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Ursula Groden-Kranich: Fehlende Debattenkultur stärkt kein Frauen- und kein Demonstrationsrecht

Rede in der Aktuellen Stunde zur Stärkung der Demonstrationsrechte von Frauen

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Das Grundgesetz sagt in Artikel 1 Absatz 1:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Dies kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Es bezieht sich nicht nur auf Frauen, es bezieht sich nicht nur auf Frauen, die hier geboren sind, es bezieht sich nicht nur auf nichtmuslimische Frauen, sondern auf alle Menschen, die hier in Deutschland leben: auf alle Frauen und auf alle Männer.

Schön, dass sich ausgerechnet die AfD zur Verteidigung der Frauenrechte berufen fühlt! Im Wahlprogramm und in vielen Debatten hat sie noch ein sehr reaktionäres Frauenbild vertreten und eine „gute alte Zeit“ glorifiziert, die es so überhaupt nicht gab, in der Frauen eben nicht selbstbestimmt leben konnten und nicht die Rechte hatten, die wir heute ganz selbstverständlich genießen: Rechte, für die Frauen jahrzehntelang hart gekämpft haben und die vor 100 Jahren beispielsweise in Deutschland im Frauenwahlrecht gemündet sind.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Beatrix von Storch [AfD]: Und die wollen wir abschaffen, oder was ist das für ein Stuss?)

– Dass Sie das nicht verstehen, das wundert mich echt nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin stolz und froh, dass meine Generation und die Generation unserer Kinder diese Rechte haben: das Recht, zu demonstrieren, einen Beruf zu lernen, einen Beruf auszuüben – ohne die Unterschrift des Mannes –, eine Religion auszuüben oder auch nicht, eine Familie zu gründen oder auch nicht, kurz: ein selbstbestimmtes Leben in Würde und Freiheit zu führen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ja, auch ich bin gegen eine aggressive Form des Islams, die ein frauenfeindliches Weltbild vertritt. Ja, es ist für mich völlig inakzeptabel, wenn dieses Frauenbild in Deutschland gelebt wird,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es wird aber gelebt!)

sei es in Flüchtlingsfamilien oder islamischen Familien der zweiten Generation oder welchen Familien auch immer. Es gibt kein Recht, weder in Deutschland noch sonst wo, eine Frau aus verschmähter Liebe oder anderen Gründen zu ermorden. Ich glaube an den deutschen Rechtsstaat und an eine unabhängige Justiz

(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und, wie schon gesagt, an unser Grundgesetz und ganz besonders an seinen Artikel 1.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können es uns einfach machen und hier die Bösen und da die Guten sehen; aber die Welt ist nun mal nicht schwarz-weiß. Das wird die AfD auch noch lernen müssen.

Wir müssen Probleme benennen und bekämpfen, und Gewalt gegen Frauen ist ein Problem. Nicht nur in ausländischen Familien, auch in deutschen Familien, die Sie immer so als Beispiel bringen, werden Frauen geschlagen und Kinder misshandelt. Aber einfache Antworten lösen das Grundproblem leider nicht und hätten es auch vor dreieinhalb Jahren nicht gelöst.

Wenn es darum geht, den deutschen Rechtsstaat zu stärken und für Menschenrechte einzutreten, gern auch besonders für Frauenrechte, gibt es hier im Hause eine ganz breite Mehrheit. Der dürfen Sie sich gern anschließen.

(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])

„Frauenrechte stärken“ ist nicht das, was beispielsweise am Montag hier im Tipi geschehen ist. In einer Gesprächsrunde der Antidiskriminierungsstelle zum Thema „Kultur will Wandel“ über sexualisierte Gewalt in der Filmbranche sind plötzlich junge Frauen von einer rechtsgerichteten Kampagne aufgestanden. Statt auf die Debatte einzugehen, haben sie, ohne das Rederecht der anderen zu akzeptieren, mit Bannern und ohrenbetäubendem Lärm ihre eigenen Thesen vertreten.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Das kennen wir irgendwo!)

Diese Art von fehlender Debattenkultur stärkt jedenfalls kein Frauen- und kein Demonstrationsrecht,

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern schadet jeder sachlichen, kontroversen Debatte, um die es doch angeblich geht.

Wer selber laut und vehement das kritisiert, was ihm nicht gefällt, der muss auch damit leben, dass andere wiederum diese Kritik kritisieren und genauso von ihrem Recht auf Meinungsäußerung Gebrauch machen; denn hier gilt buchstäblich: Gleiches Recht für alle.

(Beatrix von Storch [AfD]: § 21 Versammlungsgesetz! Fünf Jahre Freiheitsstrafe!)

Ich bin überzeugt: Wir müssen keine Demonstrationsrechte von Frauen stärken und auch keine von Männern. Das ist in unserem Grundgesetz geregelt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir müssen unsere Rechte leben, schützen und bewahren, die wir hier in Deutschland bereits haben – für alle Frauen und für alle Männer. Dafür bin ich gewählt worden, von Frauen und Männern, und dafür setze ich mich ein.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)