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Dr. Georg Nüßlein: Wir brauchen mehr moderne Biokraftstoffe

Redebeitrag in der Haushaltswoche zum Einzelplan 16 - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Hilse, wenn Sie von „schämen“ reden, dann empfehle ich Ihnen dringend, noch mal Ihre Rede anzuhören.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Mache ich!)

Das macht Sinn. Ich bin seit 2002 im Deutschen Bundestag, aber eine solche Ansammlung von Unverschämtheiten, von Ignoranz, von Unanständigkeiten,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

eine solche Hetztirade zu einem Thema, das uns allen miteinander eigentlich wichtig sein sollte, habe ich noch nie gehört.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann unterschiedlicher Auffassung sein; aber was Sie gerade in herabwürdigender Weise zu allen hier im Haus, zu vielen Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere denjenigen, die erneuerbare Energien betreiben, gesagt haben, macht einen fassungslos, vollständig fassungslos.

(Andreas Bleck [AfD]: Dann waren Sie 2020 aber nicht oft im Plenum, Herr Nüßlein! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist einfach Hetzerei!)

Was und wie Sie es vortragen, ist auch gegenüber dem Haus hier unangemessen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nun kann man sagen: Den Klimawandel gibt es nicht. – Das ist Ihre Position.

(Andreas Bleck [AfD]: Dann haben Sie wieder nicht zugehört! Zuhören und hinhören!)

– Dann präzisiere ich und sage, dass Sie behaupten, den menschgemachten Klimawandel gibt es nicht. Sie sind zufrieden mit der Präzision? – Sehr schön, wunderbar. Das können Sie so sehen. Die Mehrheit hier im Haus sieht das allerdings durchaus anders.

Ich möchte an dieser Stelle eines ganz besonders unterstreichen: Es ist uns in dieser Legislatur gelungen, Maßnahmen für den Klimaschutz zu beschließen, die nicht in hohem Maße abhängig von der Frage sind: Geht es der Wirtschaft gut, oder geht es ihr schlecht? Ich hatte die Sorge, dass dann, wenn es nicht mehr so läuft wie im letzten Jahr – das ist gerade mal ein Jahr her –, plötzlich all die Dinge, die wir beschließen, infrage gestellt werden. Darum war es aus Sicht der Unionsfraktion wichtig und richtig, dass wir eben nicht mit Zwang, nicht mit ordnungspolitischen Maßnahmen Klimaschutz voranbringen. Vielmehr haben wir gesagt: Lasst uns einen Klimaschutz machen, der technologieoffen ist, der marktwirtschaftlich orientiert ist und bei dem wir insbesondere auf Forschung, Entwicklung und Technologie setzen. – Das ist das Entscheidende.

(Carina Konrad [FDP]: Warum haben Sie das nicht gemacht?)

Wir werden uns nach dieser Krise über die Frage unterhalten müssen, wie wir die Konjunktur wieder in Gang bringen, und dabei spielt natürlich der Klimaschutz eine wichtige Rolle; denn dieses Thema – etliche Kollegen haben es vorhin ja beschrieben – bewegt die ganze Welt. Und unsere Idee, meine Damen und Herren, ist, dass wir als Deutschland die Technologien dafür liefern werden, und darauf bereiten wir uns vor.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Andreas Bleck [AfD]: Das ist aber nur ein frommer Wunsch!)

Deshalb machen die von Ihnen vorhin gegeißelten Milliardeninvestitionen Sinn.

Natürlich haben wir uns auch Gedanken über die soziale Dimension gemacht; die Umweltministerin hat vorhin das Thema „Vermieter, Mieter“ angesprochen. Ich glaube nicht, dass Umverteilung die Lösung ist. Vielmehr sind Anreize, zum Beispiel die Heizung auszutauschen, der richtige Weg an dieser Stelle. Aber wir sehen natürlich die Problematik. Wir machen uns Gedanken über das Verhältnis Stadt/Land; darum hat mich die Rede von Herrn Kindler vorhin ein bisschen erschreckt, weil er offenkundig nur die Stadtperspektive vorgetragen hat, nämlich nur den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und sonst nichts. Wir machen uns natürlich auch Gedanken über die Frage, wie unsere Mobilität auch über Grenzen hinweg erhalten bleibt. Ich teile in keiner Weise das, was vorhin der Kollege Kindler zum Thema „Lufthansa“ gesagt hat. Das ist nicht unsere Politik; das ist beim besten Willen nicht unser Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Andreas Bleck [AfD]: Ab 2021 vielleicht schon!)

– So, jetzt quaken Sie doch nicht immer dazwischen. Hören Sie zu, da lernen Sie was bei der Gelegenheit. Das macht Sinn.

(Andreas Bleck [AfD]: Von Ihnen lernt man nichts!)

Zur EU. Die Diskussion, ob man das Klimaschutzziel der Europäischen Union anheben sollte, wurde von verschiedenen Seiten schon angesprochen. Das scheint offenbar Common Sense zu sein. Wir nehmen das zur Kenntnis, weisen als Union aber ausdrücklich auf die Schwierigkeiten gerade auch für unsere Wirtschaft und auf die Risiken für den letzten verbliebenen Industriestaat in Europa hin. Deshalb: Wenn man auf 55 Prozent kommen möchte, dann brauchen wir innerhalb der EU-Staaten eine andere Form der Lastenverteilung. Es kann nicht sein, dass Deutschland überbordend diese Last trägt und wir am Schluss zu einer Deindustrialisierung unseres Landes kommen. Das ist ganz entscheidend; denn es geht uns beim Klimaschutz ja nicht darum, Industrien zu verlagern, damit die nationale Statistik stimmt, sondern es geht uns darum, dafür zu sorgen, dass sich diese Industrien CO2-orientiert fortentwickeln können, dass sie Rohstoffe einsparen. Und mindestens auf dieses Argument des Rohstoffsparens könnte sich aus meiner Sicht auch die AfD einlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Andreas Bleck [AfD]: Das machen Sie aber nicht!)

– Natürlich machen wir das.

Ich habe vorhin von Technologieoffenheit gesprochen. Dieses Thema beschäftigt mich momentan ganz massiv; deshalb spreche ich an dieser Stelle die Ministerin noch mal ausdrücklich an. Das, was Sie mit der THG-Quote erreichen wollen, ist unterambitioniert. Wir wollen da mehr machen, wir brauchen mehr moderne Biokraftstoffe; denn im Jahr 2030 wird es auch 40 Millionen andere Kraftfahrzeuge geben, und die müssen mit etwas betrieben werden. Wir wollen das möglichst CO2-orientiert voranbringen. Deshalb die dringende Bitte: Wir werden dieser Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinien der EU, so wie Sie sie vorschlagen, nur dann zustimmen, wenn wir hier ambitionierter sind, wenn wir hier auf mehr Klimaschutz, gerade auch bei den Verbrennungsmotoren, setzen. Das ist uns wichtig. Das ist uns ein Anliegen, weil es hier um Technologieoffenheit, aber auch um Zukunft der Mobilität geht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen auch: Ich verfolge mit großer Sorge, was im Hinblick auf die Euro-7-Abgasnorm diskutiert wird. Das scheint mir der Versuch zu sein, den Verbrennungsmotor endgültig aus dem Rennen zu kegeln.

(Karsten Hilse [AfD]: Das ist so! – Andreas Bleck [AfD]: Richtig!)

Das sehen wir mit Sorge; denn es besteht an dieser Stelle keine Notwendigkeit. Da geht es nicht um Klimaschutz, da geht es um ganz andere Dinge, und die lehnen wir ganz explizit ab.

(Karsten Hilse [AfD]: Da werden wir Sie dran erinnern, Herr Nüßlein!)

– Sie werden sehen.

Nun hatten die Vorredner auch recht, die gesagt haben: Es geht bei der Umweltpolitik nicht nur um das Thema Klimaschutz. – Ich unterstreiche all das, was zum Thema „Biodiversität und Naturschutz“ gesagt wurde. Das ist mir persönlich ein Herzensanliegen; das sage ich ganz offen. Ich sehe mit Wohlwollen, wie wir die Themen Insektenschutz und Auenrenaturierung mit diesem Haushalt voranbringen, will aber darauf hinweisen, dass hierbei der deutsche Wald eine besondere Rolle spielen muss. Wir geben eine Menge Geld für den Waldumbau aus und müssen uns stärker auf die Frage fokussieren: Wie sehen denn dort eigentlich die Lebensräume für die Tiere aus? Das ist ganz entscheidend. Da geht es nicht nur um Wild, aber es geht auch um Wild; es geht aber auch um all die anderen Tierarten, denen man einen Lebensraum bieten muss. Deshalb müssen wir auch da ambitionierter werden. Beispielsweise sollte es bei der Novelle des Bundesjagdgesetzes nicht nur darum gehen, Lebensraumanalysen zu erstellen, sondern es sollte auch darum gehen, diesen Lebensraum positiv für die Tiere zu verändern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Thema Kreislaufwirtschaft. Da gibt es eine Menge an Symbolpolitik, zum Beispiel das Verbot bestimmter Einwegplastikprodukte. Nun ist bekanntermaßen Symbolpolitik auch immer entscheidend und wichtig – muss man natürlich machen –;

(Judith Skudelny [FDP]: Nee! – Karsten Hilse [AfD]: Wieso muss man Symbolpolitik machen?)

aber mir geht es mehr darum, das Thema jenseits der Symbole und der Verbote wirklich voranzubringen, indem wir mehr Rezyklate einsetzen. Wir müssen diese Rezyklat-Senken identifizieren, und das BMU, meine Damen und Herren, muss hier dringend Branchendialoge organisieren. In einer Zeit billigen Öls kommen wir in die Situation, am Schluss Recyclingmaterialien nicht einsetzen zu können. Das, muss ich sagen, ist bedauerlich.

Ich will auch noch mal unterstreichen, was vorhin zum Thema „Einweg/Mehrweg“ gesagt wurde. Ich glaube, der richtige Weg ist, jenseits aller Ökobilanzen von allem das Beste und das Zweckmäßige einzusetzen, dann kommen wir umweltpolitisch, pragmatisch und sinnvoll voran. Das ist ein Anliegen der Union, und ich bitte herzlich um Unterstützung bei solcher Gelegenheit.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)