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Antje Tillmann: Wir werden den Verlustrücktrag erhöhen

Rede zum Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im späteren Verlauf einer Debatte zu reden, ist häufig schwierig, weil viele Themen schon angesprochen wurden.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Aber man kann das ganze Falsche der FDP richtigstellen!)

Das ist heute nicht das Problem. Die Oppositionsfraktionen von ganz links und ganz rechts haben darauf verzichtet, über Steuerrecht zu sprechen. Die FDP hat zumindest über Steuerrecht gesprochen; allerdings hat sie alles aufgeschrieben, was sie sich beim Steuerrecht vorstellen konnte, um ein Problem ganz elegant zu umschiffen, nämlich dass Sie im Finanzausschuss von den elf Maßnahmen neun begrüßt haben.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Christian Dürr [FDP]: Welche waren das?)

Sie hätten in dieser Debatte zu neun Punkten im Steuerhilfegesetz sagen können: Das ist ein erster guter Schritt, das ist eine gute Maßnahme,

(Christian Dürr [FDP]: Also all die, die Sie selbst als nebensächlich bezeichnen, Frau Tillmann!)

das ist ein guter Anfang. – Das haben Sie umgangen – zugegebenermaßen sehr elegant –, indem Sie Ihre Wünsche beim Steuerrecht aufgeschrieben haben. Das ist eine Erweiterung der Debatte, die wir im Nachhinein gerne vollziehen können.

Tatsächlich geht es aber heute um das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz. Da ist – zugegebenermaßen von allen – die Mehrwertsteuersenkung problematisiert worden. Ich habe nicht ganz verstanden, wo die Probleme bei dieser Mehrwertsteuersenkung – abgesehen vom Datum – bestehen; denn auch der Reiche, der jetzt ein Auto kauft und damit vielleicht 3 Prozent spart, sichert natürlich den Arbeitsplatz des Fließbandarbeiters oder des Zulieferers. Die Firma, die diese Autos dann weiterverkauft, kann ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen. Deshalb profitiert natürlich auch der, der das Auto selbst nicht kaufen kann, weil er sicher sein kann, dass er seinen Arbeitsplatz nicht verliert und dass er nicht dauerhaft in Kurzarbeit ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch der Gastronomie, die schon angekündigt hat, dass sie die Mehrwertsteuersenkung nicht weitergeben kann, wollen wir helfen. Wenn die Gaststätte vor Ort tatsächlich fortbestehen kann, weil wir die Mehrwertsteuer senken, dann ist auch das ein guter Effekt der Mehrwertsteuersenkung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Familien, die im Verhältnis einen höheren Prozentsatz ihres Einkommens in den Konsum stecken, profitieren überdurchschnittlich, entweder durch den Erhalt des Arbeitsplatzes oder dadurch, dass sie tatsächlich Geld in der Tasche behalten, das sie in notwendige Maßnahmen wieder investieren können. Wer am Wochenende in den Städten unterwegs war, hat gesehen: Die allermeisten Geschäfte geben die Mehrwertsteuersenkung weiter. Wir werden davon profitieren.

Aber nun sage ich als Steuerberaterin: Ja, der 1. Juli ist eine Herausforderung. Wir haben die letzten 14 Tage sehr intensiv daran gearbeitet, diese Umstellung für die Unternehmerinnen und Unternehmer erträglich zu machen. Während andere lamentiert haben, was alles nicht geht, haben wir uns mit dem Team des Finanzministeriums auf den Weg gemacht und haben Anwendungsbeispiele in einem BMF-Schreiben zusammengeführt. Wir haben sogar eine Billigkeitsregelung gefunden, die zumindest den Juli für Fehler unanfälliger macht. Alles das, was im Monat Juli versehentlich falsch läuft zwischen Unternehmen, kann repariert werden,

(Christian Dürr [FDP]: Und im August? Und im September? Und im Oktober? Und im November? Und im Dezember?)

ohne dass es Schaden für die Unternehmen gibt. Ich danke auch recht herzlich der Koalition und dem BMF, dass uns das gelungen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Unternehmen haben eine gewisse Sicherheit, dass sich nicht jeder Fehler in einer Rechnung tatsächlich bei ihnen auswirkt.

Der größte Posten, fast 20 Milliarden Euro, geht in diese Mehrwertsteuersenkung. Ich danke auch den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Buchhaltern, den Steuerberatern, aber auch den Verkäufern, die sich aufgemacht haben, den 1. Juli zum Erfolg werden zu lassen, obwohl sie vielleicht gedacht haben: Das hättet ihr uns eigentlich nicht antun müssen.

(Christian Dürr [FDP]: Das denken die immer noch!)

Danke an die, die die Ärmel hochkrempeln und Lösungen suchen, im Gegensatz zu denen, die immer nur auf die Probleme hinweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian Dürr [FDP]: Die Vorschläge machen!)

Der zweitgrößte Posten in diesem Paket geht an die Familien. Neben dem Familienentlastungsgesetz aus 2019 mit einer Entlastung von 10 Milliarden Euro entlasten wir Familien in diesem Jahr um weitere 5 Milliarden Euro und setzen das fort, indem wir nämlich 2021 das Kindergeld erneut um 15 Euro anheben – eine Riesensumme, die Familien in die Lage versetzt, jetzt zu investieren, zu konsumieren oder – im schlimmsten Fall – das Kurzarbeitergeld aufzufangen.

(Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin Tillmann – –

 

Antje Tillmann (CDU/CSU):

Ich würde gerne zu Ende reden.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Sie lassen keine Zwischenfrage zu?

 

Antje Tillmann (CDU/CSU):

Ja. – Unternehmerinnen und Unternehmer haben diese Krise zum Teil sehr schwer durchgestanden. Deshalb werden wir den Verlustrücktrag erhöhen. Wir werden den Verlustrücktrag in Höhe von 5 bzw. 10 Millionen Euro möglich machen, damit Liquidität in die Unternehmen kommt, und wir werden die degressive Abschreibung einführen, und zwar für alle Wirtschaftsgüter, um Abgrenzungsprobleme im Hinblick auf digitale und Umweltwirtschaftsgüter zu verhindern. Alle beweglichen Wirtschaftsgüter können mit degressiver Abschreibung begünstigt abgeschrieben werden. Wir werden bei der Gewerbesteuer die Hinzurechnung von Miet-, Pacht- und Schuldzinsen um 100 000 Euro verdoppeln, damit wir keine Substanzbesteuerung in dieser Krise haben. Und wir wollen aus dieser Krise moderner herauskommen, als wir hineingegangen sind: Wir werden zusätzlich einen großen Betrag auf die Forschungszulage drauflegen. Mit bis zu 1 Million Euro können Unternehmen, die forschen, davon profitieren.

Abschließend haben wir die Kommunen im Blick. Sehr viele Investitionen werden in den Kommunen getätigt, etwa in die Schul- und Kindergartensanierung. Wir wollen, dass die Kommunen trotz Krise und trotz wegbrechender Gewerbesteuereinnahmen weiter in Schulen und Infrastruktur investieren können. Schon mit diesem Gesetz werden wir sie um fast 1 Milliarde Euro entlasten. Ein zweiter Schritt wird in den nächsten Wochen folgen: Bund und Länder werden den kompletten Gewerbesteuerausfall erstatten.

Ich glaube, das sind gute Schritte aus der Krise heraus. Versuchen wir, was möglich ist, und versuchen wir nicht, etwas zu verhindern. Diese Krise kann auch wirtschaftlich überstanden werden. Dazu bitte ich Sie, mitzumachen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)