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Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach: Wir bestehen auf einer Klärung

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zu Cum Ex Steuerdeals der Warburg Bank und Rolle der Politik

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Abkürzung „Cum/Ex“ – das ist hier heute schon mehrfach erwähnt worden – steht für einen Milliardenskandal, steht für den Versuch etlicher windiger Manager, den Staat mit hoher krimineller Energie abzuzocken und sich mit dem Geld die eigenen Taschen zu füllen. Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass die Cum/Ex-Machenschaften um den Dividendenstichtag kriminell waren, und das von Anfang an. Das war gemeinwohlschädliche Kriminalität erster Ordnung zulasten des Staates, zulasten des Fiskus. Alle, die dabei mitgemacht haben, wussten um den Rechtsbruch; aber die eigene Gier war stärker als der Respekt vor dem Recht.

Meine Damen und Herren, dass viele der Beteiligten keine Scheu hatten, sich auch hinterher noch als Saubermänner hinzustellen, ist geradezu eine Beleidigung für alle, die in diesem Land Jahr für Jahr ehrlich ihre Steuern zahlen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])

Solche Leute – das möchte ich betonen – sind natürlich keine Gesprächspartner, auch wenn sie einen noch so edlen Zwirn tragen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie sind Kriminelle, die ohne Ansehen ihrer Person bestraft werden müssen. Sie können nicht ernsthaft Gesprächspartner für Politiker sein. Politiker, die sich mit solchen Leuten für einen Steuererlass an einen Tisch setzen, schüren Politikverdrossenheit und schaden dem Ansehen der Demokratie.

Es ist für mich unvorstellbar, dass der Spitzenmann der Warburg-Bank mehrfach über die Rückzahlung seiner Cum/Ex-Steuerschuld über 90 Millionen Euro im Rathaus verhandeln durfte. Ich denke, man hätte ihm besser den Staatsanwalt schicken müssen

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

und nicht den Hinweis: „Schicken Sie das Schreiben ohne weitere Bemerkung an den Finanzsenator“, wie es im Tagebuch heißt. Dessen Finanzbehörde hat wenige Tage später auf 47 Millionen Euro Steuerforderung aus Cum/Ex-Geschäften der Warburg-Bank verzichtet. Warum diese Verjährung im Jahr 2016, meine Damen und Herren? Diese Frage muss beantwortet werden; sie ist bisher nicht beantwortet. Es kann nicht sein, dass heute niemand die politische Verantwortung für diesen Verzicht übernehmen will.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es kann und darf auch nicht sein, dass man dies auf eine kleine Finanzbeamtin schiebt. Wir bestehen auf einer Klärung.

Ich bin weit davon entfernt, Vorverurteilungen vorzunehmen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Wir müssen nachweisen können, dass hier eine politische Einflussnahme stattgefunden hat, die heute letzten Endes nicht bejaht wird. Aber es wurden schon Merkwürdigkeiten und Verbindungen dargestellt, die man als verantwortungsvoller Parlamentarier, der die Aufgabe hat, die Bundesregierung für den Fiskus zu kontrollieren und Dinge gesetzlich zu beraten und darüber zu entschließen, berücksichtigen muss.

Meine Damen und Herren, wir können diesen Cum/Ex-Skandal nicht abschließen. Es laufen noch viele Verfahren. Fachleute sagen, dass es auch heute noch Cum/Cum- und Cum/Ex-Gestaltungen gibt. Vieles muss noch nach- und aufgearbeitet werden. Das ist mühsame Kleinarbeit für den Bundestag, für Steuerbehörden, Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte. Sie müssen dort, wo es nötig ist, weiter gestärkt werden.

Meine Damen und Herren, wir haben durch Gesetzesänderungen dafür gesorgt, dass es zu Verschärfungen im Gesetz gekommen ist. Aber wir haben das Problem, dass wir wegen des Rückwirkungsverbots die Regelung zur Verjährung zum 1. Juli nicht so gestalten und durchsetzen konnten, wie das mehrfach vom Kollegen Brehm für die CDU/CSU-Fraktion vorgetragen wurde. Da muss sofort nachbessert werden.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir diese Woche eingebracht!)

Es kann nicht sein, dass sich die Kriminellen durch diese Verjährungen einen schlanken Fuß machen und zum Schluss über den Gesetzgeber lachen, uns auslachen. Das kann nicht sein, meine Damen und Herren. Auch das gehört zur Glaubwürdigkeit von Politik: Die ergaunerten Millionen und Milliarden Euro gehören in die Kasse des Fiskus. Wir dürfen die Täter nicht davonkommen lassen. Das muss jetzt unsere Aufgabe sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Jetzt haben Sie sich aber einen schlanken Fuß gemacht!)