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Michael Stübgen: Die neue Düngemittelverordnung geht intensiv auf die Mängel der alten Verordnung ein

Haltung der Bundesregierung zur unzureichenden Umsetzung der EU-Richtlinien zum Schutz des Wassers vor Nitrateinträgen

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Ostendorff, ich stimme Ihnen zu: 6 : 0 ist ein klares Ergebnis. 6 : 0 ist ein schlechtes Ergebnis. Ich rede im Übrigen nicht vom Fußball. Ich rede von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der vergangenen Woche, die allen sechs Klagepunkten, die die Europäische Kommission gegen Deutschland vorgebracht hat bezüglich der deutschen Umsetzung der Düngemittelrichtlinie von 2006 in nationales Recht, stattgegeben hat. Ich will überhaupt nicht drumherum reden, es ist eindeutig: Wir haben die alte Düngemittelrichtlinie mit der alten Düngemittelverordnung nicht ausreichend entsprechend den Vorgaben der Europäischen Union umgesetzt.

Ich will aber noch einen anderen Punkt nennen, ohne das als Entschuldigung zu werten oder damit auszuweichen: Wir können in ganz Europa beobachten, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die eine intensive Tierhaltung betreiben – in bestimmten Regionen oder überwiegend –, vergleichbare Probleme wie Deutschland haben bei der Umsetzung dieser Düngemittelrichtlinie. Es hagelt Vertragsverletzungsverfahren, Vorverfahren, europäische Gerichtsverfahren und Niederlagen vor dem Europäischen Gerichtshof. Ich will zwei Dinge damit feststellen:

Punkt eins. Es ist in der Tat objektiv schwierig, die Vorgaben für mehr Wasserschutz umzusetzen – den wir alle wollen; das ist in der Tat richtig –, wenn man gleichzeitig Strukturbrüche in der Landwirtschaft verhindern will. Das scheint bei den Grünen überhaupt keine Rolle zu spielen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Billig!)

Zweiter Punkt. Es ist doch ziemlich eindeutig, glaube ich, dass auch die EU-Richtlinie – auch im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse – Fallstricke hat, die nicht unbedingt das Ziel erfüllen, das wir alle erreichen wollen. Deswegen glaube ich, dass in der nächsten Legislaturperiode des Europäischen Parlamentes eine gründliche Evaluierung stattfinden muss, die möglicherweise auch zu Anpassungen und Novellierungen führt.

Ich will jetzt aber bei der Situation bleiben, die wir in Deutschland haben. In der Tat ist klar festzustellen: Die alte Düngemittelverordnung ist nicht ausreichend. Es gibt seit 2017 eine neue Düngemittelverordnung; die ist von der Europäischen Kommission notifiziert worden und gültig, also seit knapp einem Jahr. Natürlich kann man nach knapp einem Jahr noch nicht feststellen, welche Auswirkungen sie hat und ob die Ziele, die wir mit dieser Düngemittelverordnung verfolgen, wirklich ausreichen.

Wie immer gibt es natürlich Gutachter, die behaupten: Das wird alles sowieso nichts; das wird alles noch viel schlechter. – Ich will Ihnen nur eines sagen: Dagegen spricht die Situation vieler landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland, die durch die hohen Anforderungen, die sie mit dieser neuen Verordnung umsetzen müssen, gerade existenziell bedroht werden. Das heißt, wenn das alles nichts wäre, dürfte es ja bei den landwirtschaftlichen Betrieben überhaupt keine Schwierigkeiten geben.

Ich will mich aber nicht so intensiv mit der Vergangenheitsbewältigung beschäftigen, sondern mehr auf die Fakten und Daten, die wir jetzt haben, eingehen. Deutschland hat im letzten Jahrzehnt ein neues Messnetzsystem für Nitrat und andere Schadstoffe im oberflächennahen Grundwasser installiert, das repräsentativer und faktenbasierter ist als das vorherige System. Für dieses System sind viermal so viele Messstellen aufgebaut worden als für das damalige alte Belastungsmessnetz, für das im Prinzip nur dort Messstellen aufgebaut wurden, wo man eine stärkere Belastung des Grundwassers vermutet hatte.

Wir haben seitdem konkrete Ergebnisse in zwei Überwachungszeiträumen, nämlich von 2008 bis 2011 und von 2012 bis 2014. Laut den Ergebnissen, die repräsentativ sicher sind, zeigen 49,3 Prozent der Messstellen geringe Belastungen, also unter 25 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser, 23 Prozent der Messstellen Belastungen, allerdings unter dem Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser, 28 Prozent der Messstellen allerdings Belastungen über dem Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich ist das eindeutig zu viel. Es muss aber auch in der richtigen Relation betrachtet und bewertet werden; denn die Ergebnisse dieser Messzeiträume zeigen auch, dass sich zwischen 2008 und 2014 die Situation des Grundwassers nicht verschlechtert hat. Diese Bewertung ist deshalb interessant, weil es in diesem Zeitraum – Herr Ostendorff, Sie haben das ja gerade aufgezählt – gleichzeitig eine massive Produktionserhöhung in viehhaltenden Betrieben gab. Das heißt, die alte Verordnung hat wenigstens dafür gesorgt, dass sich die Situation nicht verschlechtert hat. Ich stimme Ihnen aber in einem Punkt zu: All das reicht letztendlich natürlich nicht aus.

Die neue Düngemittelverordnung, die wir haben, geht bereits intensiv auf Mängel ein, die die alte Verordnung gehabt hat. Nach Auffassung der Bundesregierung beheben wir mit dieser neuen Verordnung diese Mängel zum großen Teil. Ich muss im Namen des Landwirtschaftsministeriums darauf hinweisen, dass uns bei der Umsetzung von notwendigen Beschlüssen immer wichtig war – und das wird auch so bleiben –, im Zielkorridor zu bleiben, einerseits den Schadstoffeintrag ins Grundwasser gerade in den besonders belasteten Gebieten in Deutschland deutlich zu verringern, auf der anderen Seite aber Strukturbrüche besonders bei unseren viehhaltenden landwirtschaftlichen Betrieben zu vermeiden.

Es ist klar, dass nach knapp einem Jahr die Auswirkungen dieser neuen Verordnung überhaupt noch nicht festgestellt werden können. Wir bemerken aber auch – teilweise besorgt uns das –, dass eine ganze Reihe landwirtschaftliche Betriebe mit der Umsetzung dieser neuen Maßnahmen, die ja jetzt erst greifen und in den nächsten Jahren Wirkung zeigen müssen, vor ganz besondere, teilweise existenzbedrohende Herausforderungen gestellt werden. Ich bleibe dabei: Wir wollen keine Strukturbrüche. Wir wollen eine Verbesserung der Grundwasserqualität. Wir wollen aber auch, dass viehhaltende Betriebe ihre Arbeit in Deutschland weiterhin erfolgreich und am Weltmarkt orientiert machen können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Lassen Sie mich in den letzten Sekunden meiner Redezeit noch auf einen Konstruktionsfehler, den die gültige Verordnung meines Erachtens hat, eingehen. Und zwar dachte ich zunächst, die EU gebe das zwingend vor; das ist aber gar nicht der Fall. Ich muss da ein bisschen ausholen: Wir haben die Situation, dass Industriedünger, also Mineraldünger, sehr klar definiert ist. Er hat den Riesenvorteil, dass, wenn ich ihn in der Fläche auf dem Acker ausbringe, nahezu 100 Prozent der Mineralien, der Nährstoffe, unmittelbar in der Vegetationsperiode verfügbar sind. Damit habe ich die Möglichkeit, die Notwendigkeit des Einsatzes von Düngemitteln geradezu grammgenau pro Hektar zu bestimmen. Nachteilig an Mineraldüngern ist, dass sie überwiegend importiert werden. Der Weltmarkt wird von einigen großen Konzernen beherrscht, und die Rohstoffe für diesen Mineraldünger werden am anderen Ende der Welt unter Bedingungen gewonnen, die das Gegenteil von umweltfreundlich sind.

Deshalb sind wir seit Jahren der Meinung: Wir wollen den Einsatz von Mineraldünger reduzieren bis zu der Möglichkeit, ganz darauf zu verzichten, und mehr sogenannten Wirtschaftsdünger, das heißt Gülle, Mist und Kompost, die ja eh in tierhaltenden Betrieben anfallen, nutzen. Nur hier haben wir die Situation, dass im Gegensatz zum Mineraldünger der deutlich vorteilhaftere Wirtschaftsdünger chemisch-physikalisch nicht so eindeutig funktioniert wie der Mineraldünger. Wir haben die Situation – das ist mittlerweile ganz eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen –, dass bei Wirtschaftsdünger zum Beispiel im Hinblick auf den Stickstoff- oder Phosphorgehalt die Verfügbarkeit dieser notwendigen Nährstoffe für unsere Kulturpflanzen in der Vegetationsperiode deutlich niedriger ist. Sie liegt nach eindeutigen Forschungen zwischen 10 und 60 Prozent, teilweise, wie gesagt, nur bei 10 Prozent. Trotzdem haben wir in unserer Verordnung festgelegt, dass wir den Eintrag mit 100 Prozent ansetzen. Das hat einige schädliche Folgen, nach meiner Einschätzung mehr schädliche Folgen als nützliche.

Wir haben jetzt die Situation, dass viehhaltende Betriebe ihren Dünger nicht mehr auf ihre Flächen bekommen, weil sich die auszubringende Menge aufgrund des Ansatzes von 100 Prozent enorm reduziert hat. Wir haben die Situation, dass diejenigen Betriebe, die sich daran halten, ihre Kulturpflanzen nicht mehr mit genügend Nährstoffen versorgen können. Um nur einmal ein Beispiel zu nennen, in welche falsche Richtung das geht: Insbesondere Biobetriebe betrifft das; denn sie zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie schon seit Jahrzehnten gänzlich auf Mineraldünger verzichten. Sie haben nun das Problem, unter diesen Vorgaben ausreichend Nährstoffe für ihre Pflanzen bereitzustellen.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)

Außerdem haben wir die Situation, dass Ackerbaubetriebe, die eigentlich umsteigen könnten auf Wirtschaftsdünger – das wollen wir doch eigentlich –, sich aufgrund dieser unsicheren Situation scheuen, das zu tun.

Wir erreichen mit dieser Regelung – das ist meine Überzeugung – das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollen. Deshalb denke ich: Wenn wir von der Europäischen Union gezwungen werden – das ist möglich –, müssen wir uns mit dieser Frage noch einmal intensiv beschäftigen, um einen realistischeren, klareren Umgang zu bekommen. Ich glaube, uns eint hier, dass wir mehr für den Schutz des Grundwassers tun wollen. Aber den Eintrag statt mit 10 Prozent mit 100 Prozent anzusetzen, –

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Stübgen, ich bin jetzt gezwungen, Sie auf Ihre Redezeit hinzuweisen.

Michael Stübgen, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:

– ist auf jeden Fall der falsche Weg.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Sehr sachverständig!)