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Eckhardt Rehberg: "Die Mittelbindung der ersten 70 Prozent soll bis 2022 vorgenommen werden"

Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz – ERatG

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es heute, und worum geht es heute auch nicht? Es geht heute erstens darum, dass wir über einen Eigenmittelbeschluss die Finanzierungsgrundlage für den Mehrjährigen Finanzrahmen bis 2027 legen; Umfang 1 074 Milliarden Euro. Zweitens geht es um den Eigenmittelbeschluss für den Wiederaufbaufonds; Umfang 750 Milliarden Euro, davon rund 400 Milliarden Euro Zuschuss. Insgesamt reden wir über Mittel in Höhe von über 1 500 Milliarden Euro, die wir über die nationalen Haushalte in den nächsten Jahren an Zuschüssen für die Europäische Union bereitstellen. Dazu kommen noch 300 Milliarden Euro Reste, sogenannte RAL-Mittel, die aus der letzten Förderperiode noch vorhanden sind. Insgesamt sind also bis 2027 1 800 Milliarden Euro umzusetzen – sinnvoll umzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir übertragen als Nationalstaat eine große Verantwortung auf das Europäische Parlament,

(Beatrix von Storch [AfD]: Unsere Souveränität übertragen wir!

auf die Europäische Kommission und auf den Europäischen Rechnungshof.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist das Recht des Parlaments!)

Ich gehe davon aus, dass diese Verantwortung auch wahrgenommen wird. Was mir Sorgen macht, ist die Zeit, die schon ins Land gegangen ist – zwölf Monate nach Ausbrauch der Pandemie und absehbar der Abschluss des Ratifizierungsverfahrens zum Wiederaufbaufonds wahrscheinlich erst in vier bis sechs Monaten.

Die Mittelbindung der ersten 70 Prozent soll bis 2022 vorgenommen werden. Ich begrüße ausdrücklich den Wiederaufbauplan der Bundesregierung – das ist nachvollziehbar, konkret –, aber hier geht es lediglich um 17 Milliarden Euro.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist einfach nur das nationale Konjunkturprogramm! Nichts Neues!)

Andere Länder stehen vor ganz anderen Herausforderungen. Deswegen lege ich für uns sehr viel Wert darauf, dass die Mittel des Wiederaufbaufonds an den EU-Haushalt gebunden sind und der Kontrolle des Europäischen Parlaments, der EU-Kommission, des Rechnungshofes und einer Kaskade unterliegen. Die Vorlagen werden beim Wirtschafts- und Finanzausschuss eingereicht. Wenn es Probleme gibt, dann geht man über den Europäischen Rat, und hier herrscht das Einstimmigkeitsprinzip.

Angesichts mancher Töne, die ich in den letzten Wochen aus Südeuropa gehört habe, wofür das Geld verwendet werden soll, die ganz klare Ansage von unserer Seite: Wir werden strikt darauf achten, dass diese Mittel wirklich für die Überwindung der Krise ausgegeben werden, dass die Verwendung der Mittel konditioniert erfolgt.

(Lachen bei der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das glaubt doch niemand! Das glaubt niemand, Herr Rehberg! Da werden Sie gar nicht drauf achten! – Gegenruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Herausforderung, auch für den Deutschen Bundestag. Über das EUZBBG und die anderen Mittel, die wir haben, sind wir als Deutscher Bundestag als Haushaltsgesetzgeber und wir im Haushaltsausschuss ausreichend eingebunden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Stefan Keuter [AfD]: Unfassbar! Das ist unfassbar!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Bundesfinanzminister, für uns ist Basis des Wiederaufbaufonds erstens der Artikel 122 AEUV – Ausnahmeklausel für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Ereignisse – und zweitens der Artikel 311 AEUV – Eigenmittel. Wir halten die zeitlich befristete Kreditaufnahme durch die EU für gerechtfertigt. Und – ich widerspreche Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich –: Dies ist für uns als CDU/CSU nicht der Einstieg in die Fiskalunion,

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der AfD)

nicht der Einstieg in eine Haftungsunion und nicht der Einstieg in eine Schuldenunion.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: In welcher Welt leben Sie eigentlich? – Zuruf des Abg. Dr. Gottfried Curio [AfD])

Das werden wir, Herr Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat der SPD, im Wahlkampf ausfechten. Ihre Ziele, eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa, eine Haftungsunion, können Sie demnächst mit einer Linkskoalition durchsetzen, aber nicht mit der CDU/CSU im Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Liebes Deutschland, was ist aus dir geworden?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, man muss, finde ich, wenn man als Bundesfinanzminister spricht, für die komplette Bundesregierung sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und ich sage noch mal ausdrücklich für die Unionsfraktion: Für uns ist der Eigenmittelbeschluss für den Wiederaufbaufonds und für den Mehrjährigen Finanzrahmen nicht der Einstieg in die Fiskalunion.

(Zuruf von der AfD: Doch! – Stefan Keuter [AfD]: Er hat es deutlich gesagt!)

Das ist eine ganz klare Ansage von uns an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Stefan Keuter [AfD]: Unglaublich!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Boehringer hat das Thema ja ausführlich ausgewalzt. Warum 2 Prozent? Herr Kollege Boehringer, Sie haben hier den falschen Eindruck erweckt, dass die Kreditermächtigung größer ist als 750 Milliarden Euro. Nein, sie ist nicht größer. Eine Überdeckung erfolgt deswegen, damit sich der Wiederaufbaufonds zu günstigen Konditionen refinanzieren kann; und je günstiger die Konditionen sind, desto geringer sind die Tilgungslasten, die Zinslasten der einzelnen Nationalstaaten. Und auch hier gilt: Falls einzelne Staaten wollen, dass Änderungen vorgenommen werden, gilt das Einstimmigkeitsprinzip.

Die FDP hat jetzt einen Änderungsantrag eingebracht.

(Otto Fricke [FDP]: Nein, einen Gesetzentwurf!)

– Einen Gesetzentwurf. – Lieber Otto Fricke, wirklich?

(Otto Fricke [FDP]: Ja!)

Wollen wir die nationale Attitüde pflegen oder sie uns herausnehmen? Wollen wir alle anderen 26 Wiederaufbaupläne, teilweise mehrere Hundert Seiten lang, bewerten und, wenn wir meinen, dass sie nach unserem Gusto nicht in Ordnung sind, dann den Mechanismus in Gang setzen und unserem Vertreter im Wirtschafts- und Finanzausschuss das Petitum geben, dass er ablehnen muss?

(Stefan Keuter [AfD]: Das ist ja unser Geld!)

Wollen wir das im Haushaltsausschuss wirklich? Und Ihr Gesetzentwurf geht ja noch weiter. Sie wollen alle halbe Jahre alle 26 Pläne im Haushaltsausschuss durcharbeiten.

(Otto Fricke [FDP]: Nein, das steht da nicht!)

Ich habe mal überschlagen: Das sind über 100 Vorlagen, jede Vorlage mehrere Hundert Seiten stark, die wir dann abarbeiten müssten. Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen der FDP die mehreren Hundert Seiten alle durchlesen, damit sie zu einem Votum kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wir schaffen das!)

Ich halte das für nicht angemessen, für nicht angebracht. Sie machen einfach ein Bohei und tun so, als ob. Das bringt überhaupt nichts.

(Otto Fricke [FDP]: Ach! – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Der Stachel sitzt tief!)

Wir werden einen Antrag einbringen, der die Rechte des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages noch mal manifestiert;

(Otto Fricke [FDP]: Aha!)

sie sind aus meiner Sicht schon ausreichend durch Bundesverfassungsgerichtsurteile und durch die Rechtsetzung des Deutschen Bundestages gegeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann zum Schluss nur die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass das Geld sinnvoll verwendet wird. Und wir als Deutsche werden am meisten davon profitieren, auch wenn wir – ja, das ist richtig – gut viermal mehr einzahlen, als wir letztendlich zurückbekommen. Aber diese Nettozahlerdebatte zum Mehrjährigen Finanzrahmen: Wer hat denn in den letzten Jahrzehnten am meisten von Europa profitiert? Wer hat denn in den letzten Jahrzehnten am meisten vom Euro profitiert?

(Zuruf von der AfD: Immer das gleiche Gerede!)

Das sind doch wir Deutsche! Ein großer Teil unseres Wohlstandes basiert auf dem Europas

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

und nach dem Fall der Mauer auf dem größer gewordenen Europa und auf dem Euro.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Es ist unfassbar, was aus der CDU geworden ist!)