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Dr. Klaus-Peter Schulze: Bereits heute stehen große Teile des Grünen Bandes unter Schutz

Rede zu 30 Jahre Grünes Band

Mitten durch Deutschland zieht sich von der Ostsee bis ins Vogtland auf bis zu 200 Meter Breite ein 1 393 Kilometer langes Grünes Band. An der ehemaligen innerdeutschen Grenze wechseln sich verschiedene Landschaftstypen wie Feuchtgebiete und blühende Heideflächen ab und bilden Heimat und Rückzugsraum für viele Tier- und Pflanzen- arten. Zählt man die naturnahen Gebiete im Umkreis von 5 Kilometern hinzu, ergibt sich an der ehemaligen Grenze ein Lebensraumnetz von über 2 200 Quadratkilometern. Das entspricht fast der Fläche des Saarlandes.

Während der über Europa niedergehende Eiserne Vorhang für die Menschen eine Todeszone schuf, verschaffte er der Natur im Grenzgebiet beider deutscher Staaten eine über 30-jährige Atempause, von der wir heute bei unserem Einsatz für den Artenschutz profitieren.

Der vorliegende Antrag der Grünen greift somit ein wichtiges Thema auf, und auch die zweigeteilte Zielsetzung ist grundlegend richtig. In diesem Jahr erinnern wir uns an die friedliche Revolution in der DDR vor 30 Jahren. Das Grüne Band ist ein geeigneter Ort, um auch nachfolgende Generationen über die dunkle Seite der DDR, die Teilung Deutschlands und deren Überwindung aufzuklären. Deswegen gilt es, die vielen bestehenden Vereine und Initiativen zu unterstützen, die sich bereits seit Jahrzehnten ehrenamtlich für die Pflege der Erinnerungskultur einsetzen.

Die Grünen verfolgen mit ihrem Antrag zudem das Ziel, das gesamte Grüne Band in Deutschland als Nationales Naturmonument auszuweisen. Dieses Ansinnen sehe ich kritisch. Bereits heute stehen große Teile des Grünen Bandes unter Schutz. Bundesweit sind bislang 162 Naturschutzgebiete am Grünen Band ausgewiesen. Der Freistaat Sachsen hat bereits 1996 das Band vollständig unter Naturschutz gestellt. In Sachsen-Anhalt stehen von der als Grünes Band identifizierten Fläche bereits fast 80 Prozent unter Naturschutz. Diese gliedern sich auf in 47 Prozent Natura-2000-Gebiete und 30 Prozent Naturparke und Landschaftsschutzgebiete. Lediglich 23 Prozent unterliegen in Sachsen-Anhalt bisher keiner Schutzkategorie.

Eine Umwandlung der kompletten Fläche des Grünen Bandes in ein Naturschutzgebiet würde jedoch etwa die Kommunen bei geplanten Wohngebietserweiterungen und Ausweisung von Gewerbegebieten umfassend einschränken. Hinzu kommt, dass in Thüringen ein Fünftel des Grünen Bandes mit Infrastruktur belegt ist.

Die Forderung nach einer Ausweisung zum Nationalen Naturmonument entspricht damit gewissermaßen dem Einsatz des Hammers, wo eher ein Skalpell nötig ist.

Ich plädiere daher dafür, durch einen Flächentausch gezielt die Lücken zwischen den bereits bestehenden Schutzgebieten des Grünen Bandes unter Schutz zu stellen, um so eine Biotopverknüpfung zu erreichen. Die Grundstückseigentümer durch eine Ausweisung zum Nationalen Naturmonument faktisch vor vollendete Tatsachen zu stellen, halte ich für den falschen Weg. Wirksamer Naturschutz ist schließlich auf die Akzeptanz der Bevölkerung und vor allem der betroffenen Akteure an- gewiesen.

Wird das Grüne Band zu einem Nationalen Naturmonument erklärt, so werden die betroffenen Flächen gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz automatisch zu Naturschutzgebieten aufgewertet. Gerade für die Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen in der Schutzzone wäre dies mit einem drastischen wirtschaftlichen Nachteil verbunden, da konventionelle Landwirtschaft in diesen Gebieten kaum mehr möglich wäre. In Anbetracht der hohen Symbolik des Grünen Bandes als Mahnmal des DDR- Unrechtsregimes halte ich es für nicht zielführend, an dieser Stelle über die Köpfe der Eigentümer hinweg zu entscheiden.

Ich möchte abschließend noch auf einen Punkt eingehen: In ihrem Antrag verweisen die Grünen auf die Notwendigkeit der Biotopvernetzung und warnen davor, dass sich eine Zerschneidung der Landschaft negativ auf das Überleben von Pflanzen und Tieren auswirkt. Aus diesem Grund sollen die verschiedenen Naturschutzgebiete des Grünen Bandes miteinander verknüpft werden. Dieses Argument ist richtig, und gerade in Gebieten mit umfassender landwirtschaftlicher Nutzung sind zusammenhängende und vielseitige Schutzgebiete von großem Wert.

Allerdings ist an dieser Stelle kritisch anzumerken, dass für die Grünen scheinbar die Problematik der Zerschneidung von Landschaften nur dann von Belang ist, wenn es der eigenen Argumentation nutzt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Diskussion zum Umgang mit der Rückkehr des Wolfes. Da stellen sich die Grünen gegen die reglementierte Entnahme von Wölfen und sehen allein im Herdenschutz – und somit in der Errichtung von Zäunen – das Mittel gegen Wolfsrisse. Wenn wir aber in unserer Landschaft kilometerlange, 120 Zentimeter hohe, stromführende und untergrabungssichere Zäune aufstellen, dann zerschneiden wir Lebensräume in undurchdringliche Parzellen. Was bei dem eigenen Antrag richtig ist, kann bei einem fremden Antrag nicht falsch sein. Hier wünsche ich mir vonseiten der Grünen mehr Stringenz.