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Dr. Heribert Hirte: Wir, die nationalen Parlamente, sind beteiligt, wir bleiben beteiligt, und wir wollen beteiligt sein

Rede in der aktuellen Stunde zur Überführung des ESM in einen europäischen Währungsfonds

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns ist eines klar – das verbindet uns mit den Vorschlägen von Macron –: Es geht um eine Stärkung der Euro-Zone. Daran arbeiten wir, und daran werden wir auch gemeinsam mit den europäischen Partnern arbeiten. Ein wichtiger Punkt – Sie haben ihn angesprochen – ist, wie und unter welchen Voraussetzungen wir den ESM in einen EWF überführen können. Darüber haben wir hier schon mindestens zweimal debattiert. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass es auch um die Frage geht – Sie haben sie angesprochen –: Ist die Rechtsgrundlage, die die Kommission dafür nennt, geeignet? Wir sind in unserer Fraktion der Meinung: Nein, Artikel 352 AEUV ist dafür nicht geeignet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das haben wir der Kommission mit Verweis auf das Pringle-Urteil des EuGH auch mitgeteilt.

Die Begründung der Kommission lautet, das Pringle-­Urteil erlaube den ESM neben dem klassischen Regelwerk der Kommission, und deshalb sei Artikel 352 AEUV dafür geeignet. Nein, diese Auffassung teilen wir nicht. Wir sind anderer Meinung, und dabei bleibt unsere Fraktion auch. Da gibt es, anders als Sie gesagt haben, überhaupt keinen Streit. Wir stehen einheitlich zu der Position: Es bedarf einer Vertragsänderung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn es eine solche Vertragsänderung nicht gibt – wären Sie in unserer Fraktionssitzung gewesen, hätten Sie das gehört; auch da ist die Bundeskanzlerin völlig klar gewesen –, dann bleibt es bei dem, was wir haben, nämlich bei der intergouvernementalen Zusammenarbeit. Dann kann man über die Frage nachdenken, wie man im Regelwerk des europäischen Rechts einige Querbezüge herstellt. Damit ist die Frage, die Sie gestellt haben, beantwortet: Es bleibt dann bei der intergouvernementalen Zusammenarbeit. Die Kanzlerin hat das in unserer Fraktionssitzung ausdrücklich so gesagt. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie genau diese Position auch in Brüssel und auf den Europäischen Räten gemeinsam mit dem Finanzminister vertreten wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit ist klar: Wir, die nationalen Parlamente, sind beteiligt, wir bleiben beteiligt, und wir wollen beteiligt sein. Wir werden bei etwaigen Programmen natürlich auch über die Frage nachdenken: Welche Strukturreformen sind einzufordern? Denn das ist ja das Entscheidende. Geld gibt es von uns – dieses Haus hat ja die Budgethoheit – nur dann, wenn uns gesagt wird und wir kontrollieren können, welche Gegenleistung es dafür gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb werden wir der Bundesregierung – gestützt auf Artikel 23 Grundgesetz und das EUZBBG – wahrscheinlich noch ein paar Leitplanken aufstellen. Darüber reden wir im Augenblick. Wir werden sagen, was in Ergänzung zu der möglichen Überführung des ESM in einen EWF, mit den Vorgaben, die ich gerade erläutert habe, noch passieren kann.

Erstens. Ein zentraler Punkt ist eine stärkere Krisenprävention. Was heißt „stärkere Krisenprävention“? Das heißt, wir brauchen eine Risikogewichtung von Staatsanleihen, damit schon im Vorfeld eine solche Krise, die dazu geführt hat, dass wir hier über Jahre hinweg über Euro-Rettungsmaßnahmen debattieren mussten, vermieden wird.

Zweitens brauchen wir – Sie haben es angesprochen, Herr Toncar; da bin ich ganz bei Ihnen – ein Insolvenzverfahren für Staaten. Ich habe das immer wieder gefordert. Wir haben hier Vorschläge dazu ausgearbeitet und gemacht, wie das in den ESM und in den EWF integriert werden könnte. Seien Sie sich sicher: Das ist die Meinung unserer Fraktion. So wird dies auch weitergegeben.

Ob man das dann „Insolvenzverfahren“ oder „Schuldenrestrukturierungsverfahren“ nennt, ist auf den ersten Blick ein Detailpunkt. Auf den zweiten Blick ist das aber nicht ganz so unwichtig; denn wenn Sie einem Staat sagen, er könne pleitegehen, dann ist das etwas anderes, als wenn Sie ihm sagen, Sie würden restrukturieren. Ich möchte das deutlich sagen: Für die Verhandlungssituation ist es schon ein gewisser Unterschied, ob Sie es so oder anders bezeichnen. Deshalb – mein Kollege Christoph Paulus hat das sehr deutlich gesagt – ist der Begriff „Resolvenzverfahren“ besser als „Insolvenzverfahren“, weil es darum geht, ein Land wieder solvent zu machen.

Ein Punkt am Rande, weil es insbesondere um die Frage geht, wie man das einführt: Mir ist es schon wichtig, zu sagen: „Wir können das nicht von einem Tag auf den anderen einführen“; denn das würde natürlich zu Schieflagen in einigen Ländern führen, weil die Märkte plötzlich zusammenbrechen würden. Wir müssen diese Regelungen langsam einführen, aber wir brauchen ordnungspolitisch – das ist richtig, und das ist auch das Richtige an Ihrem Antrag – eine klare Richtung. Die haben wir aber auch, und die haben wir auch einheitlich.

Ein letzter Punkt. Wir brauchen die Bankenrestrukturierung und vernünftige Insolvenzrechte, damit die Banken in den verschiedenen Mitgliedstaaten nicht pleitegehen. Dafür brauchen wir das gemeinsame Verständnis, dass der Fiskus bei Insolvenzverfahren von Privaten und von Unternehmen nicht zugreifen kann. Daneben müssen wir die Non-performing Loans – liebe Kollegen von der AfD, „faule Kredite“ heißt das auf Deutsch – vorher aus den Bankbilanzen herausrechnen. Es kann nicht sein, dass es in Deutschland 3 Prozent und in manchen südeuropäischen Ländern 30 Prozent an faulen Krediten gibt. Diese müssen vorher herausgerechnet werden, und das werden wir unserer Bundesregierung mit auf den Weg geben. Seien Sie sich sicher: Daran arbeiten wir, und Bundeskanzlerin Merkel wird das entsprechend durchsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)