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Annegret Kramp-Karrenbauer: Deutschland braucht ein stabiles, sicheres Europa

Rede zum Einzelplan 14 des Bundesministeriums der Verteidigung

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages! Die Bundeskanzlerin beschrieb heute Morgen die Situation in der Welt, und sie hat zu Recht über den deutschen Beitrag zu den großen politischen Fragen gesprochen.

Wir sind eine der größten Volkswirtschaften der Welt, eine der führenden Kräfte in Europa. Wir müssen und wir können durch überzeugende Politik Antworten geben zum Klimaschutz, zur globalen Migration, zur Digitalisierung. Deutschland kann und darf sich aus der Mitgestaltung der Welt nicht zurückziehen und sich dann vielleicht sogar noch darüber beschweren, dass über unsere Köpfe hinweg und gegen unsere Interessen Entscheidungen getroffen werden.

Das gilt sicherlich auch für die Außen- und Sicherheitspolitik. In Syrien werden weiterhin Städte bombardiert, in Afghanistan verüben Taliban neue Anschläge, Russland hat nach wie vor völkerrechtswidrig die Krim annektiert, China weitet seinen Einflussbereich aus, und der Iran beeinträchtigt die freien Seewege.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Das ist jetzt ein bisschen abenteuerlich!)

Multilateralismus, Demokratie, Freiheit, die Achtung der Menschenrechte, friedlicher Handel zum gemeinsamen Nutzen – all das ist in Gefahr. Und das geht uns in Deutschland etwas an. Wir können nicht achselzuckend wegschauen. Wir können nicht nur darauf hoffen, dass andere dafür sorgen, dass wir in Deutschland sicher und gut leben können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deutschland braucht eine rechtmäßige internationale Ordnung, braucht freien, regeltreuen internationalen Handel, braucht ein stabiles, sicheres Europa. Das ist unser Interesse. Deswegen bringen wir uns ein – diplomatisch, aber auch, ja, mit dem Mittel und dem Einsatz unserer Bundeswehr. Deswegen gestalten wir die Welt gemeinsam mit unseren Partnern mit einem klaren Kompass – in der EU, in der NATO und derzeit auch als Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor drei Wochen war ich im Irak und in Jordanien. Ich freue mich, dass ich an der Stelle auf der Pressetribüne Soldaten vom Einsatzführungskommando in Potsdam willkommen heißen darf.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einige Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus waren dankenswerterweise bei der Einsatzreise mit dabei. Ich glaube, hier spreche ich für alle: Wir alle waren tief beeindruckt von unseren Soldatinnen und Soldaten vor Ort, ihrer Professionalität, ihrer Leistungsbereitschaft. Es ist mir noch einmal sehr bewusst geworden, dass es in diesem Kampf, in diesem Einsatz im Kern um den Kampf gegen den menschenverachtenden Terrorismus des „Islamischen Staates“ geht. Das sollte uns gerade heute, dem Tag, an dem vor 18 Jahren Tausende Menschen in New York und anderen Stellen in den Vereinigten Staaten einem solchen Terror zum Opfer gefallen sind, bewusst sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe im Irak Opfer dieses Terrors getroffen: Jesidinnen; Frauen, deren Familie vor ihren Augen abgeschlachtet wurde; Frauen, die versklavt, die verschleppt, die vergewaltigt worden sind; Frauen, die sich für ihre Heimat sehnlich das wünschen, was für uns hier selbstverständlich ist: sicher zu leben, ihre Familie ernähren zu können, einen Arzt und eine Schule für ihre Kinder zu haben. Auch für diese Frauen sind die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dort im Einsatz. Dafür bin ich von Herzen dankbar.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Unsere Bundeswehr tut damit Gutes. Sie dient unserer Sicherheit, und sie tut dies mit den aktiven Soldatinnen und Soldaten, aber auch mit den Reservisten und den Veteranen. Sie tut dies mit höchstem Engagement, indem sie unsere Partner unterstützt – aktuell zum Beispiel in Mali –, indem sie unser Bündnisgebiet schützt – zum Beispiel in Litauen –, und sie tut dies hier in Deutschland, in unserer Heimat. Sie tut dies, indem sie rasch und unkompliziert hilft, sei es bei Schneechaos in Bayern oder aktuell beim Schutz des Waldes in Deutschland oder auch jetzt im humanitären Sinne nach dem großen Sturm auf den Bahamas, zusammen mit Kameradinnen und Kameraden aus den Niederlanden und aus Frankreich.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Können wir mal zum Thema kommen!)

Der Bundesfinanzminister hat gestern in einem anderen Zusammenhang gesagt: „Weil wir es können.“ Was die Bundeswehr kann, kann sie aufgrund unserer Soldatinnen und Soldaten. Sie dienen Deutschland.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das wissen wir jetzt!)

Es liegt an uns, ihnen die richtigen Rahmenbedingungen für ihr Können zu geben. Deswegen ist es eine gute Nachricht – und dafür bedanke ich mich –, dass der Verteidigungshaushalt steigt, nach dem vorliegenden Entwurf im Jahr 2020 auf rund 45 Milliarden Euro. Das sind 1,7 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr – gut investiertes Geld für unser aller Sicherheit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Viel zu viel!)

Nein, es ist nicht zu viel. Das kann nur jemand sagen, der den Luxus hat, in Sicherheit und in Frieden und Freiheit hier leben zu können. Das muss jeden Tag verteidigt werden, und das kostet Geld.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD])

Wir setzen, meine sehr geehrten Damen und Herren, den Trend fort, und wir können damit auch die Stärkung unserer Bundeswehr fortsetzen. Der schwere Transporthubschrauber, das Mehrzweckkampfschiff 180, die Tranche 4 des Eurofighters, diese wichtigen Projekte können wir jetzt angehen.

Aber klar ist auch: Dieser Anstieg in 2020 alleine genügt nicht. Wir müssen ihn mittelfristig verstetigen. Denn wenn es bei den jetzigen Planungen bleibt, sind wesentliche Projekte gefährdet, Projekte wie etwa die Nachfolge des Tornados, die ja auch und zu Recht der Wehrbeauftragte dringend angemahnt hat, Projekte wie die U-Boot-Kooperation mit Norwegen, um deren Bedeutung alle Fachpolitiker wissen, unabhängig vom Parteibuch, und auch die persönliche Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten. Zum Beispiel wäre die umfassende Versorgung mit Nachtsichtbrillen bei der jetzt vorgesehenen Planung nicht umzusetzen. Ich glaube, wir müssen deshalb noch einmal darüber reden. Denn wer für unser Land den Kopf hinhält und wer von diesem Parlament, von Ihnen, in einen Einsatz geschickt wird, der hat auch einen Anspruch darauf, dass er die vollständige und beste Ausstattung bekommt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das hat etwas mit Sicherheit zu tun. Deswegen ist der Anteil von 1,5 Prozent in den nächsten Jahren und auf lange Sicht von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, den wir brauchen, nicht vom Himmel gefallen, und er ist auch nicht herbeigetwittert worden, sondern wir haben uns selbst dazu verpflichtet auf der Grundlage sorgfältiger militärischer Planungen, die Sie ja eng begleitet haben, und mit der Verankerung in unserem nationalen Fähigkeitsprofil. Diese Planung fügt sich nahtlos in den NATOPlanungsprozess ein.

Dahinter steht die Idee, dass jeder nach seinen Kräften zur gemeinsamen Sicherheit beiträgt, damit am Ende alle haben, was wir gemeinsam brauchen. So wie Polen Panzer bereitstellt, Estland exzellente Cyberfähigkeiten einbringt, Frankreich und Italien auch künftig modernste Fregatten bereitstellen, so müssen auch wir unseren Beitrag leisten. Wenn wir das nicht tun, dann verlieren nicht nur wir, sondern alle im Bündnis diese Fähigkeiten, und damit gefährden wir unsere Sicherheit; denn es ist die konkrete Solidarität von der Planung bis zum Einsatz, die auch den Menschen in Deutschland nützt. Das setzt voraus, dass das, was gebraucht wird, schneller, einfacher, zielgenauer bei den Soldatinnen und Soldaten ankommt.

Ich habe hohen Respekt vor dem, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem zuständigen Amt, aber auch quer durch die Bundeswehr leisten. Immerhin ist es trotz Personalknappheit und Lieferverzögerungen der Industrie in den vergangenen fünf Jahren gelungen, das bewilligte Geld vollständig und auch verantwortungsbewusst auszugeben.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Ausgeben ist einfach!)

Trotzdem wollen und müssen wir gerade bei der Beschaffung noch besser werden, so wie es der Expertenrat und die Taskforce gemeinsam mit Vertretern aus den Personalvertretungen aufgezeigt haben,

(Thomas Hitschler [SPD]: Gute Experten!)

übrigens unter engagierter und fachkundiger Mitwirkung von Mitgliedern dieses Hauses. Herr Dr. Brandl, Herr Gädechens, Herr Hitschler, Herr Rohde, Frau Wiesmann, vielen Dank dafür! Das waren wertvolle Beiträge.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, vermeiden wir eine erneute, groß angekündigte große Reform, lähmende Umbauten. Aber die Vorschläge, auch aus diesem Haus, zeigen, wie man an wichtigen Stellschrauben klug drehen kann, um den Prozess zu beschleunigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben Vertrauen in unsere Soldatinnen und Soldaten, und unsere Soldatinnen und Soldaten müssen uns vertrauen und sich auf uns verlassen können. Dafür brauchen sie die bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und entsprechende Einsatzbedingungen. Das ist auch eine Frage der Wertschätzung des Dienstes, den unsere Soldatinnen und Soldaten leisten, so wie es Wertschätzung ist, dass sie ab 1. Januar des nächsten Jahres in Uniform kostenlos mit der Bahn fahren können,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Martin Hohmann [AfD] – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Da ist nix kostenlos! – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

so wie es Wertschätzung ist, dass wir am 12. November dieses Jahres, dem Geburtstag der Bundeswehr, nach acht Jahren endlich wieder hier vor dem Reichstag ein feierliches Gelöbnis erleben können. Ich lade Sie, werte Abgeordnete des Deutschen Bundestages, dazu schon jetzt recht herzlich ein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Siemtje Möller [SPD])

Lassen Sie uns gemeinsam ein Zeichen setzen, ein Zeichen dafür, dass wir den Dienst wertschätzen, den unsere Soldatinnen und Soldaten tagtäglich hier in Deutschland und überall für unsere Sicherheit leisten!

(Zurufe von der LINKEN)

Es sind Männer und Frauen, es sind Staatsbürger in Uniform aus der Mitte der Gesellschaft, sie sind Teil der Gesellschaft, sie gehören zu uns, und wir alle können stolz auf sie sein;

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Auf die rechtsextremen Netzwerke?)

ich zumindest bin es. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)