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Marco Wanderwitz: Da Thema Wohnen gehört zu den großen sozialen Fragen unserer Zeit

Rede in der aktuellen Stunde zur Wohnraummiete in Deutschland

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde dann wieder zum Thema sprechen wollen, nämlich zu Bauen und Wohnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Ulli Nissen [SPD]: Sehr gut! – Zuruf von der AfD: Das war ein guter Wanderwitz!)

Ich möchte mit dem beginnen, was die Kollegin ­Hagl-Kehl bereits gesagt hat: Das Thema Wohnen, das wir heute besprechen, gehört in der Tat zu den großen sozialen Fragen unserer Zeit. Wir bearbeiten dieses Thema als Bundesregierung,

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Keine Regierungsmitglieder da!)

und zwar gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen; denn da liegt die gemeinsame Verantwortung für dieses wichtige Thema. Genau deshalb haben wir uns im September letzten Jahres bei der Bundeskanzlerin gemeinsam mit Ländern und Kommunen zum ersten Wohngipfel zusammengefunden, unsere Konzepte übereinandergelegt und uns Hausaufgaben aufgegeben. Für uns, für die Bundesregierung, finden sich diese in unserem Koalitionsvertrag wieder, den wir abarbeiten.

(Dr. Christian Jung [FDP]: Wo ist denn der Minister eigentlich?)

Ich möchte bei der Gelegenheit festhalten, dass es erhebliche regionale Unterschiede in unserem Land gibt. Das sieht man bei dieser Thematik ganz deutlich. Es gibt extrem betroffene Gegenden, zum Beispiel Berlin. Das sind zumeist große Städte, aber auch teilweise Regionen im Umfeld von Boomstädten. Im Gegensatz dazu gibt es Regionen, die vom Thema Mietpreissteigerungen und vom Thema Wohnungsknappheit nicht oder nur sehr gering betroffen sind. Das zumindest gilt es festzuhalten; denn das kommt mir bei der aufgeregten Debatte der letzten Tage manches Mal ein wenig zu kurz. Deshalb ist das Thema „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ auch Teil unserer Antwort auf die Mietprobleme, insbesondere in großen Städten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn in Deutschland in gewissen Regionen 1,5 Millionen Wohnungen fehlen und es gleichzeitig in anderen Regionen einen Leerstand von 2 Millionen Wohnungen gibt, dann muss doch Teil der Lösung sein – und das wollen wir; deswegen gibt es die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, die im Sommer ihre Ergebnisse vorlegen wird –, dass uns unter dem Gesichtspunkt „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ eine proaktivere Strukturpolitik gelingt, durch die nicht mehr, wie bisher, zu viele Menschen aus den strukturschwachen ländlichen Regionen wegziehen,

(Carina Konrad [FDP]: Das gelingt ja super!)

wodurch dort Probleme entstehen, während auf der anderen Seite der Zuzug in die großen Städte ebenfalls Probleme mit sich bringt.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Milchkanne! Sie meinen Milchkanne!)

Deswegen sind wir bei dem Thema Daseinsvorsorge; deswegen sind wir bei dem Thema Milchkanne, Frau Kollegin Göring-Eckardt; deswegen sind wir bei dem Thema Mobilität, und deswegen sind wir bei dem Thema Arbeitsplätze.

Das, was wir uns jetzt in der sogenannten Kohlekommission zum Thema „Strukturwandel in den Braunkohleregionen“ vorgenommen haben, ist gar nicht so schlecht, finde ich. Im Gegenteil: Aus meiner Sicht ist das eine gute Blaupause. In diesem Sinne wird auch die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ im Sommer Vorschläge liefern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte als Erstes nicht über Mieten, sondern über Wohnen im Eigentum sprechen. Warum? Weil wir eines der Länder sind, das im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarländern die niedrigste Wohneigentumsquote hat. Auch das ist Teil des Problems in diesem Land. Wenn nämlich die Wohneigentumsquote höher wäre – so hoch wie in anderen Ländern –, dann hätten wir dieses Mietproblem in geringerem Maße.

Deswegen hat sich diese Bundesregierung vorgenommen, die Wohneigentumsquote zu erhöhen,

(Lachen bei der FDP)

und deswegen ist – auch wenn ich weiß, dass das manchen nicht gefällt, wahrscheinlich weil sie etwas gegen selbstgenutztes Wohneigentum haben – eines der wichtigsten Instrumente, das wir bereits auf den Weg gebracht haben, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, das Baukindergeld:

(Beifall bei der CDU/CSU)

1 200 Euro pro Jahr und Kind für zehn Jahre für junge Familien, die Wohneigentum erwerben wollen, und zwar unabhängig davon, ob sie es im Bestand erwerben oder ob sie dafür neu bauen. Es geht vor allem darum, Familien in Eigentum zu bringen, damit sie künftig Wohneigentümer statt Mieter sind.

(Zuruf von der AfD: Sie können sich kaum noch Strom leisten!)

Deswegen bin ich sehr stolz auf dieses Baukindergeld, das wir binnen sechs Monaten zum Laufen gebracht haben. 1,7 Milliarden Euro sind mittlerweile gebunden. 83 000 Anträge sind gestellt. Die ersten 4 000 haben jetzt ihre Auszahlungen bekommen, gerade mal ein Jahr nachdem die Regierung angefangen hat, zu arbeiten. Ich finde, das ist sehr vorzeigbar.

Wir wollen die Wohnungsbauprämie ertüchtigen und attraktiver machen. Wir haben uns vorgenommen, ein begleitendes Bürgschaftsprogramm zum Eigentumserwerb auf den Weg zu bringen, dies wiederum, wie schon das Baukindergeld, mit der KfW.

Wir appellieren in dem Bereich, in dem wir als Bund keine eigene Kompetenz haben, intensiv an die Länder, dass sie das tun, was dem gesunden Menschenverstand entspricht, nämlich aufhören, beim Thema Nebenkosten an der Grunderwerbsteuerschraube zu drehen. Bayern und Sachsen sind da die beiden Vorbilder: Sie haben es nicht getan. Alle anderen haben zugelangt. Das Mindeste, was da herauskommen muss, ist ein Freibetrag für erstmaligen Wohneigentumserwerb.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben das Thema Bauland als ein Nadelöhr identifiziert, was nicht besonders schwer war, aber wir bearbeiten es auch, und zwar mit einer Baulandkommission, die seit einigen Monaten intensiv arbeitet. Das weiß ich deshalb, weil ich ihr gemeinsam mit einigen Kollegen aus dem Bundestag und vielen Expertinnen und Experten aus den Ländern, Kommunen und Verbänden angehöre; ich leite diese Kommission. Wir wollen das Nadelöhr Bauland beseitigen.

Ich nenne einfach mal ein paar Stichpunkte, die derzeit diskutiert werden. Das ist zunächst das Bauordnungsrecht, insbesondere der Vorschlag, dass die Musterbauordnung deutschlandweit gilt, damit sie nicht nur ein Muster ist und es am Ende nicht doch 16 Landesbauordnungen gibt.

(Zuruf von der FDP: Das wäre ja was!)

Es geht beispielsweise um die Themen „Verdichtung“, „Dachgeschossausbau“ und „Dorfkern“; es geht um ein moderates Mehr an Möglichkeiten des Bauens im Außenbereich,

(Zuruf von der AfD: Carport!)

wo beispielsweise Familien über Land verfügen, auf dem sie gerne bauen würden – zum Beispiel unmittelbar neben dem Bauernhaus, das den Eltern gehört –, was sie derzeit aber nicht können.

(Karlheinz Busen [FDP]: So ein Quatsch!)

Es geht auch um das Thema „Aktivierung öffentlicher Grundstücke“. Die BImA beispielsweise geht da schon voran. Das Eisenbahnsondervermögen ist ein weiteres Thema beim Bund. Aber auch die Länder haben öffentliche Grundstücke. Deswegen haben sie sich verpflichtet, diese zu aktivieren.

Es geht um die Themen „Erbbaurechte“, „kommunale Bodenpolitik“ und um den § 13b Baugesetzbuch, der bis Ende dieses Jahres läuft und – auch wenn die Evaluation nach relativ kurzer Zeit schwierig ist – sich aus meiner Sicht als gut taugliches Instrument erwiesen hat, mit etwas weniger Aufwand schneller zu Ergebnissen bzw. zu Baugenehmigungen zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich komme vom Thema „Wohnen im Eigentum“ zum Thema „Wohnen im Mietobjekt“. Die Bundeskanzlerin hat es vorhin bei ihrer Befragung schon angesprochen: Am Freitag ist mal wieder eine Sitzung des Bundesrats. Da geht es auch um eines der zentralen Instrumente des regierungsseitigen Instrumentenkoffers beim Thema Mietwohnungsbau, nämlich die Sonder-AfA. Sie wird befristet. Das kann man kritisieren. Ich bin sehr dafür, dass wir darüber sprechen, wie man mittelfristig dauerhaft zu einer höheren Abschreibung kommen kann. Aber jetzt soll erst mal dieses Instrument einen Impuls geben. Für den Zeitraum von vier Jahren gibt es dann nicht nur die lineare Abschreibung von 2 Prozent pro Jahr, sondern auch eine zusätzliche Abschreibung von 5 Prozent pro Jahr. Das kostet Steuergeld; das führt zu Steuerminder­einnahmen. Genau deswegen hängt es im Bundesrat: weil die Länder offensichtlich nicht willens sind, ihren Teil zur Lösung beizutragen.

Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt, bei dem ich nicht anders kann, als deutlich zu sagen, dass die Länder hier – bis auf wenige löbliche Ausnahmen – für die letzten Jahre kein Ruhmesblatt vorzuweisen haben, und das ist das Thema „sozialer Wohnungsbau“. Ich sehe hier beispielsweise den Kollegen Wegner, der ja aus Berlin kommt. Wenn ich dann vor meinem geistigen Auge die Berliner Bausenatorin sehe, die am Wochenende auf einer Demo faktisch gegen ihre eigene Politik demonstriert hat, dann stelle ich mir schon die Frage, was für eine Art von Persönlichkeitsspaltung man da haben muss.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)

Berlin hat beim sozialen Wohnungsbau komplett versagt – mit einer linken Bausenatorin.

(Zuruf der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])

Insofern: Machen Sie Ihre Hausaufgaben. Dann können Sie bei dem Thema wieder mitdiskutieren.

Wir als Bund haben jedenfalls 2018 und 2019 den Ländern 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt. Gott sei Dank ist die Grundgesetzänderung, durch die wir ab 2020 wieder selbst in den sozialen Wohnungsbau einsteigen können, durchgegangen, nachdem auch sie im Bundesrat eine kleine Schleife gedreht hat. Bis dahin erwarte ich, dass die Länder – ich habe heute beispielsweise Positives aus Niedersachsen gelesen – endlich mit dem Geld mehr für den Zweck tun, für das es ursprünglich mal vorgesehen war, nämlich Sozialwohnungsbau. Mir ist klar, dass es nur eine investive Zweckbindung gibt und deswegen in den allermeisten Fällen in den letzten Jahren kein Missbrauch der Bundesmittel im eigentlichen Sinne stattgefunden hat. Aber seit der Bund nicht mehr die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau trägt, seit der Föderalismusreform 2006, hat sich der Bestand an Sozialwohnungen in Deutschland halbiert. Dafür tragen die Landesregierungen die Verantwortung, niemand hier in diesem Haus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD] – Zuruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Der letzte Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist das Thema Wohngeldreform. Die werden wir zum 1. Januar 2020 zum Fliegen bekommen – schon wieder; denn die letzte ist noch nicht so lange her. Warum? Weil es nottut. Deswegen will ich ausdrücklich sagen: Wir brauchen regelmäßige Anpassungen der Bedarfssätze. Das kann man Dynamisierung nennen. Wir sind da innerhalb der Bundesregierung noch intensiv am Verhandeln. Aber die Wohngeldreform, wie sie im Koalitionsvertrag steht, steht ebenfalls auf unserer Tagesordnung.

Wir arbeiten das ab, was wir uns vorgenommen haben. Und wenn die Länder und die Kommunen mittun, bin ich guten Mutes, dass wir das Thema nicht morgen gelöst haben, aber dass wir bis Ende der Legislaturperiode erheblich weitergekommen sein werden.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)