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Dr. Volker Ullrich: Die parlamentarische Demokratie lebt vom Interessenausgleich

Rede zur Einführung des verpflichtenden Lobbyregisters

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte über ein Lobbyregister beginnt eigentlich mit einer bemerkenswerten Pointe: Die Fraktion Die Linke bringt einen Gesetzentwurf zum Thema Lobbyismus ein und lässt sich diesen Gesetzentwurf selbst von einer Lobbyorganisation schreiben. Sie schreiben in dem Gesetzentwurf, dass Sie die Vorlage von LobbyControl aufgegriffen haben. Tatsache ist aber, dass Sie sie wortwörtlich abgeschrieben haben. Sie hätten den Gesetzentwurf doch wenigstens ein Stück weit selber erarbeiten und ihn einfach von einer Lobbyorganisation abschreiben lassen sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Frau Kollegin Haßelmann, Sie beklagen hier, dass ein Tabakwerbeverbot nicht vereinbart worden ist.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe Sie gefragt, warum nicht!)

Nun kann man über Tabakwerbeverbote in der Tat trefflich streiten. Ich verstehe aber nicht, wieso Sie auf der einen Seite für ein Tabakwerbeverbot eintreten und in der folgenden Debatte die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren wollen. In beiden Fällen wird Leben geschützt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sonja Amalie Steffen [SPD]: Das sind Äpfel und Birnen!)

Meine Damen und Herren, die parlamentarische Demokratie lebt vom Interessenausgleich. Zum Interessenausgleich gehören auch die Abwägung von Meinungen und die kluge Suche nach den besten Lösungen für unsere Gesetzentwürfe. Deswegen haben wir selbstverständlich Anhörungen im Deutschen Bundestag, auch mit externen Sachverständigen. Abgeordnete informieren sich nicht nur im Wahlkreis, sondern ganz konkret auch bei denjenigen, die von Gesetzgebungsvorhaben betroffen sind. Das ist Normalität in einer parlamentarischen Demokratie.

Ein Parlament, das sich abschottet und keine Meinungen von außen zulässt, wird seinem Auftrag nicht gerecht. Wir sollten uns davor hüten, jede Vertretung von Interessen gleich unter einen Generalverdacht zu stellen. Vielmehr gehört Interessenvertretung in einer Demokratie dazu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie mir aber gut zugehört!)

Die Grenze ist da überschritten, wo die Interessenvertretung unlautere Ziele verfolgt. Das müssen wir eindämmen; gar keine Frage. Aber Ihr Gesetzentwurf wird dieser Aufgabe nicht gerecht. Ganz im Gegenteil: Der Gesetzentwurf der Fraktion der Linken ist verfassungsrechtlich höchst problematisch. Er beginnt damit, dass ein Bundesbeauftragter für Interessenvertretung installiert werden soll. Gut; das sei so hingenommen. Auch die Breite der Daten, die Sie einfordern, mag noch im Rahmen dessen liegen, was zulässig ist. Aber dass Sie in § 11 Absatz 5 Ihres Gesetzentwurfes die Möglichkeit zulassen, dass der Bundesbeauftragte Wohnungen und Geschäftsräume von Verbänden und Unternehmen jederzeit betreten darf, und zwar ohne richterlichen Beschluss, das verstößt gegen das Recht auf Schutz der Wohnungs- und Geschäftsräume; das ist schlichtweg ein verfassungsfeindlicher Vorschlag.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte daran erinnern, dass es in unserem Rechtsstaat den sogenannten Richtervorbehalt gibt und dass Sie den Beschluss eines Richters oder im Eilfall einer Staatsanwaltschaft brauchen, wenn Sie Geschäftsräume durchsuchen wollen. Dass Sie das hier völlig vergessen oder negieren, zeigt, dass es Ihnen nicht auf rechtsstaatliche Sorgfalt ankam, sondern auf einen schnell und mit ziemlich heißer Nadel gestrickten Gesetzentwurf.

Ich muss auch kritisieren, dass die Vorteilsabschöpfung und die Geldbußen ziemlich außerhalb jeglichen Verhältnisses stehen. In Ihrem Gesetzentwurf fordern Sie, dass bis zu 10 Prozent des weltweiten Umsatzes eines Unternehmens als Geldbuße für die fehlerhafte Registrierung zugrunde gelegt werden können. Da muss ich fragen: Ist da die Verhältnismäßigkeit noch gewahrt? Möglicherweise Geldbußen in Milliardenhöhe für eine fehlerhafte Angabe?

Aber abgesehen davon: Viel verwerflicher ist, dass Sie in diesen Gesetzentwurf keine einzige Rechtsschutzmöglichkeit für diejenigen einbauen, die von dieser Geldbuße betroffen sind, und dass diese Geldbuße in der Tat nicht irgendein unabhängiges Gericht festsetzt, sondern der Bundesbeauftragte selber. Auch das hat mit Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun, und auch da ist der Gesetzentwurf ziemlich schlecht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Das ist schon ein dickes Ding!)

Meine Damen und Herren, natürlich gibt es im Bereich der Interessenvertretungen noch Verbesserungsbedarf.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Was?)

Wir können darüber sprechen, ob wir die Verbänderegistrierung, die es seit 1992 gibt, nicht verbessern, sie durch weitere Möglichkeiten der Information anreichern. Wir müssen auch über die Finanzierung von Lobbyorganisationen oder auch von NGOs sprechen. Die Vorkommnisse um Oxfam beispielsweise haben ganz klar deutlich gemacht, dass wir einen Nachholbedarf haben, auch darauf zu schauen, wie sich sogenannte NGOs finanzieren und was sie mit ihrem Geld machen.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wir sollten auch bei NGOs ähnlich transparent sein, wie wir es bei Parteispenden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die Transparenz in diesem Bereich weist sicherlich noch Nachholbedarf auf.

Insgesamt, meine Damen und Herren, dürfen wir aber eines nicht vergessen: Der Wert des freien Mandates und die freie Interessenvertretung auch der Bürger sind in Einklang zu bringen. Und letzten Endes rechtfertigen wir uns vor den Medien und vor den Bürgern. Aber das sollte nicht Anlass sein, einen schlechten und verfassungswidrigen Gesetzentwurf vorzulegen. Deswegen werden wir Ihren Entwurf ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: In Artikel 13 steht nichts von der Unverletzlichkeit von Geschäftsräumen, sondern nur von der der Wohnung! Sie kennen das Grundgesetz nicht, Herr Kollege!)