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Andreas G. Lämmel: Wir brauchen globale Lieferketten, und wir brauchen keinen Protektionismus

Redebeitrag zum Außenwirtschaftsrecht

Das Pult wird ja nun hundertmal am Tag gereinigt. Ich habe eigentlich Zutrauen zu Frau Dröge, dass sie hier am Pult praktisch nichts hinterlässt. Deshalb war ich etwas schneller.

Lieber Peter Altmaier, herzlichen Glückwunsch natürlich auch von mir zu deinem Geburtstag. Allerdings kann ich dir so ein schönes Geschenk wie das von Frau Dröge, dass die Grünen einem Gesetzentwurf der Koalition zustimmen, leider nicht überbringen. Ich kann dir nur dazu gratulieren, dass wir heute die Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes verabschieden können. Wir trinken natürlich gerne ein Glas mit dir im Anschluss.

Meine Damen und Herren, die gegenwärtige Krise zeigt ja eigentlich zwei Dinge ganz scharf:

Zum Ersten. Deutschland ist Exportweltmeister, und die deutsche Wirtschaft kann ohne Export nicht erfolgreich sein. Das heißt für uns, dass wir offene Märkte brauchen. Wir brauchen globale Lieferketten, und wir brauchen keinen Protektionismus. Das ist die eine Seite.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Reinhard Houben [FDP])

Meine Damen und Herren, die zweite Seite zeigt, dass in der Welt natürlich auch Verteilungskämpfe um neue Technologien, um Wissen, um Patente und um Ähnliches stattfinden. Das beides unter einen Hut zu bringen, ist die eigentliche Kunst; das soll mit der Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes zumindest versucht werden.

Es gibt zwei besondere Teile in dem Gesetzentwurf:

Das eine ist die Umsetzung der EU-Screening-Verordnung. Ich glaube, es ist eigentlich ganz klar, dass wir das mit der Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes machen; denn damit herrschen europaweit gleiche Bedingungen. Ich verlasse mich nicht ganz so hundertprozentig auf die Europäische Kommission wie Frau Dröge. Die Bezeichnung „mögliche Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ ist sehr weitläufig. Hier muss man wirklich mit sehr viel Gefühl rangehen. Wenn diese Dinge zu eng gesehen werden – in Brüssel weiß man ja nie so genau, welche Geisteshaltung in den Organen vorherrscht –,

(Markus Töns [SPD]: Doch! Man muss mit denen nur reden!)

kann das auch nach hinten losgehen; wenn ich es mal so sagen darf. Aber trotzdem setzen wir dieses europäische Recht jetzt in deutsches Recht um. Dazu gibt es eigentlich auch keine Diskussion.

Zum zweiten Teil, zu den Prüffristen. Ich glaube, es ist doch ein großer Fortschritt – Herr Houben, das können Sie doch nicht anders sagen –, dass wir zum Beispiel die Vorprüffrist verkürzen. Die aktuellen Zahlen zeigen ja, dass im Prinzip schon in der Vorprüffrist fast alle Prüfverfahren rausfallen. Wenn das so bliebe, das heißt also, wenn die Prüffälle eben nicht in weitere Prüfungsstufen gehen müssen, hätten wir mit der Verkürzung der Prüffrist ja was richtig Gutes getan, weil die Prüffrist dann nur noch zwei Monate umfasst.

Dass die Prüffristen jetzt überhaupt im Gesetz stehen, war für uns ein sehr wichtiges Anliegen; denn wenn man die Prüffristen wieder ändern will, bedarf es eines Gesetzgebungsverfahrens, das heißt also einer neuen Diskussion hier im Deutschen Bundestag. Verordnungen sind Regierungshandeln, und wir haben uns in verschiedenen Bereichen schon über manche Verordnung der Regierung geärgert, die unseren politischen Willen eigentlich konterkariert. Insofern ist das ein großer Fortschritt, Herr Houben; deswegen kann ich das auch nicht so ganz nachvollziehen.

Sie haben noch etwas angesprochen, und zwar das Thema Evaluierung. Ja, ich finde es super, dass das im Gesetzentwurf behandelt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das ist überhaupt nicht Ausdruck von Misstrauen gegenüber der Regierung oder gegenüber dem Regierungshandeln. Wir müssen doch in einer bestimmten Frist ganz einfach mal überprüfen, ob das Gesetz praktikabel ist, ob wir vielleicht noch mal Änderungen vornehmen müssen.

(Marianne Schieder [SPD]: Das ist bei jedem Gesetz so!)

Das ist der Sinn einer Evaluierungsfrist, und eine solche Frist finde ich toll. Ich würde mir wünschen, dass jedes Gesetz ein Evaluierungsdatum bekommt. Dann würden wir über manche Dinge hier ganz anders diskutieren. Ich denke, diese Form der Gesetzgebung hat eine höhere Qualität, als dies bei manch anderem Gesetz der Fall ist.

Ein weiterer Punkt ist auch sehr wichtig. Oftmals ist es ja so: Man reicht seine Unterlagen bei der Behörde ein. Dann sagt die Behörde: Die Unterlagen sind nicht vollständig. Reichen Sie weitere Unterlagen ein. – Dann werden weitere Unterlagen eingereicht. Dann geht das Prüfverfahren von vorne los. Dann sagt die Behörde wieder: Es fehlen weiterhin die und die Unterlagen. – Und dann startet das Ganze vielleicht zum dritten Mal.

Das ist jetzt anders. Das Verfahren wird nicht dadurch neu begonnen, dass zusätzliche Unterlagen nachgereicht werden müssen, sondern es wird lediglich angehalten. Das ist gerade für Investoren aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Punkt, weil damit auch der Behördenwillkür, dass man ständig neue Unterlagen nachfordert, um sozusagen den Prüfungszeitraum unendlich zu verlängern, ein Riegel vorgeschoben wird. Ich halte das für eine sehr gute Regelung.

Jetzt komme ich zur AfD. Herr Müller, nehmen Sie es mir nicht übel: Das war ja ein ziemlicher Ritt à la Eulenspiegel, den Sie hier vollzogen haben. Überlegen Sie sich das mal selber: Das Finanzamt soll eine Firmenübernahme prüfen.

(Hansjörg Müller [AfD]: Nicht prüfen!)

Das Finanzamt kann sich die Zahlen angucken und vielleicht noch sehen, ob das Unternehmen Steuern gezahlt hat oder nicht. Aber bei der Investitionsprüfung, auf die das Außenwirtschaftsgesetz abzielt, geht es doch um ganz andere Dinge. Insofern ist das für mich ein völlig absurder Gedanke. Sie wollen ja damit suggerieren: Die Firmen kassieren in Deutschland Fördermittel, und dann werden Sie praktisch ins Ausland verkauft.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion.

 

Andreas G. Lämmel (CDU/CSU):

Na ja, wenn Sie die Uhr anhalten, bitte.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Natürlich.

 

Hansjörg Müller (AfD):

Danke, Herr Kollege Lämmel. Danke, Herr Präsident. – Das ist ein Missverständnis. Ich sagte nicht, dass die Finanzämter prüfen sollen – sie sollen keine Firmenübernahmen prüfen; das können sie gar nicht –, sondern ich sagte: Um diesen ganzen Prüfwust, der sehr aufwendig ist – bis zu fünf Ministerien und die Bundesregierung sind beteiligt, und dazu kommen noch Eingaben der EU-Staaten –, grundsätzlich zu verringern, soll eigentlich gar nicht an sich geprüft werden, wie es im Gesetzentwurf steht, sondern man soll, wenn ein Investor ein Unternehmen kauft, einfach nur gucken, wie viele Subventionen oder staatliche Beihilfen, die über die Jahre aufgelaufen sind, schon in diesem Unternehmen stecken. Und die muss ein ausländischer Investor dann der deutschen Allgemeinheit und der deutschen Wirtschaft zurückerstatten. Also, das ist ein völlig anderer Mechanismus, eine Alternative zu dieser aufwendigen Prüfung. Das wollte ich nur sagen, und ich wollte fragen, wie Sie das sehen.

 

Andreas G. Lämmel (CDU/CSU):

Danke für die Aufklärung. Ihre Idee wird durch das, was Sie erklärt haben, aber nicht besser.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Sie kennen doch die Umwegrentabilität von Fördermitteln. Dazu gibt es ja viele Gutachten, zum Beispiel zu GA-Mitteln, zu Mitteln der regionalen Wirtschaftsförderung oder zu Investitionszulagen. Sie wissen ganz genau, dass jeder Euro, der an Fördermitteln in ein Unternehmen fließt – das ist je nach Branche sehr unterschiedlich –, zwischen 5 und 10 Euro Steuermittel generiert. Also, die Denke, dass, wenn eine Firmenübernahme erfolgen soll, man prüfen muss, wie viel da vielleicht vor zehn Jahren an Fördermitteln reingeflossen ist, ist doch absurd.

(Beifall des Abg. Falko Mohrs [SPD])

Das hat auch überhaupt nichts mit dem Schutz deutscher Interessen bei geplanten Firmenübernahmen zu tun.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Sehr gut!)

Also, ich finde diese Idee absurd.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diesen Entschließungsantrag sollten Sie in den Schredder werfen, sodass ihn niemand mehr in die Hände kriegt. Vielleicht verlieren Sie Ihre Wirtschaftskompetenz damit nicht ganz.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und – das muss ich Ihnen auch noch sagen –: Sie fordern einen notwendigen Patriotismus hinsichtlich „Germany First“. Wir wollen mit dem Gesetzentwurf nicht „Germany First“ erreichen. Wir wollen uns nämlich nicht auf die Spur von Trump begeben, sondern wir wollen ein Außenwirtschaftsrecht, das deutsche Interessen schützt, aber den Markt nicht abgeschottet. Das ist der Unterschied zwischen „Germany First“ und dem, was wir heute verabschieden wollen. Insofern ist das, was Sie in Ihren Entschließungsantrag geschrieben haben, überflüssig.

Ich kann nur um Zustimmung werben. Die Grünen haben ja schon zugesagt. Herr Houben, ich denke, die FDP kann eigentlich auch mitmachen.

(Reinhard Houben [FDP]: Sicher nicht!)

Das wäre ja ein gutes Geschenk, wenn wir den Gesetzentwurf heute am Geburtstag von Peter Altmaier auch mit den Stimmen der FDP verabschieden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Reinhard Houben [FDP]: Bei aller Sympathie, Herr Lämmel, sicher nicht!)