Skip to main content

Dr. Matthias Heider: Alles läuft relativ schnell

Redebeitrag zur Zahlungsmoral der öffentlichen Hand

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Titel des Antrags der Kolleginnen und Kollegen von der FDP „… abnehmender Zahlungsmoral … begegnen“ hat ein bisschen den Charakter einer These.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Die These ist bestätigt!)

Wir müssen ihn unter die Lupe nehmen, um festzustellen, was da wirklich dran ist; denn das ist eine ernste Sache.

Dem Zentralverband des Deutschen Handwerks liegen auf Nachfrage von dieser Woche keine entsprechenden Zahlen vor, die Ihre Behauptung belegen. Der Zentralverband des Baugewerbes meint sogar, mit der Krise habe sich die Zahlungsmoral insbesondere bei den Kommunen eher verbessert. Der FDP-Antrag verweist – wenn ich das so pauschal sagen darf – auf eigene Blitzumfragen, die Sie bei Architekten und anderen freien Berufen durchgeführt haben; das können wir jetzt nicht so ganz nachvollziehen, aber der Blitz wird schon irgendwo eingeschlagen haben.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ja!)

Die Umfrage der Inkassounternehmen, auf die Sie sich berufen, stammt aus dem Jahr 2019 und hat somit wenig Aussagekraft über das, was sich gerade in der Krise tut.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ich habe das über Jahre erlebt! – Hagen Reinhold [FDP]: Das hat sich schlagartig geändert?)

Der im Antrag angeführte Artikel aus der „Deutschen Handwerks Zeitung“ warnt lediglich vor einem Sparkurs, den die Kommunen jetzt in Deutschland einschlagen könnten. Die IHKs und die Handwerkskammern – ich habe das vorher abgefragt – geben immer wieder zu bedenken, dass eine Vielzahl der nicht sofort bezahlten Rechnungen darauf zurückzuführen ist, dass zu den Rechnungen die entsprechenden Belege fehlen und diese somit nicht vollständig prüffähig sind. Die Bedenken von der FDP scheinen sich in den Erkenntnissen der betroffenen Branchen, die ich gerade zitiert habe, nicht richtig wiederzufinden.

Aber ich glaube, ich weiß, was Sie sagen wollen. Sie haben eine gewisse Sorge, dass sich die Situation in der Krise verschärfen könnte.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Es kann sich gar nicht mehr verschärfen!)

Die Bundesregierung hat diese Sorge natürlich vorausgesehen und entsprechend berücksichtigt. Im Konjunkturpaket ist deshalb unter anderem ein umfangreiches Programm zur Stärkung der Länder und Kommunen vorgesehen; denn dass durch die Krise Probleme entstehen, war absehbar. Es gibt den Kommunalen Solidarpakt 2020, der die Gewerbesteuereinnahmen hälftig ersetzt. Somit kommt es nicht zu Einschränkungen in der Liquidität durch Vorsichtsmaßnahmen aufgrund der Kassen- und Haushaltslage. Beim KfW-Förderkredit ist eine Anhebung des Deckels für Betriebsmittelfinanzierung bei kommunalen Unternehmen vorgesehen; auch das führt nicht zu einer Verschlimmerung. Es gibt Erleichterungen im Vergabeverfahren. Es gibt Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, somit faktisch Direktvergaben. Das läuft alles relativ schnell. Außerdem gibt es – ich sehe den Staatssekretär aus dem Innenministerium – einen Erlass des BMI an das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung schon vom 23. März dieses Jahres, worin sämtliche Dienststellen dazu aufgefordert werden, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass eine unverzügliche Prüfung und Begleichung von Rechnungen ermöglicht wird.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Dr. Heider, erlauben Sie eine Bemerkung oder Zwischenfrage eines Kollegen der FDP?

 

Dr. Matthias Heider (CDU/CSU):

Ja, wenn das bei fortgeschrittener Zeit dienlich ist? – Gut.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Das ist dann auch die letzte, die ich erlaube.

 

Hagen Reinhold (FDP):

Zumindest bringt das vielleicht Erkenntnisgewinn. – Ich melde mich als einer, der tatsächlich selbstständig ist und mit der öffentlichen Hand zu tun hat, auch in diesen Zeiten. Sie haben gerade gesagt: Die Vergabevorschriften ändern sich; es ist alles viel einfacher geworden. – Ich nenne Ihnen ein kurzes Beispiel, damit Sie sehen, was draußen los ist.

Um einen Auftrag überhaupt zu bekommen, müssen Sie sich bewerben und Unterlagen einreichen, egal ob die Vergabe beschränkt ist auf einen bestimmten Anbieterkreis oder ob sie für alle geöffnet ist. Dafür muss man alle möglichen Unterlagen einreichen: von Krankenkassen, der Bauberufsgenossenschaft usw.

Ich habe gerade selber folgenden Fall erlebt: Ich habe Unterlagen eingereicht. Die Behörde kann Unterlagen nachfordern – das hat sie auch gemacht –, und sie hat mir sechs Tage Zeit gegeben, Unterlagen von der Bauberufsgenossenschaft, den Krankenkassen und anderen beizubringen. Man kann es sich vorstellen: Auch die sind alle gerade im Homeoffice und nicht so schnell, wie man sich das erhofft. Nach sechs Tagen waren natürlich nicht alle Unterlagen da, und ich bin von der Vergabe ausgeschlossen worden – so viel zu fehlenden Unterlagen. Im Übrigen passiert es einem zurzeit auch bei der Kontrolle von Rechnungen, dass entsprechende Unterlagen nicht beizubringen sind.

Sie sagen nun den ganzen Unternehmern: „Es läuft alles prima, überhaupt nichts ist zu ändern“, und zweifeln selbst die Zahlen aus 2019 – das letzte vollständige Jahr ist nun mal 2019 – an? Ich finde das ganz schön frech den Leuten gegenüber, die gerade versuchen, ihren Job zu machen, ehrlich.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Dr. Heider.

 

Dr. Matthias Heider (CDU/CSU):

Herr Kollege, nachdem Ihre Kollegen beklatschen, dass Sie anderen Abgeordneten Frechheiten vorwerfen, wollen wir einmal festhalten: In Ihrem Antrag geht es nicht um das Vergabeverfahren, sondern es geht um die Auslösung von Zahlungen. Hinter den Zahlungen – das wissen Sie ganz genau – stecken Steuergelder, und da kann die Verwaltung nicht einfach hergehen und gegen die Kassenbestimmungen der Bundesverwaltung und der Haushaltsordnung verstoßen.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Das haben wir explizit gesagt!)

Die Rechnungen gehören anständig geprüft und dann zur Auszahlung angewiesen. Das ist ein Vorgang, den doch auch Sie als Vertreter der Steuerzahler nicht aufheben wollen, oder? Das kann ich mir nicht vorstellen.

Ich bin bei Ihnen, wenn es darum geht, dass wir im Vergabeverfahren grundsätzlich für eine Verschlankung sorgen müssen, die insbesondere mit Automatisierung und Digitalisierung zusammengeht. Da haben Sie uns an Ihrer Seite, aber nicht mit dem Vorwurf von Frechheiten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Spiering [SPD])

Meine Damen und Herren, es ist nicht zu leugnen – der Kollege hat es angesprochen –: Der Staat ist nicht immer der Schnellste beim Bezahlen der Rechnungen. Auch der Hinweis, dass viele der Beamtinnen und Beamten zurzeit im Homeoffice sind und von dort aus versuchen, die Amtsgeschäfte weiterzuführen, müssen wir in dieser Krisensituation in Rechnung stellen. Von daher: An all die stillen Verwaltungsbeamtinnen und ‑beamten ein herzlicher Dank, dass sie auch in der Krise Deutschland die Stange halten.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss darauf hinweisen, dass rein technisch in der VOB entsprechende Regelungen für Abschlagszahlungen vorgesehen sind, die die Zahlung sicherstellen, auch gegen Bürgschaftsleistungen. Wer also ganz schnell zu seinem Geld kommen muss, kann diesen Weg gehen. Die öffentliche Verwaltung ist, glaube ich, die letzte, die nicht daran mitwirken wird, dass ein Abschlag schnell ausgezahlt wird.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Ich habe, was die Förderung, die wir in den letzten Monaten und Tagen auf den Weg gebracht haben, ein durchweg positives Feedback aus meinem Wahlkreis. Die Förderung kommt an. Die Liquiditätshilfen werden schnell und unbürokratisch über die Länderverwaltungen ausgezahlt. Die Betriebe, die von Kurzarbeit betroffen sind, können über die dortigen Mitarbeiter sehr schnell auf die entsprechenden Mittel zugreifen.

Ja, ich gebe zu: Nicht alle Gewerbe in unserem Land blicken in eine rosige Zukunft. Das gilt insbesondere für das Gastgewerbe. Wenn es jetzt zum Ende der harten Zeit einen Hoffnungsschimmer am Horizont gibt, dann müssen wir ihn nutzen. Aber wir sollten ihn nicht nutzen, um zu beklagen, was gerade vielleicht noch auf uns zurollt; vielmehr sollten wir ihn nutzen, um strukturelle Reformen anzugehen. Wir sollten uns über Digitalisierung im Bereich Vergaberecht weiter Gedanken machen, sodass wir aus dieser Krise einen Nutzen mitnehmen können; also etwas weniger jammern und etwas mehr progressives Vorgehen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)