Skip to main content

Albert Rupprecht: Mehr Geld, Priorität bei Forschung und Bildung im Haushalt

Redebeitrag in der Haushaltswoche zum Einzelplan 30 - Bundesministerium für Bildung und Forschung

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Sattelberger, Sie werden immer mehr eine Parodie Ihrer selbst.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke mir immer – mit allem Respekt –: Der Mann kann eigentlich wirklich was. Der hat Ideen, der ist auch scharf im Denken, aber immer, wenn es um die Abzweigung geht, ob Sie jetzt ernsthaft bleiben oder Klamauk machen, damit Sie in den Zeitungen Überschriften produzieren, entscheiden Sie sich für den zweiten Weg. – Es ist schade.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Frau Deligöz hat noch vor Kurzem hier gesessen; ich wollte sie ansprechen. Ich mache es trotzdem. Sie hat nämlich heute Vormittag in der Debatte einen bemerkenswerten Satz, an uns gerichtet, geprägt – ich zitiere –:

Sie machen das Notwendige – auch das Richtige –; aber Sie haben keine Vision, Sie haben keine Ziele ...

Zunächst wollte ich mich bei ihr ganz herzlich bedanken. Ich neige das Haupt vor der Aussage, dass wir das Notwendige und das Richtige machen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wage zu bezweifeln, dass sich das auf die Debatte hier bezieht!)

– Nein, das war in der Generaldebatte. Sie ist für unseren Bereich zuständig und hat das durchaus auf diesen Bereich bezogen formuliert. – Ich möchte aber auch auf den Punkt eingehen, den sie darüber hinaus gesagt hat, nämlich, wir hätten keine Vision und keine Ziele.

(Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da hat sie ja recht!)

Ich möchte ein paar Bausteine dieser Vision nennen – die Ministerin hat angesprochen, dass wir seit 2005 die Verantwortung hier haben –:

Es wäre eben nicht ohne unser Zutun möglich gewesen, dass Professor Drosten mit seinem Team in der Charité den PCR-Test, der weltweit Maßstäbe setzt, entwickelt.

Es wäre eben nicht ohne unser Zutun möglich gewesen, dass das deutsche Unternehmen BioNTech als Erstes weltweit die Zulassung für einen Coronaimpfstoff erhält.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Es geht um Geld, nicht ums Zutun!)

Es wäre auch nicht ohne unser Zutun gelungen, dass die Nobelpreisträgerin Charpentier Angebote, die sie weltweit hatte, ausschlägt und sich für den Standort Deutschland entscheidet. Sie hat nämlich in einem Interview 2014 gesagt – ich zitiere –:

Da war schon klar, dass aus der Crispr-Sache etwas Großes werden wird, und dazu brauchte ich eine langfristige Forschungsmöglichkeit. Die Helmholtz-Gemeinschaft und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung boten mir eine Unterstützung an, die besser war als alle anderen Angebote.

Es war unser Beitrag, 2008 die AvH-Professoren in Deutschland zu konzipieren und einzuführen. Deswegen forscht sie auch heute noch am Standort Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anna Christmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch jetzt um die Zukunft und nicht um die Vergangenheit!)

Wir hatten 2005 eine Vision, wie wir das deutsche Wissenschaftssystem verändern wollen, und auch der Haushalt 2021 ist hier ein weiterer Baustein. Ich nenne einige der zentralen Leitbilder, die wir seit 2005 – seit inzwischen 15 Jahren – leben: Exzellenz, Internationalisierung, Verlässlichkeit und Langfristigkeit, Bund-Länder-Pakte, die die Strukturen nachhaltig verändern, und natürlich auch mehr Geld ins System, mehr Geld für die Breite und die Spitze unserer Wissenschaft, das heißt Priorität für Forschung und Bildung in unseren Haushalten.

Zu den Leitbildern im Einzelnen:

Leitbild 1: Exzellenz. Deutschland war vormals die führende Wissenschaftsnation, und es waren die Nazis, die diese Wissenschaftskultur, diese Exzellenz, letztendlich zertrümmert haben mit dem Ergebnis, dass exzellente Wissenschaftler Deutschland verlassen haben.

Es war im Nachkriegsdeutschland keine Selbstverständlichkeit, dass der Begriff „Exzellenz“ gelebt wurde. Ganz im Gegenteil: Er ist bis heute umstritten. Wir haben trotzdem 2005 – gemeinsam mit der SPD übrigens – beschlossen, dass wir die Exzellenzinitiative einführen. Wir haben klar gesagt, dass wir zu diesem Exzellenzprinzip stehen,

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2001!)

weil wir der festen Überzeugung sind, dass es eine wissenschaftliche Verantwortungselite in unserem Land braucht. Wir brauchen die Breite, aber wir brauchen auch die Spitze in der Wissenschaft.

Diese Exzellenzinitiative hat zu einer Aufbruchstimmung in Deutschland geführt, und die Universitätslandschaft – schauen Sie sich die TU, die LMU und viele andere an – hat sich substanziell, nachhaltig verändert. Diese Exzellenzinitiative hat die deutschen Universitäten wachgerüttelt, aufgerüttelt und substanziell verändert.

Leitbild 2: Internationalität. Die Zahlen sprechen für sich: Die Ausgaben des Forschungsministeriums für internationale Vorhaben sind seit 2009 um 72 Prozent gestiegen.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ja, von welchem Niveau? Das ist nicht schwierig!)

Die Zahl der deutschen Studierenden im Ausland hat sich seit 2005 verdoppelt, die Anzahl der Studierenden aus dem Ausland in Deutschland ist seit 2009 um 66 Prozent gestiegen, und die Zahl der ausländischen Professoren, die in Deutschland tätig sind, ist zwischen 2012 und 2018 um 21 Prozent gestiegen.

Man sieht eindeutig: Deutschland ist hoch attraktiv für ausländische Wissenschaftler, und die deutsche Wissenschaft ist weltoffen und international vernetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Leitbild 3: strukturbildende Pakte. Wir haben eine Vielzahl von Bund-Länder-Pakten ins Leben gerufen, die die Wissenschaftsarchitektur im Land substanziell verändert haben und auch heute noch verändern. Die wichtigsten: Pakt für Forschung und Innovation, Exzellenzinitiative – später Exzellenzstrategie –, Hochschulpakt, Innovative Hochschule, Qualitätspakt Lehre, Professorinnenprogramm, Programm „Forschung an Fachhochschulen“, Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, DigitalPakt usw.

Allein für den DigitalPakt, über den wir heute schon diskutiert haben, stehen 6,5 Milliarden Euro im Haushalt.

Zum Pakt für Forschung und Innovation – die Ministerin hat es zu Recht angesprochen –: Wo sonst auf der Welt gibt es Derartiges, dass die außeruniversitären Forschungseinrichtungen für zehn Jahre einen Zuwachs garantiert bekommen, das heißt, 120 Milliarden Euro für diese zehn Jahre garantiert bekommen? Und das ist nur die Grundfinanzierung. Das heißt nicht, dass durch die Projektfinanzierung nicht noch zusätzliches Geld darüber hinaus hinzukommt. Das ist ein sicherer, verlässlicher Aufwuchs, der eine super Grundlage für die Arbeit der außeruniversitären Wissenschaftler bietet.

Als Gegenleistung erwarten wir von den Wissenschaftlern top wissenschaftliche Leistungen, und, Herr Sattelberger, ganz intensiv fordern wir ein, dass die Transferleistungen massiv zunehmen.

Leitbild 4: mehr Geld, Priorität bei Forschung und Bildung im Haushalt. Nur noch wenige Zahlen: Wir haben die Forschungsausgaben seit 2005 von 7 Milliarden Euro auf 20,8 Milliarden Euro gesteigert. Das ist eine Steigerung um 170 Prozent. Aber auch im internationalen Kontext ist das klasse.

Bei der Diskussion, welchen Anteil des Bruttoinlandsproduktes wir für Forschung und Entwicklung ausgeben, messen wir uns oft an den USA. Wie schauten die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren aus? Die USA haben in den vergangenen Jahren bei der Steigerung der Ausgaben, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, eine Stagnation zu verzeichnen. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren eine Steigerung um 19 Prozent erreicht. 2018 haben wir 3,13 Prozent des BIPs für Forschung und Entwicklung ausgegeben.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: 2 Prozent aus der Wirtschaft!)

Die USA liegen mit 2,83 Prozent inzwischen ganz klar hinter uns.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Die absoluten Zahlen sehen ganz anders aus!)

– Das ist verständlich; das ist ein wesentlich größeres Land, würde ich sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Frau Deligöz ist leider immer noch nicht da; ich spreche sie trotzdem noch mal an. Wenn Sie behaupten, wir hätten keine Vision, dann müssen Sie sich vergegenwärtigen, welche Leitbilder wir seit 2005 gelebt haben, welche Ziele wir angestrebt haben und welche finanziellen Mittel wir zur Verfügung gestellt haben. Was haben wir damit erreicht? – Genau das, was wir wollten. Das ist unsere Vision.

Die Grünen verstehen Vision so, dass sie der Wissenschaft sagen, was sie tun oder lassen soll:

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kernforschung ist Teufelszeug, aus der Fusionsforschung müssen wir aussteigen, Forschung zu Sonnenkollektoren soll gefördert werden.

Das ist nicht unser Verständnis; das ist auch nicht unsere Vision. Ganz im Gegenteil! Die Grundlage für Topwissenschaft in unserem Land ist nach unserem Wissenschaftsverständnis: Wissenschaft braucht Freiheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen zum Abschluss: Das ist im Kern einer der wichtigsten Bausteine, Frau Ministerin, den wir in den letzten 15 Jahren beschlossen haben, mit tiefer Überzeugung. Und es war nicht einfach, weil viele Haushaltspolitiker gesagt haben: Das könnt ihr nicht machen. – Dennoch haben wir eine singuläre Konstruktion für die Wissenschaft in unserem Land geschaffen, indem wir im Jahr 2012 das Wissenschaftsfreiheitsgesetz beschlossen haben. Das ist ein Meilenstein, absolut singulär im Bundeshaushalt, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Wissenschaft diese Freiheit verdient,

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war der Bundesrechnungshof!)

und wir anders als die Grünen die Vision von Wissenschaft in Freiheit und nicht die Vorstellung ideologiegetriebener Wissenschaft haben.

Ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU/CSU)