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Christian Haase: Wir müssen in den nächsten Jahren 245 000 Hektar vollkommen neu bewalden

Redebeitrag zum Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist kein Haushalt wie jeder andere. Dies wird kein Haushaltsjahr wie jedes andere. Mit Blick auf die nächsten Jahre und die strukturelle Unterfinanzierung des Gesamthaushaltes stehen wir vor einer echten Zäsur. Wir werden, auch um die Schuldenbremse einzuhalten, mehr priorisieren müssen. Corona ist dabei nicht der Auslöser, hat das Problem aber deutlich verschärft. So weit vor der Klammer.

Meine Damen und Herren, die Coronakrise hat uns vieles gelehrt. Eine wichtige Erkenntnis: Die Landwirtschaft ist genauso wie die Ernährungswirtschaft systemrelevant. Landwirte stellen unsere Lebensmittel her. Was heute nicht gesät oder gepflanzt wird, kann morgen nicht geerntet werden. Deshalb waren zum Beispiel auch die Soforthilfen wichtig. Maßnahmen, die wir in den Nachträgen angelegt haben, spiegeln sich nun auch im Haushalt 2021 wider. Ja, wir erreichen erstmals eine Marke von 7,8 Milliarden Euro. Das ist unterm Strich ein starkes und wichtiges Signal für die Landwirtschaft. Wir dürfen hier nicht nur den Einzelplan 10 sehen; wir müssen in den EKF gucken, wir müssen in den Einzelplan 60 gucken.

Jedoch handelt es sich aus Sicht eines Haushälters nicht um Aufwüchse, mal hier ein bisschen, mal da ein bisschen. Eigentlich sehe ich vor mir einen Haushalt, der wie nie zuvor priorisiert und in dem es teilweise auch starke Einsparungen gibt. Nur drei der sieben nachgeordneten Institute beispielsweise verzeichnen überhaupt Aufwüchse; beim Rest wird gespart. Herr Gottberg, wenn Sie sich mal die BLE oder das BfR angucken, bei denen Sie starke Aufwüchse kritisieren – dort gibt es Organisationsuntersuchungen, dort gibt es Personalbemessungen –, dann werden Sie feststellen, dass sich Ihre Vorwürfe wieder einmal in Luft auflösen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, uns wurde ein solider Haushaltsentwurf vorgelegt. Wir begegnen damit den Themen und Herausforderungen der Zeit. Die Land- und Forstwirtschaft sowie die Ernährungsbranche befinden sich in der Zeit eines Strukturwandels. Damit ziele ich nicht nur auf klimatische Veränderungen und ihre Folgen ab. Auch das, was von der Land- und Forstwirtschaft gesellschaftlich erwartet wird, ist enorm. Längst reicht es nicht mehr aus, Lebensmittel zu produzieren und für sich und die Familie den Unterhalt zu erwirtschaften. Nein, Land- und Forstwirtschaft soll Umwelt- und Klimaschützer sein, Land- und Forstwirtschaft soll Biodiversität im Blick haben, Land- und Forstwirtschaft soll sich ständig wandelnden gesellschaftlichen Ernährungsbedürfnissen anpassen, und wenn überhaupt noch Tiere gehalten werden, dann doch bitte mit zugehörigem Wellnessbereich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, auch wenn ich überspitze, so ist doch in jeder sarkastischen Bemerkung auch ein Funke Wahrheit. In meinen Gesprächen mit der heimischen Landwirtschaft erkenne ich: Wir sind bei diesen Dingen am Limit. Da sind es noch nicht einmal die Auflagen, die die Bauern vor Ort meistern. Vieles davon wird bereitwillig umgesetzt. Frau Kollegin Ihnen, wenn Sie zum Beispiel über Bremsen bei Pflanzenschutzalternativen sprechen, dann sollten Sie nicht auf das BMEL, sondern auf das UBA gucken. Letzteres macht den Landwirten Sorgen, nicht das BMEL.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, unsere Bauern üben ihren Beruf aus Leidenschaft zu Vieh und Acker aus. Deswegen schmerzt das Image der bösen und profitorientierten Landwirtschaft, welches viel zu oft, Frau Künast, vermittelt wird. Es stimmt nämlich einfach nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte in einem Land leben, in dem unsere Land- und Forstwirte wirtschaften können, ohne ständig auf Notprogramme angewiesen zu sein. Ich möchte in einem Land leben, in dem man keinen Keil zwischen die ökologische und die konventionelle Landwirtschaft treibt. Und ich möchte in einem Land leben, in dem man Bäuerinnen und Bauern Respekt und Anerkennung entgegenbringt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie das!)

Meine Damen und Herren, ich will zu den Zahlen zurückkommen. Der vorliegende Haushaltsentwurf begegnet vielen dieser Themen, die uns beschäftigen, und unterlegt sie mit entsprechenden Mitteln. So kann die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zusammen mit den Mitteln der Länder im nächsten Jahr 1,9 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Die Digitalisierung der Landwirtschaft wird mit 63 Millionen Euro vorangetrieben. 14 Experimentierfelder sind am Start. Dort wird die Landwirtschaft der Zukunft erprobt. Die von uns, von dem Parlament geforderte Machbarkeitsstudie zur Agrarmasterplattform wird im November vorgestellt. Wir werden Fragen beantworten können wie: Wem gehören eigentlich die Daten, die auf dem Feld entstehen, und wer darf anschließend darauf zugreifen? Das sind wichtige Fragen, die am Anfang eines solchen Prozesses stehen müssen.

Meine Damen und Herren, ich bin auch froh darüber, dass wir vor der Sommerpause ohne Gegenstimme – Frau Künast, auch ohne Gegenstimme von Ihnen – die Ergebnisse der Borchert-Kommission positiv aufgenommen haben. Wir brauchen, so hat es die Ministerin richtig formuliert, an dieser Stelle einen Generationenvertrag. Noch in dieser Legislaturperiode wird das Ministerium eine Strategie zur Umsetzung und damit auch zur Finanzierung vorlegen.

Trotzdem müssen wir schon vorher aktiv werden. Für Tierwohl und Stallumbauten stellen wir mehr als 200 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld – darauf ist von Vorrednern auch schon hingewiesen worden – kann aber nur ausgegeben werden, wenn endlich die Blockaden im Bau- und Emissionsrecht aufgegeben werden und wenn hier keine Ideologie vorangetrieben wird.

Ich komme noch einmal zu weiteren großen Herausforderungen; ich meine den Wald. 1,5 Milliarden Euro stellen Bund und Länder für den privaten und den Kommunalwald zur Verfügung. Trockenheit, Stürme und Schädlingsbefall haben die Wälder in Deutschland massiv geschädigt. Die Dürrejahre haben dafür gesorgt, dass wir in den nächsten Jahren 245 000 Hektar vollkommen neu bewalden müssen. Insgesamt müssen in Deutschland 11 Millionen Hektar an den Klimawandel angepasst werden. Deswegen ist das Geld, das wir dafür einstellen, ein wichtiges Signal für die Erwerbsforstwirtschaft.

Aber es kann nicht sein, dass dann so viel Zeit vergeht, bis die Mittel vor Ort ankommen. Im Herbst hat der PLANAK dazu beschlossen. Bis heute haben nicht alle Länder diese Richtlinien umgesetzt. Daher liegt es nicht am BMEL, sondern an den langsamen Ministerien in den Ländern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das kann und das muss besser werden. Deswegen bin ich froh, dass vom Ministerium eine Waldprämie auf den Weg gebracht wird. Auch da – ich gucke in Richtung BMF – erwarte ich, dass die zögerliche Haltung im BMF aufgegeben wird und dass die Prämie endlich zum Wald kommt. Da müssen wir Blockaden lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine letzte Herausforderung steht nicht mehr vor der Tür; sie ist quasi im Wohnzimmer: die Afrikanische Schweinepest. Das Ministerium, das FLI und die Länder haben bisher gut darauf reagiert. Die Ausbreitung ist am Beginn. Wir wissen nicht, wie sie sich weiterentwickelt; wir müssen das beobachten. Wir wissen nicht, was das noch für den Haushalt an der Stelle bedeuten kann. Ich zumindest bin bereit dazu, auch Mittel umzuschichten, wenn wir hier improvisieren und noch Geld ausgeben müssen. Aber das werden wir im Laufe der nächsten zwei Monate dann noch sehen.

Zum Schluss will ich der Ministerin und dem Ministerium für die Vorarbeiten danken. Ich denke, wir werden noch einige Diskussionen zum Haushalt führen. Er wird nicht so verabschiedet, wie er eingebracht worden ist. Das ist unser Recht; das werden wir auch in Anspruch nehmen. Ich freue mich jetzt auf die Beratungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)