt werden. Erstens: Beteiligen sich die Länder wirklich zur Hälfte? Zweitens – und das ist das Wesentliche –: Kommen dann die Hilfen des Bundes und die zugesagte Hälfte der Länder auch wirklich bei den Kommunen an, die die Gewerbesteuerausfälle haben? Es kann nicht sein, dass heute schon Länder darüber debattieren, ob sie die 50 oder 100 Millionen Euro, die sie ihren Kommunen zur Verfügung gestellt haben, mit den Gewerbesteuerausfällen verrechnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine Gesamtverantwortung im föderalen System. Bund, Länder und Kommunen sind ein Dreiklang, und da können sich die Länder nicht einfach vom Acker machen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns als Koalition gesagt: Wir wollen keine Plafonderhöhung. Wir wollen, dass Strukturen im Sport – Volleyball, Basketball – weiter erhalten bleiben können. Die profitieren nicht von Geisterspielen und Fernseheinnahmen. Ich glaube aber, die 200 Millionen Euro werden helfen, dass die Vereine ihre Budgetpläne für die nächste Saison aufstellen können. Und: An solchen Vereinen hängen auch immer Kinder- und Jugendabteilungen dran; deswegen ist das gesellschaftspolitisch notwendig gewesen, diese 200 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Wir wollen weiter 600 Millionen Euro in die Hand nehmen – das kriegen wir auch relativ kurzfristig umgesetzt – für die Sanierung kommunaler Einrichtungen.

Wenn wir das alles zusammenfassen, auch das, was wir im zweiten Nachtrag miteinander beschlossen haben, dann sehen wir: Das reiht sich in die Kette der Maßnahmen ein, die im ersten Nachtrag begonnen wurden und jetzt im zweiten Nachtrag fortgeführt werden.

Auch noch ein Satz zur Mehrwertsteuersenkung. Wenn ich so die Wochenendblättchen sehe, die über die letzten Tage bei mir ins Haus geflattert sind, wenn ich sehe, was schon alles weitergegeben wird, so bin ich im Gegensatz zu Ihnen, Kollege Boehringer, auch überzeugt, dass diese Mehrwertsteuerabsenkung doch die Binnenkonjunktur anfachen wird.

Und mein Appell an die Bürger in diesem Land ist ganz einfach: Lassen Sie mal einen Augenblick iPhone, iPad, Laptop liegen, gehen Sie zu Fuß in die Innenstadt, kaufen Sie in den Geschäften ein, oder setzen Sie sich, wenn Sie wie ich auf dem flachen Land wohnen, ins Auto und fahren in den nächstgelegenen Laden und lassen dort Ihr Geld. Ich glaube, dann tun wir der Binnenkonjunktur was Gutes. Dies als letzter Appell an dieser Stelle.

Deswegen: Noch mal herzlichen Dank für die tollen kurzfristigen Beratungen. Und ich glaube, wir können ein Superergebnis präsentieren.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)