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Karsten Möring: Bei einem Verbot für die Verlagerung von Strommengen, hätten wir ein verfassungsrechtliches Problem

Entwurf eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts, über das wir schon bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs gesprochen haben, wurde festgestellt, dass es zwei Unternehmen gibt, die durch den Ausstieg 2011 benachteiligt sind, und zwar RWE und Vattenfall. Das Verfassungsgericht hat uns aufgegeben, diese Benachteiligung auszugleichen. Das ist die Ausgangslage.

Die Varianten, die uns das Verfassungsgericht zur Lösung dieser Frage gelassen hat, mussten wir bewerten, und wir mussten uns entscheiden, was wir machen. Frau Scheer hat bereits darauf hingewiesen, dass wir auf die Möglichkeit einer individuellen Laufzeitverlängerung einzelner Kraftwerke, aber nicht der Gesamtdauer der Nutzung von Atomenergie hätten zurückgreifen können. Wir haben das aber nicht getan, und zwar deshalb nicht, weil wir dieses ständige „Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ nicht machen wollten und weil wir das Vertrauen der Bevölkerung in die Entscheidung, dass es nun einmal so ist und nicht mehr geändert wird, nicht enttäuschen wollten.

Herr Kollege Kraft, Ihre Argumentation, dass wir damit gegen Haushaltsrecht verstoßen oder eine Abwägung hätten vornehmen müssen, zieht ganz einfach deswegen nicht, weil schon das Verfassungsgericht festgestellt hat, dass wir eine politische Entscheidung getroffen haben, die uns zusteht. Es hat allerdings gleichzeitig gesagt, dass es dann notwendig ist, einen Ausgleich für die beschädigten, die benachteiligten Unternehmen zu schaffen, der nicht dem vollen Wertausgleich entsprechen muss. Das machen wir mit diesem Gesetz. Es geht also um Ausgleichsmaßnahmen und nicht um Wertersatz.

Der Gesetzentwurf, der uns heute zur zweiten und dritten Lesung vorliegt, hat sich im Vergleich zur ersten Lesung inhaltlich praktisch gar nicht verändert. Es gab nur eine kleine redaktionelle Änderung. Allerdings hatten wir in der Zwischenzeit im Zuge einer Sachverständigenanhörung eine ganze Reihe von Problemen intensiv diskutiert und sind zu einem Ergebnis gekommen. Meine Kollegin Scheer hat sich eben dahin gehend geäußert, dass sie damit nicht zufrieden ist. Deswegen möchte ich kurz auf die Punkte eingehen und begründen, warum wir das so gemacht haben.

Erster Punkt: Muss Brunsbüttel einbezogen werden oder nicht? Die Antwort ergibt sich aus der Tatsache, dass nicht die Laufzeit in Jahren für ein Kraftwerk, sondern die zugesagte verstrombare Menge dieser Entscheidung zugrunde gelegt wird. Die verstrombare Menge war für Brunsbüttel noch nicht ausgeschöpft. Deswegen muss auch für Brunsbüttel ein Ausgleich infrage kommen. Das geschieht im Zweifelsfall durch Möglichkeiten der Verlagerung der Strommengen.

Zweiter Punkt: ein mögliches Verbot der Verlagerung von Strommengen in Kraftwerke, die in Netzausbaugebieten liegen. Wenn wir ein solches Verbot aussprechen würden, dann hätten wir ein verfassungsrechtliches Problem, weil das nicht mehr durch einen Ausgleich für Benachteiligung gedeckt wäre, und wir hätten ein finanzielles Problem, weil eine solche Form der Benachteiligung de facto eine Art von Enteignung wäre, die dazu führte, dass wir den vollen Wertersatz ausgleichen müssten. Das würde annährend eine Verdopplung der Kosten bedeuten, die wir jetzt schon durch dieses Gesetz in Kauf nehmen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Sind Sie da sicher?)

– Ja, wir sind da ziemlich sicher. Wir haben allerdings nicht selber gerechnet, sondern wir haben uns der Expertise des Bundesumweltministeriums bedient.

(Johannes Kahrs [SPD]: Sie können doch selber rechnen! – Zuruf der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])

– Wir können rechnen, aber die Ausgangslage, lieber Kollege, müssen wir uns schon von den Fachleuten des Ministeriums erläutern lassen können. Auf die Angaben haben wir uns in der Tat verlassen. Ich denke, das ist auch in Ihrem Sinne.

(Gustav Herzog [SPD]: Auf unser Ministerium ist Verlass!)

Oder bezweifeln Sie die Angaben aus Ihrem eigenen Haus? Das kann ich mir jetzt nicht vorstellen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Nein!)

– Nein. Okay, haken wir das also ab.

Es bleibt das Problem des Entschädigungsgebots nach dem Bemühen, Reststrommengen zu übertragen, wenn sie dann doch nicht übertragen werden können. Es geht da um die Frage, wie man das ermittelt. In der Tat ist das ein problematischer Aspekt, weil der Ansatz, den das Gesetz wählt, keinen Betrag nennt, sondern ein Verfahren beschreibt. Dieses Verfahren hat ganz klar zur Folge, dass wir erstens unterhalb des realen Wertes bleiben und damit die Möglichkeiten des Urteils ausnutzen und zweitens erst im Jahr 2023 zahlen müssen. Dass das Unternehmen damit nicht zufrieden ist, kann ich verstehen. Aber zunächst einmal ist, wenn wir das heute beschließen, Gesetz Gesetz.

Bei all diesen drei Punkten, die ich eben genannt habe, sind wir in voller Übereinstimmung mit der Auffassung der Bundesregierung, insbesondere mit der Auffassung des Umweltministeriums. Das möchte ich deswegen betonen, weil wir hier in der Sache eben nicht zusammengekommen sind, Frau Scheer.

(Johannes Kahrs [SPD]: Aber wer ist denn „wir“?)

– Wer ist „wir“?

(Johannes Kahrs [SPD]: Ja!)

– Na, im Moment spreche ich hier für meine Fraktion, Herr Kollege.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und wenn wir das Gesetz beschlossen haben, Herr Kollege Kahrs, dann hat sich das „wir“ erweitert auf die SPD-Fraktion und die CDU/CSU-Fraktion. Das nehme ich jedenfalls an. Also, dann sind wir „wir“. – Okay.

(Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei der FDP – Marianne Schieder [SPD]: Mia san mia! – Ulli Nissen [SPD]: Wir sind wir!)

– Einverstanden. Es ist zwar schon spät, aber das funktioniert noch.

Letzter Punkt. Für den Fall, dass die Bundesrepublik Deutschland in dem Verfahren in Washington zu Leistungen verurteilt wird, sieht das Gesetz vor, dass keine Überkompensation stattfindet, sondern diese Leistung angerechnet wird. Das Thema „Anrechnung von Leistungen“ müssen RWE und Vattenfall klären, und zwar da, wo sie gemeinschaftlicher Eigentümer sind. Sie müssen klären, wie die ideelle Hälfte, die ihnen zusteht, zu verstromen und zu bezahlen ist. Damit das leichter geht und sie darüber nicht ins Streiten kommen, habe ich in der Ausschussberatung ein Verfahren vorgeschlagen. Ich habe darauf hingewiesen, dass das zwischen den Beteiligten geschehen muss, weil wir das nicht gesetzlich regeln können. Das ist Teil der Beschlussempfehlung, auf die man gegebenenfalls zurückgreifen sollte, bevor sich die Beteiligten vor Gericht wiedersehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei meinem Auftritt hier zur ersten Lesung hatte ich dreizehn Minuten und habe Ihnen fünfeinhalb geschenkt. Jetzt schenke ich Ihnen für den Besuch des Sommerfestes der Parlamentarischen Gesellschaft zwei Minuten und eine Sekunde.

Ich danke.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)