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Dr. Matthias Heider: Wir wollen Entwicklung stärken

Rede zum Konjunkturprogramm gegen die Corona-Krise

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wie muss man sich das eigentlich vorstellen, wenn so ein Konjunkturprogramm in einer Krisensituation entworfen wird? Schreitet da der Bundeswirtschaftsminister in einer stillen Stunde die Fotogalerie seiner Vorgänger entlang,

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So macht er das meistens, ehrlich gesagt!)

um dann aus einem geheimen Raum im Bundeswirtschaftsministerium eine goldene Kurbel zu holen, um das Gerät in Gang zu bringen? Das ist ein schönes Bild, aber es ist natürlich nicht so; Sie haben es geahnt.

Ich sage das nur, Herr Riexinger, weil ich den Eindruck hatte, dass Sie glauben, dass nichts getan wird. Im Gegenteil, es werden viele Gespräche mit Vertretern der betroffenen Wirtschaftskreise und Branchen, mit Arbeitnehmern und mit Arbeitgebern geführt. Die Ressorts der Bundesregierung machen Vorschläge; Vereinigungen und Verbände, Bürgerinnen und Bürger und die Parteien machen Vorschläge. Das ist grundsätzlich gut so; wir wollen das ja beraten. Alle Vorschläge müssen sich daran messen lassen, ob sie wirklich zu Wachstum führen. Führen sie zu mehr Wachstum, oder dienen sie nur dazu, den einen oder anderen lang gehegten Wunsch angelegentlich eines bevorstehenden Konjunkturprogramms einfach einmal wieder zum Vortrag zu bringen?

Die alte Frage, die immer wieder zu stellen ist, lautet: Bediene ich in einem Konjunkturprogramm die Angebots- oder die Nachfrageseite? Ich persönlich spreche lieber von einem Wachstumsstärkungspaket; denn wir wollen Wachstum nicht staatlich programmieren; wir wollen Entwicklung stärken. Dazu braucht es unternehmerischen und eigenverantwortlichen Handelns. Das wollen wir ertüchtigen, und die Nachfrage der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie war das noch in der letzten Wirtschaftskrise? Erinnern Sie sich noch an das Wachstumspaket, an die Konjunkturpakete I und II aus den Jahren 2009 und 2010 mit rund 80 Milliarden Euro vor allem für die öffentliche Infrastruktur und allein 27 Milliarden Euro zur Reduzierung von Steuer- und Abgabenlast? In dieser durch die Coronapandemie ausgelösten Krise haben wir es nicht nur mit einem nachfrageseitigen Schock zu tun, sondern mit einem, der gleichzeitig auf Angebots- und auf Nachfrageseite greift. Alle Maßnahmen, die nur Nachfrage, nur Konsum im Fokus haben, greifen daher zu kurz.

So richtig viele Fehler hat man damals bei den Konjunkturpaketen übrigens nicht gemacht, auch wenn der Antrag der Linken das heute insinuiert.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, die Abwrackprämie!)

Im Gegenteil: In den Jahren 2010 und 2011 hat es ein enormes Wirtschaftswachstum – um die 4 Prozent – gegeben, und in den nachfolgenden Jahren, zwischen 2012 und 2019, ist die Wirtschaft durchschnittlich um 1,5 Prozent gewachsen. Das war nach einer solchen Krise damals ein hervorragendes Ergebnis. Und wir hatten 2019 mit 45 Millionen Beschäftigten den höchsten Beschäftigtenstand, den wir in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg jemals hatten

Über 10 Millionen Menschen befinden sich jetzt in Kurzarbeit; bei mir zu Hause, im Sauerland, sind es 50 Prozent der Menschen, die im industriellen Sektor beschäftigt sind. Darauf kommt es jetzt an: Es muss Vertrauen in die Märkte zurückkehren; wir müssen Zukunftsfelder identifizieren; wir müssen Wachstumskräfte entfesseln; wir müssen die Menschen aus der Kurzarbeit zurückbringen. Und es muss schnell gehen, es darf kein Nachfrage-Gap entstehen; das müssen wir vermeiden.

Das erfordert Investitionen, die Beseitigung bürokratischer Hemmnisse, mehr Effizienz in der öffentlichen Verwaltung und ein klares Ja zu Europa und zum Binnenmarkt. Ein erfolgreiches Konjunkturprogramm setzt auf Steuersenkungen, auf Investitions- und Forschungsförderung, auf eine nachhaltige Entwicklung, auf effizienten Ressourcenschutz und auf eine zirkuläre Wirtschaft, auf mehr Stabilität in Europa. „Nachhaltigkeit“ und „Effizienz“, zwei Worte, die ich in Ihren Anträgen fast vergeblich gesucht habe. Nur zweimal im Antrag der Linken und einmal im Antrag der Liberalen habe ich den Begriff „Nachhaltigkeit“ gefunden.

Deshalb sage ich: Wir brauchen gerade jetzt im Automobilsektor eine Verstärkung bei innovativen Fahrzeugtechnologien, so wie es der Wirtschaftsminister heute in seiner Pressekonferenz angekündigt hat. Ich warne in diesem Zusammenhang davor, dass wir zu sehr auf Konjunkturmaßnahmen für einzelne Branchen setzen.

Zum Antrag der Linken. Mir ist aufgefallen, dass sich das, was Sie uns in zwölf Bereichen vorschlagen, auf über 160 Milliarden Euro summiert – wohlgemerkt: jährlich. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Innovationsgießkanne! Wo sind da die Schwerpunkte? Das sind schöne Maßnahmen, aber von denen haben die Beschäftigten in der Stahlindustrie und in der Automobilwirtschaft gar nichts. Damit gibt es auch keine Zukunft für die Beschäftigten im Maschinenbau und auch nicht in der chemischen Industrie.

Wie sich die Linken in diesem Bereich abgearbeitet und dabei einen Milliardenbetrag herausgeholt haben, das ist ungefähr so, als ob man mit einer Pflasterrolle die Blessuren dieser Krise heilen wollte. Was wir brauchen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind echte Medizin und Abwehrkräfte, um das Wachstum zu stärken. Unser Rezept dafür werden wir Ihnen im Juni vorstellen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernd Westphal [SPD])