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Rüdiger Kruse: Wir haben einen unglaublichen Zuwachs an Bahnfahrern

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Epl. 12)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, die Debatte war bisher durchaus erkenntnisreich, weil sie nicht klassisch diese Struktur, nach der die Regierung A und die Opposition B oder sogar C sagt und man sich darüber in keiner Weise verständigen kann, verfolgt hat. Vielmehr wurde differenziert debattiert.

Gleichzeitig hat die Debatte dazu beigetragen, Positionen erkennbar zu machen. Das betrifft zum Beispiel die Fragestellung: Wo steht eigentlich Andreas Scheuer – so lange ist er ja noch nicht Minister – als Verkehrsminister? Nach dieser Debatte kann man dann feststellen: Überraschung! Er steht ziemlich weit in der Mitte. – Denn die AfD wirft ihm vor, dass er aus ideologischen Gründen das Auto verrät, und die Grünen sagen, dass er aus ideologischen Gründen den Götzenkult ums Auto weiter fortführt. Das ist das Schicksal der Menschen, die in der Mitte stehen. Sie werden nämlich von beiden Seiten angegriffen. Da wir uns in einem Raum befinden, gibt es noch eine weitere Ebene. Ich würde nach Franz-Josef-Strauß-Manier typischerweise sagen: Konservativ sein bedeutet, an der Spitze des Fortschritts zu stehen.

(Beifall des Abg. Florian Oßner [CDU/CSU] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo haben Sie das denn jetzt her?)

In den Debatten, die ich mit Minister Scheuer führe, rede ich meist – trotz Autobahngesellschaft – über fünf Themen: erstens über die Bahn, zweitens über Digitalisierung, drittens über die Bahn, viertens über Radverkehr, fünftens über die Bahn.

Jetzt betrachten wir vielleicht mal das Kleinste davon – der Kollege Storjohann hat es schon angesprochen –, den Radverkehr. Ich glaube schon, dass wir dafür noch einiges tun können. Das bedeutet aber nicht, dass wir das Thema Auto oder andere Verkehrsträger blockieren wollen. Vielmehr wollen wir, dass es einen guten Mix und die Wahlfreiheit gibt. Wir wollen, dass man sich je nachdem, welches Verkehrsmittel gerade das bessere sein könnte, dieses Verkehrsmittels dann auch bedienen kann. Jeder kennt aus seinem eigenen Leben, dass man eine Zeit lang sehr stark auf das Auto angewiesen war. Wenn Sie aber beispielsweise hier in Berlin unterwegs sind, werden Sie als Verkehrsmittel sicherlich nicht das eigene Auto wählen; denn dann kämen Sie nie pünktlich zu Ihren Terminen. Das heißt, die Wahlfreiheit auszubauen, bedeutet für uns alle dort, wo wir zu Hause sind, einen möglichst guten öffentlichen Nahverkehr zu haben. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, Menschen, die nach wie vor auf das Auto angewiesen sind, ideologisch nicht zu behindern. Auf diesem Kurs sind wir.

Dabei ist aber auch wichtig – dazu sind wir alle in den Gesprächen mit den Kommunalpolitikern –, dass Mittel abgerufen werden. Dabei ist es egal, ob es sich um Breitbandausbau für Schulen oder Radschnellwege handelt. Wir können hier ganz viel beschließen. In meinem netten kleinen Bundesland Hamburg habe ich dann auch mal darauf hingewiesen, dass wir noch so viel Geld für diese Radschnellwege haben und es bisher nur ein Projekt in NRW gibt. Ich habe gefragt: „Haben wir nicht auch etwas?“, und die Antwort erhalten: Ja. Doch, wir haben etwas. Wir haben den Radschnellweg nach Geesthacht. – Den schafft man auch, wenn man nicht so geübt ist wie du, Gero. Aber den gibt es noch nicht. Dann habe ich gefragt: Wann kriegen wir den denn? Als ich dann auf die Übersicht geschaut habe, die ich geschickt bekommen habe, habe ich gesagt: Drei bis vier Jahre sind ja eine lange Zeit. – Da sagt mir mein Referent: Nein, das ist der Zeitraum für die Machbarkeitsstudie. – Das ist natürlich extrem langsam. Ich muss mir keine chinesischen Verhältnisse wünschen, wenn ich sage: Das müssen wir irgendwie beschleunigen; da müssen wir gemeinsam ran.

Zum Thema Bahn: Die Antwort auf die Fragen kann nicht sein, dass auf der einen Seite der Vorstandsvorsitzende Brandbriefe an seine eigenen Leute schreibt, die ein bisschen so aussehen, als ob er vor vier Wochen den Laden übernommen hätte, und auf der anderen Seite aus dem Bundesfinanzministerium die Botschaft kommt: Es gibt kein zusätzliches Geld. – Diese Botschaft kann vor allen Dingen deswegen nicht aus dem Bundesfinanzministerium kommen, weil das Bundesfinanzministerium gar nicht darüber entscheidet. Das tun nämlich immer noch wir. Das Ziel dieser Debatte und dieser Haushaltsberatungen ist ja auch, zu sehen, wo wir die Schwerpunkte setzen.

Natürlich ist es so, dass wir die Bahn ausbauen müssen, und zwar völlig ideologiefrei, weil es das Verkehrsmittel der Wahl ist, wenn man mittlere Strecken überbrücken will. Es ist auch ein sehr häufig genutztes Verkehrsmittel. Wir haben einen unglaublichen Zuwachs an Bahnfahrern. Das ist ja erst einmal positiv. Wir stellen aber fest, dass die nicht alle glücklich sind. Das stellen wir sogar selbst fest, weil wir deren Schicksal ja häufig genug teilen. Das heißt: Da kann man eine ganze Menge verbessern. Da geht es natürlich darum, dass man Mittel bereitstellt. Wir haben das Glück, dass das Unternehmen auch noch uns gehört. Deshalb haben wir aber auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass das innerhalb dieses Unternehmens anständig auf die Schiene gebracht wird.

Elektrifizierung – das war ja eben auch so ein Stichwort – ist wunderbar. Wir müssen die Elektrifizierung aber auch nicht zum Götzenkult erklären. Nicht 99,9 Prozent der Strecken müssen elektrifiziert werden. Es wird auch Strecken geben, wo man etwas anderes machen kann.

(Martin Burkert [SPD]: 70 Prozent!)

– Ja, 70 Prozent sind vorgesehen, genau. Aber man neigt dann ja dazu, wenn man nur 70 Prozent hat, zu fragen: Was macht man mit den restlichen 30 Prozent?

(Martin Burkert [SPD]: Es gibt Strecken, die können gar nicht elektrifiziert werden!)

Es ist vollkommen richtig, zu sagen: Auf den anderen Strecken müssen wir andere umweltfreundliche Möglichkeiten finden. Es kann sein, dass man das mit LNG macht. Man kann das aber auch mit Wasserstoff machen.

(Martin Burkert [SPD]: So ist es!)

Wir haben einen anderen großen Verkehrsträger, das ist die Wasserstraße. Im Koalitionsvertrag haben wir für den einen Träger gesagt, dass wir die Trassenpreise halbieren wollen. Das haben wir erledigt. Für die Binnenschifffahrt haben wir gesagt, dass wir die Befahrungsabgabe streichen wollen. Das ist der nächste Punkt, den wir erreichen müssen.

(Torsten Herbst [FDP]: Dauert aber ein bisschen! – Dr. Christian Jung [FDP]: Immer noch nicht fertig!)

– Wir machen jetzt den zweiten Haushalt in dieser Legislatur. Ihre Ungeduld kann ich ja verstehen. Aber wenn wir das, was im Koalitionsvertrag steht – man könnte ja auch sagen, es reicht auch, wenn es 2021 geschieht –, rechtzeitig auf die Tagesordnung setzen, dann sind wir gut.

Gut wollen wir auch in anderen Bereichen sein. Ich bin zum Beispiel sehr froh, dass wir das Thema LNG durch Förderung des Konzeptes im Bereich der maritimen Wirtschaft nach vorne gebracht haben. Wenn alles gut läuft, werden wir 2022 einen LNG-Port in Deutschland haben. Den Kritikern sage ich: Selbstverständlich ist das nur eine Brückentechnologie, vielleicht in eine Zukunft mit Wasserstoff. Da müssen wir natürlich mehr tun, auch in diesem Haushalt, aber ohne Brücken kommt man auch nicht voran. Deswegen ist es unsere Aufgabe als Politik, auch in diesem Bereich Brücken zu bauen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)