Skip to main content

Eckhardt Rehberg: Wir investieren in Sicherheit und Zukunft

Rede in der allgemeinen Finanzdebatte zum Haushaltsgesetz 2019

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben es erwähnt: Vor zehn Jahren war die Pleite von Lehman Brothers. Ich will zehn Jahre zurückdenken und an die Maßnahmen erinnern,

(Zuruf von der AfD)

die wir damals, 2008/2009, getroffen haben: Stichwort Kurzarbeitergeld, das 10-Milliarden-Euro-Paket an Investitionen für die Kommunen, eine massive Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, unter anderem eine Kindergelderhöhung.

Ja, wir haben 2010 einen Haushalt mit einer Verschuldung von 86 Milliarden Euro gehabt. Wir haben in der damaligen Legislaturperiode mit der FDP dafür gesorgt, dass die Schulden Stück für Stück abgebaut worden sind.

(Otto Fricke [FDP]: Die Neuverschuldung! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Die Neuverschuldung!)

– Die Neuverschuldung, Entschuldigung. – Dann haben wir 2014 mit der SPD keine neuen Schulden mehr gemacht. Herr Kollege Boehringer, wenn wir das alles 2008/2009 nicht gemacht hätten, wäre Deutschland nicht stärker aus der Krise herausgekommen, als es hineingegangen ist.

Deswegen war es damals richtig, so zu handeln. Es war genauso richtig, in der Zeit danach – ab 2010 – Stück für Stück die Neuverschuldung zurückzuführen. Das gibt uns heute Luft zum Atmen für Investitionen in Zukunft und Sicherheit, für Investitionen in den sozialen Zusammenhalt, und unter dem Strich ist der Bundeshaushalt 2019 solide und seriös, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ja, es hat ein bisschen gedauert – wegen Finanzkrise, Euro-Krise und der schwierigen außenpolitischen Situation –, bis wir die 60-Prozent-Schuldenstandsquote einhalten können, nämlich spätestens im nächsten Jahr, vielleicht auch schon in diesem Jahr. Das führt dazu, dass Haushaltsüberschüsse entstehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn an dieser Stelle immer von 36,5 Milliarden Euro die Rede ist, dann denkt alle Welt, diese Zahl bezieht sich nur auf den Bund. Mitnichten ist das so. Die kleinste Teilmenge landet beim Bund. Das sind 5,3 Milliarden Euro.

(Otto Fricke [FDP]: Ja!)

Die Gesamtheit der Länder hatte einen Überschuss – teilweise nach kreativer Buchung – in Höhe von 12,1 Milliarden Euro; die Kommunen hatten einen Überschuss in Höhe von 10,7 Milliarden Euro und die Sozialversicherungen in Höhe von 8,4 Milliarden Euro. Warum führe ich das an? Wenn wir über Themen wie Grundgesetzänderung, Wohnungsbau und Investitionen in die Bildungsinfrastruktur reden, dann muss man auch darüber reden, wer an dieser Stelle zuständig ist und die Verantwortung trägt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den schwierigen Debatten vor Ort erleben wir, dass viele Bürgerinnen und Bürger mittlerweile meinen, der Bund sei für alles zuständig.

(Otto Fricke [FDP]: Ja!)

Es gibt den Begriff „Subsidiarität“ bzw. „Dezentralität“. Das heißt, dass man die Dinge, die man vor Ort lösen kann und sollte, dann auch bitte vor Ort löst. Herr Minister, Sie haben das Gute-Kita-Gesetz angesprochen. Nichts ist dagegen einzuwenden,

(Otto Fricke [FDP]: Aber auch so ein Beispiel!)

aber die Frau Ministerin wird wie ihre Vorgängerin ein Problem haben. Zielvereinbarungen hin oder her: Solange wir weiter über Umsatzsteuerpunkte Geld an Länder und Kommunen geben, greifen weder Artikel 104c des Grundgesetzes, den wir geändert haben, noch Artikel 114 des Grundgesetzes. Vielleicht hört mir die Familienministerin mal zu. Es wird ganz stark darauf ankommen, Frau Ministerin, wie Sie diese 16 Zielvereinbarungen kontrollieren. Ich könnte Ihnen jetzt bis Mitternacht Beispiele dafür nennen, wo der Bund über Umsatzsteuerpunkte Geld gibt – auch für Betriebskosten von Kitas –, das nicht bei den Kommunen ankommt, sondern irgendwo in den Landeshaushalten versickert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Warum sage ich das? Aktuell gibt es im Land Berlin eine Debatte darüber, dass man Schulden tilgen will. Das kann man alles machen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Nur hat das Land Berlin Anfang der 2000er-Jahre unter Rot-Rot Hunderttausende Wohnungen privatisiert und von 2006 bis 2012 nicht eine einzige Sozialwohnung gebaut. Auch heute wird dort nicht komplett die Vereinbarung „1 Euro Bund, 1 Euro Land“ umgesetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer bei der Polizeiausstattung Probleme hat, bei dem Schulen marode sind und wer seine Verpflichtungen beim sozialen Wohnungsbau nicht erfüllt, der sollte nicht anfangen, Schulden zu tilgen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Während wir heute den Bundeshaushalt beraten, sind wir – und darüber sollten wir reden – in den Ländern in ganz unterschiedlicher Verantwortung aufgestellt. Ich will nur daran erinnern, dass heute der Bund komplett die Grundsicherung im Alter übernimmt: per anno 7 Milliarden Euro. Ich will nur daran erinnern, dass die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft mittlerweile 6 Milliarden Euro beträgt. Ich will nur daran erinnern, dass wir das BAföG komplett übernommen haben. Das sind 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Ich will nur daran erinnern, dass wir ein 5-Milliarden-Euro-Entlastungspaket für Länder und Kommunen aufgelegt haben – ohne Gegenleistung.

Deswegen kann es aus meiner Sicht nicht so sein, dass in dem Land, wo ich wohne, die SPD/CDU-Regierung ein Schulbauprogramm mit 330 Millionen Euro auflegt, von dem weniger als 10 Prozent Landesmittel sind. Der Rest kommt von Bund und EU. Warum sage ich das? Schauen Sie sich nur die Mittelabflüsse bei den Sondervermögen an, zum Beispiel für den Kitaausbau oder das Kommunale Investitionsprogramm. Hier bestehen Defizite, die die Bürger vor Ort wahrnehmen. Deshalb appelliere ich mit Blick auf die Grundgesetzänderungen an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich ernsthaft mit den Vorschlägen des Bundesrechnungshofs zu den Themen „Zusätzlichkeit“ und „Sanktionsmöglichkeiten“ zu befassen. Wir alle haben nichts davon, den bisherigen Kurs – das heißt, der Bund stellt Geld zur Verfügung, aber die Menschen vor Ort merken, dass das Geld nicht ankommt – weiter zu verfolgen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der AfD)

Die „Bild am Sonntag“ hat eine Emnid-Umfrage veröffentlicht, in der es um die Frage ging: Wo sind die größten Defizite? – Dort, wo wir, der Bund, am meisten Geld zur Verfügung stellen, zum Beispiel bei der Verkehrsinfrastruktur, beim Wohnungsbau und beim Zustand von Schulen und Kitas. Mein dringlicher Appell lautet an dieser Stelle – weil wir vor wichtigen Entscheidungen stehen –, gemeinsam an die Menschen vor Ort zu denken.

Ich darf das, was Außenminister Maas am 13. Juni 2018 in Berlin gesagt hat, zitieren:

Aber auch einer anderen Realität dürfen wir uns nicht verschließen: Deutschland wird Fähigkeitslücken der Bundeswehr schließen müssen, wenn wir uns auf einen solchen Weg begeben. Das kostet Geld. Aber Investitionen in Ausrüstung sind noch lange keine Aufrüstung.

Weiter sagte er:

Wir tun das übrigens nicht, weil Präsident Trump das gerade einfordert ...

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Völlig richtig!)

Herr Minister, ja, es gibt einen Aufwuchs beim Verteidigungshaushalt im Bundeshaushalt 2019. Wenn Sie sich aber die Finanzplanung genau anschauen und die Personalverstärkungsmittel unberücksichtigt lassen, dann stellen Sie fest, dass es an dieser Stelle ein reales Minus gibt. Es kann nicht sein, dass für wichtige Beschaffungsvorhaben, zum Beispiel für das MKS 180, den schweren Transporthubschrauber oder die Eurodrohne – ich könnte die Liste beliebig fortsetzen –, bis 2022 keine Verpflichtungsermächtigungen eingegangen werden und dass das Bundesverteidigungsministerium dann, wenn es zum Abschluss von Beschaffungsverträgen kommen soll, keine Vereinbarungen schließen kann, weil die entsprechenden Verpflichtungsermächtigungen nicht vorhanden sind. Jährliche Verpflichtungsermächtigungen sind Voraussetzung, um Verträge über entsprechende Beschaffungsprojekte abzuschließen. Deswegen sage ich Ihnen im Namen der Unionsfraktion: Unser Außenminister hat recht. Er hat als Mitglied der Bundesregierung gesprochen. Das, was er gesagt hat, muss sich im Einzelplan 14, im Verteidigungsetat, abbilden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD)

Zum Haushalt 2019. Wir investieren in Sicherheit und Zukunft. Wir investieren auch in sozialen Zusammenhalt. Wir werden einen Aufwuchs bei den Sozialausgaben von rund 160 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf fast 194 Milliarden Euro bis zum Ende der Finanzplanperiode 2022 zu verzeichnen haben.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Thema Rente. Bevor wir hier neue Debatten anfangen, ohne sie finanziell zu unterlegen,

(Otto Fricke [FDP]: Auch zur Mütterrente!)

sollten wir nach meiner Auffassung erst einmal die Rentenkommission in Ruhe arbeiten lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Schwierigste ist: Was unter dem „Rentenniveau“ zu verstehen ist, können Sie keinem normalen Bürger erklären.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch! Das kann ich Ihnen vormachen!)

Wenn ich bei mir zu Hause frage: „Wie groß ist denn die Altersarmut in Mecklenburg-Vorpommern?“,

(Otto Fricke [FDP]: Riesig!)

das heißt, wie viele Sozialhilfe beziehen, dann erhalte ich die Antwort: 30 Prozent. – Tatsächlich sind wir das Land, das gemeinsam mit zwei weiteren neuen Bundesländern mit 1,6 Prozent die niedrigste Altersarmut in Deutschland hat.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Sören Bartol [SPD])