Skip to main content

Christian Freiherr von Stetten: Wir haben gute Beamte, die gut unterscheiden können, was mildtätig und was gemeinnützig ist

Rede zur Förderung des Ehrenamts

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich gestern erfahren habe, dass die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen heute kurzfristig über einen Antrag auf Förderung des Ehrenamts im Deutschen Bundestag debattieren möchte, habe ich mich, ehrlich gesagt, sehr gefreut; denn wir, Regierung und Opposition, können in der Tat gemeinsam viel für die Millionen ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger erreichen. Wir könnten zum Beispiel die Haftungsrisiken für ehrenamtlich engagierte Vorstandsmitglieder weiter beschränken. Wir könnten bürokratische Vorschriften für Sportvereine bei den Aufzeichnungspflichten im Zusammenhang mit dem Mindestlohn beschränken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir könnten die Übungsleiterpauschalen erhöhen. Wir könnten die Ehrenamtspauschalen erhöhen. Wir könnten für die Mitarbeiter der Feuerwehren, der Hilfsorganisationen und des THW viel tun. Wir könnten generell die Bedeutung des Ehrenamts in Deutschland stärken und für mehr Respekt vor der Tätigkeit der ehrenamtlich Tätigen sorgen.

Ich habe mich also auf die heutige Debatte gefreut. Aber nachdem ich Ihnen zugehört habe, liebe Frau Kollegin Dr. Rottmann, und den Antrag Ihrer Fraktion gelesen habe, muss ich sagen: Für die Millionen ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland haben Sie gar kein Verständnis. Für diese ist die heutige Debatte gar nicht gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durchsichtiges Manöver!)

Was Sie hier betreiben, ist reine Klientelpolitik für Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe, wie Sie selber gesagt haben.

Wir haben Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, die der Auffassung sind, dass die Deutsche Umwelthilfe ein reiner Abmahnverein ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Umwelthilfe hat bundesweit gerade einmal 350 Mitglieder, verfügt aber über fast 100 gut bezahlte Mitarbeiter und nimmt allein durch Abmahnungen über 2 Millionen Euro im Jahr ein.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Ich habe das Gefühl, dass die Deutsche Umwelthilfe nicht zu den Vereinen gehört, die wir in Zukunft weiterhin stärken sollten und die entsprechende Privilegien genießen sollten. Solche Vereine müssen in Zukunft sehr genau erklären – das ist sicherlich richtig und auch eine Forderung der FDP –, worin die Gemeinnützigkeit oder sogar die Mildtätigkeit ihres Tuns besteht, wenn sie sich zu einem so großen Anteil über Abmahngebühren finanzieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn Ihr Gesetzentwurf? – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer finanziert die denn?)

Wenn ich Ihre Rede richtig verstanden habe, wollen Sie demokratisch gewählten Parteien und Fraktionen auch noch verbieten, solche Pseudovereine zu kontrollieren und zu kritisieren.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Legen Sie doch einen Gesetzentwurf vor!)

Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass dem Tun solcher Vereine ein Riegel vorgeschoben wird. Wir denken darüber nach, ob wir die Abmahngebühren in Zukunft weiterhin den Abmahnvereinen zur Verfügung stellen oder ob wir diese Gebühren in die Staatskasse einzahlen lassen. Dann ist es mit der bisherigen Klageflut vorbei.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wir sollten in Zukunft stärker unterscheiden – darin sollten wir uns einig sein – zwischen gemeinnützigen und mildtätigen Vereinen auf der einen Seite und solchen auf der anderen Seite, die die Gemeinnützigkeit als Deckmantel für ihre Interessen nutzen.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Herr von Stetten, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Rottmann?

Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU):

Selbstverständlich.

Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Wenn Sie etwas gegen Abmahnungen unternehmen wollen – das kündigt Ihre Regierung seit Monaten an –: Warum gibt es dazu noch immer keinen Gesetzentwurf?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum wollen Sie stattdessen den Finanzämtern ins Geschäft pfuschen? Von uns gibt es dazu einen Antrag mit vielen Anregungen. Diesen gebe ich Ihnen gerne mit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU):

Wir haben ja im Zusammenhang mit der europäischen Datenschutzrichtlinie erfahren, was da auf uns zukommen kann und was für ein Geschäftsmodell da läuft. Deswegen freue ich mich, dass in unseren Fraktionen darüber nicht nur debattiert wird, sondern auch Handlungslösungen gesucht werden.

Was Sie jetzt allerdings vorschlagen, ist, dass wir dafür eine neue Behörde gründen sollen, obwohl ich glaube: Unseren Finanzämtern kann man bei diesen Themen keinen Vorwurf machen. Ich denke, wir haben gute Beamte, die gut unterscheiden können, was mildtätig und was gemeinnützig ist, die auch ehrenamtlich engagierte Vorstände in diesen Punkten unterstützen.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der Gesetzentwurf?)

Wenn Sie jetzt eine neue Behörde ins Leben rufen wollen, dann glaube ich:

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der neue Gesetzentwurf?)

Es ist besser, das Geld, das da ausgegeben werden soll, den Vereinen, die ehrenamtlich arbeiten, zur Verfügung zu stellen.

Aber wir freuen uns auf die Debatte mit Ihnen. Wenn Sie plötzlich mit dabei sind, in Zukunft Abmahnvereine und Abmahnkanzleien in die Schranken zu weisen, dann können wir hier einen einstimmigen Beschluss im Deutschen Bundestag fassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie einen Vorschlag!)

Wir werden Ihren Antrag zur weiteren Diskussion in die Bundestagsausschüsse überweisen. Ich sage Ihnen: Ich lade Sie bei dieser Diskussion ein, das Thema mit uns gemeinsam etwas größer zu diskutieren und dann den ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich weitere Verbesserungen zukommen zu lassen. Wir müssen die Vereine und die Hilfsorganisationen stärker unterstützen. Ich bin mir sicher, dass wir das Ehrenamtsstärkungsgesetz aus dem Jahr 2013 jetzt fortschreiben sollten, nachdem einige Jahre ins Land gegangen sind.

Ich bin sehr dafür, dass wir die Übungsleiterpauschale von jetzt 2 400 Euro in dieser Legislaturperiode erhöhen sollten.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden über Gemeinnützigkeit! Ablenkungsmanöver!)

Die Übungsleiter sind längst mehr als Vorturner in Sportvereinen. Die Übungsleiter sind mittlerweile in der Regel der erste Ansprechpartner von Jugendlichen, wenn sie Probleme in der Familie und in der Schule haben. Ich bin auch der Meinung: Wir sollten in Zukunft die Ehrenamtspauschale von jetzt 720 Euro für Vorstandsmitglieder, Schiedsrichter und alle anderen, die sich besonders engagieren, anheben.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ablenkungsmanöver!)

Wenn Sie in Zukunft die Erhöhung der Zweckbetriebsgrenze von 45 000 Euro unterstützen, bin ich auch dabei.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nicht zu viele Versprechungen! Die muss man halten! Vorsicht!)

Vor allem sollte uns allen ein Anliegen sein – Lothar, dafür sollten wir in der Finanzarbeitsgruppe und vor allem auch die Kollegen im Rechtsausschuss besonders viel Zeit verwenden –, bei den Haftungsrisiken unser ehrenamtlich engagierten Vorstandsmitglieder aufpassen.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: D’accord!)

Wir haben so viele Bürgerinnen und Bürger, die sich im Vorstand engagieren wollen, die aber Angst vor den Haftungsrisiken haben, die der Vorstand trägt. Wer möchte schon in einem Ehrenamt mit einem Fuß im Gefängnis stehen?

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Thema!)

Helfen Sie mit, dass wir diesen normalen Bürgern einen besseren Start in das Ehrenamt geben, und hören Sie mit der Klientelpolitik für Abmahnvereine auf! Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie lenken immer ab!)