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Tankred Schipanski: Nirgends in Europa ist die Aufregung bei der Umsetzung der DSGVO so groß wie in Deutschland

Rede zur Datenschutz-Grundverordnung

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ausschuss Digitale Agenda hat am 12. Dezember letzten Jahres ein Fachgespräch geführt, welches Deutschland mit Blick auf die ersten sechs Monate im Geltungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung beleuchtete. Gast war Andrea Voßhoff, unsere damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, kurz BfDI. Geladen war auch die Vorsitzende der Datenschutzkonferenz der Bundesländer, die leider bei diesem wichtigen Thema nicht dabei sein konnte.

Die BfDI gab den Parlamentariern einen guten Überblick über die Problemfelder bei der Umsetzung der DSGVO. Die hier aufgeworfene Problematik gehörte nicht dazu. Bezeichnend war vielmehr: Nirgends in Europa ist die Aufregung bei der Umsetzung der DSGVO so groß wie in Deutschland. Die BfDI sprach in der Anhörung daher von einer Vielzahl an Fehlinformationen, die selbst Frau Voßhoff überrascht haben. Sie regte daher eine zentrale Informationskampagne an, beispielsweise über die Bundesstiftung Datenschutz. Ferner diskutierten wir in der Anhörung über Probleme mit vermeintlichen Abmahnungen, die Anzahl der Beschwerden in Deutschland und in Europa, aber auch über die wirklichen Datenschutzverstöße. Das ist alles auf den Seiten des Bundestages nachzulesen. Im Übrigen war das Fachgespräch auch öffentlich.

Meine Damen und Herren, im Ergebnis des Fachgespräches stellte sich ein ganz anderes wesentliches Problemfeld heraus, dass wir nämlich in Deutschland keine einheitliche Anwendungspraxis der unabhängig agierenden Datenschutzbeauftragten haben. Es fehlt an einem einheitlichen Vorgehen der Datenschutzbeauftragten der Bundesländer hinsichtlich der DSGVO. Man bemüht sich zwar, in der freiwillig eingerichteten Konferenz der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder zusammenzuwirken. Eine verbindliche Entscheidungsbefugnis gibt es jedoch nicht. Diese verbindliche Entscheidungsbefugnis habe man letztlich nur im europäischen Datenschutzausschuss, der in den vergangenen Monaten eine Vielzahl von Leitlinien herausgegeben hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Thüringer Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse Klingelschilder mit Namen an unseren Häusern als einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung wertet, ist dies rechtlich mehr als fragwürdig und trägt zur Verunsicherung der Bevölkerung in Deutschland bei.

(Beifall bei der CDU/CSU – Saskia Esken [SPD]: Hat er einfach nicht gesagt!)

Daher muss es unsere Aufgabe in diesem nationalen Parlament sein, sicherzustellen, dass wir einheitliche Entscheidungen und Kriterien bei der Anwendung der DSGVO in Deutschland erreichen. Dazu müssen wir Vorschläge erarbeiten und Ideen entwickeln. Es kann nicht sein, dass digitale datengetriebene Geschäftsmodelle im Westen der Republik zulässig sein sollen, im Osten aber nicht.

Mit Blick auf die eigentlichen Herausforderungen der DSGVO bringt uns der Antrag der AfD kein Stückchen weiter. Meine Damen und Herren, die AfD greift in ihrem Antrag eins zu eins die Forderungen des Deutschen Anwaltvereins auf. So schreibt sie es ja auch selber in dem Antrag. Ich finde es erstaunlich, dass es nunmehr Fraktionen im Parlament gibt, die im Plenum Positionspapiere von Interessengruppen debattieren lassen – ein Novum im parlamentarischen Brauch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der AfD)

Bisher war es Sitte, mit allen betroffenen Gruppen ins Gespräch zu kommen, Argumente abzuwägen und einen vermittelnden Vorschlag im Parlament einzubringen. Das scheint aber nicht der Arbeitsweg der AfD zu sein.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird ihre Arbeitsform beibehalten und seriöse Argumente und Ansichten abwägen.

(Zuruf von der AfD: Ist ja ganz was Neues!)

Wenn wir dann eine Regulierungsnotwendigkeit erblicken, werden wir auch Lösungsvorschläge unterbreiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diesen parlamentarischen Standard erfüllt der vorliegende Antrag nicht. Es werden unterschiedliche juristische Ansichten präsentiert. Diese auszudiskutieren, ist Aufgabe der Rechtswissenschaft. Wenn es dann immer noch offene Fragestellungen gibt, dann kann der Gesetzgeber eingreifen.

Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass ich es putzig finde, wenn nun ausgerechnet die AfD im Bundestag propagiert, die Datenschutz-Grundverordnung würde die Meinungsfreiheit in Artikel 5 GG übermäßig beschneiden. Die AfD will sich mit diesem Schaufensterantrag als Kämpfer für die Medienfreiheit darstellen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird einem solchen Antrag nicht auf den Leim gehen. Wir lehnen diesen ab.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Rabanus [SPD])