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Stephan Mayer: Es gibt keinen individuellen Anspruch für eingeschränkt schutzbedürftige Personen auf Familiennachzug

Rede zur Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Es geht bei der Debatte, die wir heute führen, Frau Kollegin Göring-Eckardt, um weit mehr als nur um ein Symbolthema. Es geht aus meiner Sicht um die entscheidende Frage, ob wir weiter erfolgreich Kurs halten bei unserer Strategie der klaren Steuerung, aber auch der Begrenzung der Zuwanderung in unser Land.

Wir waren in den letzten beiden Jahren außerordentlich erfolgreich; das möchte ich an dieser Stelle betonen. Wir hatten im letzten Jahr nur ein Fünftel so viele Asylbewerber wie 2015. Das ist ein klarer Erfolg, und der kommt nicht von ungefähr; denn er resultiert – darauf dürfen wir von der vormaligen Großen Koalition durchaus ein Stück weit stolz sein – aus richtigen gesetzgeberischen Weichenstellungen. Wir haben das Asylpaket I und das Asylpaket II verabschiedet sowie ein Datenaustauschverbesserungsgesetz, ein Integrationsgesetz, das sich wirklich sehen lassen kann, und ein Gesetz zur Einstufung mehrerer Länder als sichere Herkunftsstaaten, und wir haben Grenzkontrollen eingeführt. Also: Der Umstand, dass wir im letzten Jahr nur 200 000 humanitäre Migranten und damit nur ein Fünftel der Zahl von 2015 hatten, ist ein Erfolg der Großen Koalition.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt geht es bei der Frage des Familiennachzugs darum, ob wir im Jahr 120 000 Personen nachziehen lassen wollen. Ich sage ganz offen: Das wäre aus meiner Sicht eine deutliche Überforderung unserer Kommunen. Deswegen sehen wir uns bei dem Gesetzentwurf, den wir heute einbringen, im Einklang mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund. Das wäre eine Überforderung des Arbeitsmarktes und auch eine Überforderung des Wohnungsmarktes.

Ich bin der festen Überzeugung, sehr verehrte Frau Kollegin Högl und sehr geehrter Herr Kollege Lischka, dass der Kompromiss, der vor einer Woche gefunden wurde, durchaus gut und sehenswert und im Sinne aller drei Verhandlungspartner ist. Es bleibt bei der Festlegung, dass es keinen individuellen Anspruch für eingeschränkt schutzbedürftige Personen auf Familiennachzug gibt; aber wir schaffen eine durchaus großzügigere Härtefallregelung als bisher. Es gibt ja schon heute eine Härtefallregelung nach § 22 Aufenthaltsgesetz. Von dieser Härtefallregelung haben bislang pro Jahr aber – das ist wirklich bedenklich – weniger als 100 Personen Gebrauch gemacht. Deswegen glaube ich, dass diese Kontingentierung auf 12 000 Personen im Jahr durchaus angemessen und sachgerecht ist, insbesondere um schwere Härtefälle abzubilden. Und die gibt es.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Mayer, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):

Selbstverständlich.

Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, dass Sie mir die Zwischenfrage erlauben. – Ich durfte in dieser Woche Vertreter der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft treffen. Die haben mir interessanterweise erzählt, dass 50 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverträge, die von Angehörigen ihrer Vereinigung neu abgeschlossen werden, mit ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern abgeschlossen werden. Und sie sagten, das reicht noch nicht. Es geht vor allem um Rumänen und Bulgaren.

Ich gebe Ihnen ja recht, dass die Kommunen nicht überfordert werden dürfen. Aber muss man daraus nicht schließen, dass wir sowieso mehr in Integration investieren müssen, dass wir den Kommunen sowieso helfen müssen, Kinder zu beschulen, die nicht Deutsch können? Wäre das nicht der richtige Weg? Wäre das nicht besser, als zu sagen, wir setzen den Familiennachzug aus? Der Schutz der Familie gilt für alle, auch wenn das hier immer bestritten wird, für alle Familien, egal welchen Schutzstatus sie haben; denn sie bleiben Vater und Mutter, egal ob sie als Kriegsflüchtling anerkannt sind oder nur wegen der Kriegswirren nicht in ihr Land zurückkönnen. Also, ist es nicht falsch, zu sagen, die Kommunen können das nicht leisten? Müssten Sie sich nicht mehr anstrengen, um dafür zu sorgen, dass die Kommunen das leisten können?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):

Sehr verehrte Frau Kollegin, ich bin Ihnen für die Frage sehr dankbar, weil sie mir die Gelegenheit gibt, stärker zu differenzieren. Ich bin der festen Überzeugung, man sollte das eine tun, ohne das andere zu unterlassen. Wir müssen klaren Kurs halten bei der Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung in unser Land. Deshalb sind wir als CDU/CSU – darauf haben wir uns gemeinsam verständigt – für eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs bei subsidiär schutzberechtigten Personen. Aber wir sind auf der anderen Seite auch sehr wohl der Auffassung – ich habe das Bundesintegrationsgesetz genannt, das wir gemeinsam mit der SPD in der letzten Legislaturperiode erarbeitet und verabschiedet haben –, dass wir mehr tun müssen, um die Menschen, die eine dauerhafte Bleibeperspektive haben, schnellstmöglich in unsere Gesellschaft und vor allem auch in die kommunalen Strukturen und den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Im letzten Jahr haben wir allein als Bund deutlich über 600 Millionen Euro für Integrationsmaßnahmen ausgegeben. Daneben machen auch die Bundesländer sehr viel. Sie haben den Freistaat Bayern genannt. Allen Unkenrufen zum Trotz muss man hier unumwunden feststellen: Keines der 16 Bundesländer macht so viel in puncto Integration von Flüchtlingen wie der Freistaat Bayern.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt nicht! Hessen macht mehr!)

Ich bin vor allem der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, die Sie genannt haben, sehr dankbar dafür, dass die bayerischen Wirtschaftsunternehmen sich beispielsweise bereit erklärt haben, 60 000 Ausbildungs- und Praktikumsplätze für Flüchtlinge anzubieten. Das ist ein erfolgreicher Schritt in Richtung gute Integration.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie sich mal den Aktionsplan von Hessen an!)

Aber das bedeutet im Umkehrschluss doch nicht, dass wir nicht klaren Kurs halten müssen, um unsere Strukturen nicht zu überfordern.

Ich bin der festen Überzeugung, dass eine zügellose und unumschränkte Zulassung des Familiennachzugs zu subsidiär schutzberechtigten Personen eine Überforderung darstellen würde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte dazusagen: Es handelt sich hier um einen Personenkreis, der einen eingeschränkten Schutzstatus hat, etwa um Personen, die vor einem Bürgerkrieg fliehen, sodass wir als deutsche Gesellschaft zu Recht auch die klare Erwartung an den Tag legen dürfen, dass diese Personen Deutschland wieder verlassen, wenn der Bürgerkrieg beendet ist. Bei diesem Personenkreis ist also keine langfristige, nachhaltige Integration in unser Land angedacht und intendiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Deshalb, meine sehr verehrte Kollegin, passen beide Punkte, die Sie genannt haben, durchaus zusammen. Man muss bei diesem Thema eben differenzieren. Das fällt manchem in diesem Haus nicht immer ganz leicht. Holzschnittartige, polemische und hetzerische Parolen bringen uns hier nicht weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Man muss beides tun: Auf der einen Seite müssen wir uns um die Integration derer, die eine dauerhafte Bleibeperspektive haben, kümmern. Auf der anderen Seite müssen wir sicherstellen, dass wir unsere Strukturen, unseren Arbeitsmarkt und unsere Bildungseinrichtungen, etwa die Schulen, nicht überfordern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Mayer, die Präzision Ihrer Antwort führt dazu, dass es den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage gibt, und zwar von der Kollegin Polat. Gestatten Sie auch die?

Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):

Selbstverständlich, sehr gerne.

Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Mayer, wie erklären Sie sich, dass sich die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit der Einführung der Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte beispielsweise bei Syrerinnen und Syrern diametral zur Entscheidungspraxis nach der Genfer Flüchtlingskonvention entwickelt hat, da die entsprechende Zahl um 40 Prozent zurückgegangen ist , während gleichzeitig die Zahl der Personen mit dem Status als subsidiär Schutzberechtigte um 40 Prozent gestiegen ist? Kann es sein, dass die Entscheidungspraxis des BAMF mit Ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Einschränkung des Familiennachzugs zu tun hat und Sie damit die Entscheidungspraxis des BAMF dahin gehend beeinflusst haben, dass jetzt immer auf den subsidiären Schutz abgestellt wird?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):

Sehr verehrte Frau Kollegin, ich möchte in aller Entschiedenheit dem Eindruck entgegentreten, dass die Entscheidungspraxis des BAMF politisch beeinflusst worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF entscheiden nach Recht und Gesetz und nicht aufgrund von politischer Einflussnahme oder Indoktrination. Es gibt klare Parameter und eine klare gesetzliche Normierung, nach der sich bemisst, ob ein Antragsteller als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt wird.

Um Ihren Einwurf aufzugreifen: Das ist kein Zufall, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die ich an dieser Stelle eine Lanze brechen möchte, entscheiden nach Recht und Gesetz. Dabei bleibt es. Ich möchte dem Eindruck, den Sie hier zu insinuieren versucht haben, deutlich entgegentreten, dass sich aufgrund gesetzgeberischer Veränderungen wie beispielsweise der Aussetzung des Familiennachzugs die Entscheidungspraxis beim BAMF geändert habe. Dem ist definitiv nicht so.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, aus meiner Sicht ist der mit der SPD gefundene Kompromiss besser, als er teilweise dargestellt wird. Ich glaube, auch und gerade Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, können mit diesem Kompromiss durchaus gut leben, weil er in Zukunft insbesondere in begründeten Härtefällen bzw. in bestimmten Ausnahmefällen auch bei eingeschränkt schutzbedürftigen Personen einen Familiennachzug ermöglicht.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur noch ohne Rechtsanspruch!)

Ich denke da insbesondere an solche Fälle – es gibt sie immer wieder; an viele Mitglieder dieses Hauses werden sie in Sprechstunden oder bei anderer Gelegenheit herangetragen –, in denen Familienangehörige schwer oder schwerst erkrankt sind. Kein vernünftiger, christlich denkender, humanistisch ausgerichteter Mensch wird es einer Familie verweigern und verwehren können, dann, wenn ein Familienangehöriger schwerst erkrankt ist, vielleicht lebensbedrohlich erkrankt ist, die Familie zusammenführen zu lassen. Dafür haben wir diese Härtefallregelung geschaffen, allerdings unter bestimmten Kautelen wie beispielsweise, dass die Ehe vor Beginn der Flucht geschlossen wurde und dass es sich natürlich nicht um Gefährder oder um Personen, die schwer straffällig geworden sind, handeln darf.

Ich bin der festen Überzeugung: Der Gesetzentwurf, den wir heute in erster Lesung beraten, kann sich sehen lassen. Wir sollten ihn schnell im parlamentarischen Verfahren vorantreiben. Es gibt vonseiten der CDU/CSU-Fraktion die klare Zusage – das darf ich abschließend sagen –, dass wir dieses Gesetzgebungsverfahren zeitnah und zügig durchführen wollen. Wir haben das klare Ziel, die bis zum 31. Juli dieses Jahres geltende Neuregelung, die wir vereinbart haben, in Kraft zu setzen. Ich hoffe, dass dies bei allen Beteiligten so Unterstützung findet.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)