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Eckhardt Rehberg: Wir haben eine verteilte Verantwortung – Stichwort: Föderalismus –

Redebeitrag in der Schlussrunde zum Haushaltsgesetz 2021

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kleinwächter, ich gönne es Ihnen, dass Sie diese Krankheit gut überstanden haben. Aber wie hätten Sie geredet, wenn der Verlauf schwerwiegender – Beatmungsgerät, Koma, Langzeitfolgen – gewesen wäre? Wie hätten Sie dann hier an diesem Pult geredet?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Gar nicht!)

Herr Kleinwächter, ich finde das respektlos gegenüber denjenigen, die nicht so viel Glück gehabt haben wie Sie. Ich finde das einfach respektlos!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kollege Dürr, Sie haben von der Entlastung der Mitte der Gesellschaft gesprochen. Ich gucke jetzt mal in Ihr sogenanntes Strategiepapier rein: „Abschmelzen des Zuschusses des Bundes in die Rentenkasse für eine Rücknahme der Rente mit 63“, „Ablehnung der Mütterrente II“, „Streichung des Baukindergelds“.

(Christian Dürr [FDP]: Abschaffung des Solidaritätszuschlags! Teilbetrag bei der Grunderwerbsteuer! Mittelstandsbauch abschaffen! Die ganze Liste vorlesen!)

Beim Thema Baukindergeld kann ich Ihnen nur sagen: Ich bin froh, dass es das in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Alleine in meinem Dorf wohnen mehrere junge Familien, die mit dem Baukindergeld ältere Häuser gekauft und saniert haben; deswegen konnten sie es sich leisten.

(Christian Dürr [FDP]: Die die hohe Grunderwerbsteuer gezahlt haben!)

Diese jungen Familien sind in den ländlichen Raum gezogen. Das hat an dieser Stelle mitgetragen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Christian Dürr [FDP]: Die ganze Liste, Herr Rehberg!)

Die Spitze des Eisbergs bei Ihnen ist wirklich – ich wiederhole das, was ich am Dienstag gesagt habe – die regulierte Freigabe von Cannabis für den selbstbestimmten und verantwortungsvollen Konsum.

(Christian Dürr [FDP]: Ja! Sie wollen lieber, dass schwarz gekauft wird!)

Das Motto ist: „Kiffen gegen Schulden“, Herr Kollege Dürr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Christian Dürr [FDP]: Was ist denn mit der Tabaksteuer? Das ist ja lächerlich!)

Im Unterschied zu Ihnen haben wir als Große Koalition die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmen in dieser Legislaturperiode mit 60 Milliarden Euro entlastet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Christian Dürr [FDP]: Lesen Sie mal die ganze Liste der FDP vor, Herr Kollege!)

Alleine zum 1. Januar 2021 kommt es zur hälftigen Abschaffung des Soli, zur Kindergelderhöhung, zum weiteren Abbau der kalten Progression und zur Verschiebung des Steuertarifs, was noch einmal 17 Milliarden Euro ausmacht. Das und nicht das, was Sie sich in Ihrem Strategiepapier ausgedacht haben, ist unsere Politik für die Entlastung der Mitte der Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Christian Dürr [FDP]: Keine Abschaffung des Soli! Keine echte Abschaffung der kalten Progression! Das Gegenteil ist der Fall!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema der Woche

(Christian Dürr [FDP]: Was sagen Sie denn zu Herrn Söder?)

hier im Deutschen Bundestag scheint gewesen zu sein – davor waren auch die eigenen Fraktionen nicht gefeit –: Der Bund ist für alles zuständig. – Frau Hendricks hat vorhin ja die richtigen Fragen an den Kollegen Dürr gestellt. Gucken Sie sich mal Artikel 28 Grundgesetz an.

Kollege Dürr und auch allen anderen Kolleginnen und Kollegen rate ich mal, sich die finanzielle Entlastung von Ländern und Kommunen durch den Bund im Bundesrechnungshofbericht anzugucken; die Übersicht wird dieses Jahr wiederkommen.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ja, das haben Sie doch entschieden!)

85 Milliarden Euro Entlastung in 2020!

(Christian Dürr [FDP]: Ist doch Ihre Politik, Herr Rehberg!)

Ich will aber auf was ganz anderes hinaus.

(Christian Dürr [FDP]: Ihre Politik, Herr Rehberg!)

Sie haben den DigitalPakt Schule beklagt

(Christian Dürr [FDP]: Ja!)

und machen den Bund für alles verantwortlich.

(Christian Dürr [FDP]: Nein!)

Am 17. Mai letzten Jahres gab es eine Verwaltungsvereinbarung, und ich sage Ihnen: Ich kenne an der Stelle kompliziertere Verwaltungsvereinbarungen. Es muss aber mal die Frage gestellt werden: Was für eine Verantwortung haben denn die Empfänger dafür, dass das Geld abgerufen wird, das in diesem DigitalPakt Schule für die Länder bereitgestellt wurde? Es sind nur 16 Millionen Euro abgerufen worden. Diese Verantwortung liegt an dieser Stelle doch nicht mehr beim Bund, sondern bei den Ländern und letztendlich auch bei den Schulträgern. Ich finde, wir können hier nicht alles auf den Bund schieben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Rehberg, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Christian Dürr?

 

Eckhardt Rehberg (CDU/CSU):

Aber gerne.

 

Christian Dürr (FDP):

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt aber nicht ablesen!)

– Ich habe die Bund-Länder-Vereinbarung einfach dabei, die Herr Kollege Rehberg gerade angesprochen hat. – Ich will Ihnen nur ganz kurz sagen, was dort steht. Dort steht, dass die „Ausgaben für Betrieb, Wartung und IT-Support der geförderten Infrastruktur nicht förderfähig“ sind. Das, was die Schulen eigentlich brauchen, ist also nicht förderfähig. Das haben Bund und Länder gemeinsam verabschiedet. Und wissen Sie, was da noch steht? Da steht, dass gleichzeitig ein Konzept für den IT-Support und die Durchführung der Maßnahmen notwendig ist.

Mit anderen Worten: Sie verlangen von den Schulen etwas, was überhaupt gar nicht förderfähig ist.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber die Länder wollten das doch so!)

– Ja, die Länder haben das mit unterschrieben.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ach so!)

Wir als Freie Demokraten haben Ihnen, Frau Hendricks, gemeinsamen mit den Kollegen der Grünen bereits bei der Grundgesetzänderung gesagt, dass genau das das Problem sein wird, weswegen die Mittel nicht abfließen werden. Diese Voraussage haben Grüne und FDP damals getroffen. Jetzt ist es eingetreten, und jetzt kommt von Ihnen wieder eine Rede nach dem Motto: Ist nicht meine Abteilung.

Das erzählen Sie den Familien in Deutschland. Um das in aller Klarheit zu sagen: Dafür, was Sie hier abziehen, hat keiner mehr Verständnis, Herr Kollege Rehberg.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Svenja Stadler [SPD])

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Rehberg, bitte.

 

Eckhardt Rehberg (CDU/CSU):

Herr Dürr, gerade mit Ihrer Argumentation sorgen Sie mit dafür, dass sich die Länder an der Stelle hinter dem Bund verstecken.

(Christian Dürr [FDP]: Nein!)

Wir haben eine verteilte Verantwortung – Stichwort: Föderalismus –, wir haben Steuern, wovon mittlerweile nur noch 40 Prozent beim Bund landen, und die Finanzsituation der Länder und Kommunen vor Corona sah so aus, dass massiv Überschüsse da waren. Der DigitalPakt Schule war ursprünglich nur dafür da, dass die digitale Infrastruktur zu den Schulen hinkommen und in den Schulen ausgebaut werden kann. Das war der Ansatz vom DigitalPakt Schule – nicht mehr und nicht weniger.

(Christian Dürr [FDP]: Und es hat nicht funktioniert!)

Ich bin schon noch dafür, Herr Kollege Dürr, dass die Länder, die bis 2019 und ab 2021 wirklich eine deutlich bessere Finanzsituation als der Bund gehabt haben bzw. haben werden, an dieser Stelle ihrer Verantwortung nachkommen.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist Ihre Antwort für die Familien in Deutschland! Unfassbar!)

Das kann wirklich nicht anders sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Thema der Woche war: Der Bund ist für alles zuständig.

(Christian Dürr [FDP]: Nein!)

Hier beklagen Sie, das sei alles zu bürokratisch und zu kompliziert.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, ist auch so!)

Wir haben jetzt einen Bundesrechnungshofbericht zum Thema „Hochschulpakt I und II“ bekommen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Ich rate jedem, sich den mal durchzulesen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ich habe es schon durchgelesen!)

Ein Krimi ist gar nichts dagegen, und ganz ehrlich: Ich hätte nicht ansatzweise vermutet, dass man auf so kreative – in Anführungsstrichen – Einfälle kommen kann.

Ich stelle hier angesichts dieser Fehlverwendung und Restebildung ganz bewusst die Frage: Welche politisch-moralische Haltung gibt es in mancher Hochschule, in mancher Universität und in vielen Ländern eigentlich? Wenn ich auf der anderen Seite die Situation an vielen Hochschulen und Universitäten sehe, dann ist doch mal die Frage zu stellen: Wie halten wir es zwischen Bund, Ländern und Kommunen an dieser Stelle?

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Am schlimmsten ist NRW!)

– Ganz vorsichtig; das alles war noch aus der rot-grünen Zeit. Liebe Kollegin Lötzsch, beim Parteibuch immer sehr vorsichtig sein, weil sich die Versäumnisse an jeder Stelle mischen!

Ich komme jetzt auch noch – Sie haben mir das Stichwort gegeben – zu Ihrer Einlassung und zu der Einlassung des Kollegen Perli zum Thema „sozialer Wohnungsbau“.

Sie haben eben Horst Seehofer wieder vorgeworfen, dass in diesem Jahr nur 1 Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung steht. Das ist ein Fake; es stehen 1,518 Milliarden Euro zur Verfügung. Was Sie und viele andere unterschlagen – genau das habe ich vermutet –, sind die 3 Milliarden Euro Kompensationsmittel im Bund-Länder-Finanzausgleich über Umsatzsteuerpunkte. Das heißt, in diesem Jahr stehen genau wie im letzten Jahr über 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Jetzt gucken wir doch mal, was unter Ihrer Verantwortung in Berlin gelaufen ist. Das Land Berlin hat ja nicht nur im Jahr 2004 mehrere Hunderttausend Wohnungen unter Rot-Rot privatisiert, nein, das Land Berlin hat auch zwischen den Jahren 2006 und 2012 nicht eine neue Sozialwohnung in Berlin gebaut.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)

Frau Kollegin Lötzsch, nehmen Sie sich keinen normalen Straßenbesen, sondern einen Drahtbesen, und kehren Sie erst mal vor Ihrer eigenen linken Tür, wenn Sie über den sozialen Wohnungsbau reden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])

Die politische Verabredung war: Wenn der Bund Geld zur Verfügung stellt, dann komplettieren das die Länder mit 50 Prozent. Neben Bayern und Baden-Württemberg gibt es nur noch ein Bundesland, nämlich Hamburg, das diese Verabredung seit Jahren und Jahrzehnten vorbildlich erfüllt;

(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: NRW auch!)

Olaf Scholz hatte dort damals schon Verantwortung.

(Dennis Rohde [SPD]: Bester Mann!)

Bei allen anderen Bundesländern ist die Kofinanzierung kleiner als 50 Prozent.

Wenn ich mal auf das letzte Jahr gucke: 27 040 neue Sozialwohnungen wurden im Jahr 2018 gebaut; im Jahr 2019 waren es fast 1 500 weniger. Für die 3 Milliarden Euro, die politisch vereinbart waren, hätte man rund 46 000 neue Sozialwohnungen bauen können. Ich finde es einen Skandal – das sind alles Berichte, die die Länder geliefert haben –, dass die Länder nicht mal die Bundesmittel, die ihnen zur Verfügung gestellt worden sind, für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen müssen wir uns grundsätzlich die Frage stellen, wie die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen sein können und müssen.

(Zuruf der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu einem der Kernprobleme in der Diskussion in dieser Woche: die Summe von 85 Milliarden Euro. In 2020 sind daraus durch die Übernahme der Gewerbesteuerausfälle und durch die Übernahme der KdU rund 100 Milliarden Euro geworden. Wenn Mittel in der Größenordnung von einem Fünftel des Bundeshaushaltes an Länder und Kommunen gehen und sie nicht für unsere eigenen originären Aufgaben zur Verfügung stehen, dann, glaube ich, ist es unsere Gesamtverantwortung in diesem Haus, nicht ständig darauf zu verweisen, dass der Bund für alles zuständig sei. Vielmehr ist darauf zu verweisen, wer wirklich für Schulen, Hochschulen, Kitas usw. zuständig ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)