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Tankred Schipanski: "Es zeugt von mangelndem politischen Gespür"

Rede in der Aktuelle Stunde zu den Auswirkungen der Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Mitglied der CDU Thüringen und Kreisvorsitzender eines CDU-Verbandes erhalte ich seit vergangenem Mittwoch viele Anfragen von Parteifreunden, Bürgerinnen und Bürgern. Ich möchte Sie an den Fragen und Antworten in den nächsten fünf Minuten gerne teilhaben lassen und freue mich, dass auch Gäste aus Thüringen dieser Debatte auf der Tribüne beiwohnen.

Frage eins: Warum habe ich nach den Ereignissen vom 5. Februar von einem Tabubruch gesprochen? Wir haben an diesem Tag bei der Ministerpräsidentenwahl im dritten Wahlgang ein kalkuliertes Chaos erlebt, in dem die AfD die Hauptrolle spielte. Das taktische Verhalten der AfD hat gezeigt, dass sie es mit einem eigenen Kandidaten nicht ernst gemeint hat, sondern die bürgerlichen Parteien vorführen wollte; bedauerlicherweise mit Erfolg. Es zeugt von mangelndem politischen Gespür, dass die Fraktionen von FDP und CDU im Thüringer Landtag in diese Falle getappt sind.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Canossa!)

Dass die FDP die AfD als Steigbügelhalter akzeptierte, ist beschämend. Dafür hat sich Christian Lindner heute entschuldigt. Dieser Makel würde aber gleichfalls an der CDU Thüringen kleben, wäre sie in eine Regierung unter Kemmerich eingetreten.

Zur Wahrheit gehört ferner, dass diese Situation auch deshalb zustande kommen konnte, weil die CDU in Thüringen die Wahlniederlage bei der letzten Landtagswahl nicht akzeptiert hat und nicht willens war, die ihr vom Wähler übertragene Oppositionsrolle einzunehmen.

Frage zwei: War die Wahl Kemmerichs ein Fehler? Meines Erachtens hat die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag bei der Ministerpräsidentenwahl einen Fehler gemacht. Dieser Fehler ist aber nicht unwiderruflich, wenn man dazu steht, Verantwortung übernimmt und – wenn sich die Möglichkeit bietet – diesen berichtigt. Das heißt natürlich nicht, den absurden Aufforderungen zu folgen, Ramelow proaktiv zu wählen. Übrigens war es auch ein Fehler, dass sich Bodo Ramelow, ohne eine Mehrheit im Parlament hinter sich zu wissen, der Wahl gestellt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein weiterer Fehler war zudem, dass Kemmerich die Wahl überhaupt angenommen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Frage drei: Bedurfte es in dieser Situation eines Hinweises aus Berlin? Ich sage: Ja. Die CDU Deutschland und die CDU Thüringen haben eine ganz klare Positionierung zum Verhältnis und zum Umgang mit der Linken und der AfD. Wenn ein CDU-Präsidiumsmitglied, das zudem einen Landesverband führt, vom klaren Kurs seiner Partei abweichen möchte und nach einer Wahl nach links und rechts blinkt, dann erwarte ich einen Hinweis aus der Bundespartei.

Frage vier: Warum ist diese klare Abgrenzung nötig? Es geht um Abgrenzung und nicht um Ausgrenzung. AfD und Linke wollen keinen Politikwechsel, sondern einen Systemwechsel. Sie wollen ausweislich ihrer Parteiprogramme den demokratischen Verfassungsstaat überwinden, sie wollen ein anderes Gesellschaftssystem,

(Zurufe von der AfD)

abseits unserer bewährten Staatsordnung. Sie verfolgen jeweils ihre Ideologie und bedienen sich des Populismus

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ohne Wertekompass und ohne Bekenntnis zu unserer freiheitlichen Demokratie.

Ramelow ist kein „flauschiger Linker“, wie es in der SPD heißt, und der rechte Höcke ist in der AfD kein Einzelfall. Es gibt keinen Platz für Verharmlosung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kersten Steinke [DIE LINKE]: Jetzt aber mal Schluss mit der Gleichsetzung!)

Frage fünf: Darf man die Parteien am politischen Rand jenseits der Mitte gleichsetzen? Natürlich sind Linke und AfD nicht gleich, aber die Zusammenarbeit mit ihnen ist für die Union gleich unmöglich. Das ist Markenkern der Union.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich kann nur davor warnen, den Fehler der SPD in Thüringen nachzumachen. Vor fünf Jahren hat sie dort das Experiment gewagt, unter der Führung eines linken Ministerpräsidenten eine Regierungskoalition einzugehen. Sie brach damit ein Tabu, in der Hoffnung auf neue Stärke. Es gab im Herbst 2014 Demonstrationen in Thüringen – friedlich, mit Kerzen vor Kirchen gegen die Koalition von Wahlverlierern.

War die Thüringer SPD mit ihrer Strategie erfolgreich? Im Gegenteil: Sie beschleunigte ihren Schrumpfungsprozess und ist jetzt bei einstelligen Wahlergebnissen angelangt: von der Beliebigkeit zur Bedeutungslosigkeit.

(Kersten Steinke [DIE LINKE]: Und ihr bei 13 jetzt! – Armin-Paulus Hampel [AfD]: So wie bei euch!)

Frage sechs: Warum hat sich die Bundeskanzlerin aus Südafrika zu Wort gemeldet? Angela Merkel steht ganz sicher nicht im Verdacht, Politik nach DDR-Vorbild zu machen. Das ist absurd.

(Lachen bei der AfD)

Vielmehr hat sie ihren CDU-Parteifreunden empfohlen, das Ergebnis einer Ministerpräsidentenwahl rückgängig zu machen, das nur zustande kam, weil die AfD die Wahl für ihr taktisches Manöver missbrauchte und FDP und CDU ihr das mit ihrem Verhalten erst ermöglichten.

Frage sieben: Wird jetzt in Berlin entschieden, was in Thüringen zu geschehen hat?

(Zurufe von der AfD: Ja!)

Nein. Der Koalitionsausschuss hat eine Empfehlung gegeben. Einzig und allein die Verfassungsorgane im Freistaat Thüringen entscheiden über den Weg aus ihrer Regierungskrise. Das betrifft die Ministerpräsidentenwahlen wie auch eventuelle Neuwahlen, die ich persönlich für unglücklich halten würde.

In der Thüringer Union haben nun die Kreisvorsitzenden das Heft des Handelns in die Hand genommen. Es wird einen Landesausschuss und Landesparteitag geben. Der Weg für einen Neustart ist geebnet.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)