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Sebastian Steineke: Die Musterfeststellungsklage doch der deutlich bessere Weg

Rede zum Verbandsklagerecht

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte anfangen mit einem Zitat von Theodor ­Fontane, der in diesem Jahr seinen 200-jährigen Geburtstag hätte: „Am Mute hängt der Erfolg“, hat er mal gesagt.

Genau in diesem Sinne haben wir im letzten Jahr die Musterfeststellungsklage auf den Weg gebracht und damit ein völlig neues Instrument der Rechtsdurchsetzung im kollektiven Bereich auf die Bahn gebracht. Nun sollten wir uns auch ein wenig Zeit nehmen, um dieses Instrument in der deutschen Rechtsordnung auch wirken zu lassen.

Heute behandeln wir aber in erster Linie einen Antrag, den die Grünen zum nationalen Verbandsklagerecht eingebracht haben. Sie fordern darin, das Ganze weiter auszubauen und dazu noch weitergehende Vorschriften zu erlassen. Darüber hinaus behandeln wir einen weiteren Antrag – darauf sind Sie kurz eingegangen –, der darauf abzielt, eine Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung nach Artikel 23 Absatz 3 Grundgesetz zum EU-Richtlinienpaket zum New Deal for Consumers, also der Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften, abzugeben.

Lassen Sie mich vielleicht noch ein paar Sätze zum Verfahren sagen. Das ist beispielgebend: Den Inhalt Ihres Antrags, den wir heute behandeln, kennen wir seit Mittwochnacht. Da erst ist er nämlich eingegangen. Das heißt, wir hatten nicht einmal zwei Tage Zeit, uns damit zu beschäftigen. Das ist insbesondere deswegen interessant, weil Sie ansonsten bei jedem Änderungsantrag der Koalition ganz besonders darauf gucken: Wie häufig ist er behandelt worden? Wann ist er eingereicht worden? Wie intensiv konnten wir uns damit beschäftigen?

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Das ist vielleicht nicht der richtige Stil, mit diesem Thema umzugehen; dazu ist das Thema zu wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dann könnte man sich natürlich auch fragen, warum Sie die Anträge – das gilt für beide Anträge – nicht früher eingebracht haben.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der lag schon seit Ewigkeiten vor!)

Das Paket des New Deal for Consumers ist über ein Jahr bekannt. Das Verfahren lief lange genug, Sie hätten es zum Beispiel im Unterausschuss für Europarecht intensiv begleiten

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, der Antrag liegt schon lange vor!)

und mit den entsprechenden Hinweisen versehen können. Die Kollegin Keul wird sich noch an das Artikel‑23-Verfahren zur Small-Claims-Verordnung erinnern. Da haben wir gemeinsam so einen Antrag durchgebracht.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Der war gut!)

– Der war gut, Kollege Fechner hat recht. Aber das hat uns sehr viel Zeit, nämlich mehrere Monate, gekostet. So etwas kann man nicht in zwei Wochen behandeln; das müssten eigentlich auch Sie wissen.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, unser Antrag war rechtzeitig da!)

Das ist, glaube ich, auch bei dem anderen Thema im Wesentlichen durch; denn auch Sie wissen – der Hinweis sei gestattet –, dass das Trilogverfahren in Brüssel abgeschlossen ist. Die Omnibus-Richtlinie ist entschieden. Wir und auch die Bundesregierung haben also faktisch keine Einflussmöglichkeiten mehr, es sei denn, das ganze Paket wird wieder aufgeschnürt. Ich weiß nicht, ob Sie das wollen. Ich glaube, nicht. Das wäre auch nicht im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher. Diesen Antrag heute in der Kürze der Zeit einzubringen, hat etwas mit Wahlkampf zu tun.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb ist Frau Barley auch nicht da, weil Wahlkampf ist!)

– Frau Barley kann das entscheiden. Wir sind ja hier und diskutieren über Ihre Anträge.

Lassen Sie mich noch etwas zum Inhalt sagen. Die von Ihnen angesprochenen Forderungen zum Richtlinien­entwurf zur Verbraucher-Verbandsklage – Sie beziehen sich ja insbesondere auf den Kommissionsentwurf mit Ihren Anliegen – gehen deutlich über das hinaus, was wir im letzten Jahr mit der Musterfeststellungsklage beschlossen haben. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein – das hat sie mehrfach gesagt –, dass zumindest die Grundlinien dieser Musterfeststellungsklage Einfluss auf die europäische Gesetzgebung haben.

Der Entwurf der Kommission ist nun faktisch ein kompletter Gegenentwurf zu dem, was wir hier in Deutschland haben. Das ist vollkommen richtig; das ist unbestritten. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch mal ein paar Dinge zum Thema Verbandsklagerecht sagen, die in diesem Richtlinienvorschlag der Kommission stehen und an denen auch Sie vieles in den Diskussionen der letzten Jahre hier zu Recht kritisiert haben. Sie sagten nämlich: Das wäre ja Sammelklage pur nach amerikanischem Vorbild. – Genau das sieht der Entwurf der Europäischen Kommission aber vor: die Verbindung von Unterlassungsklage und Schadensersatzklage,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)

das Opt-out-Modell, die Möglichkeit der privaten Drittfinanzierung durch Hedgefonds, das „Loser pays“-Prinzip, das Discovery-Verfahren, die Ausforschungsbeweise nach amerikanischem Vorbild. Das alles ist dort vorgesehen. Und das wollen Sie? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

Ich glaube, wir sollten uns schon ehrlich machen und sagen: Das sind alles Punkte, die auch Sie – übrigens zu Recht – immer kritisiert haben. Sie können doch jetzt nicht allen Ernstes einfordern, dass wir sie auf europäischer Ebene umsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Folge der von der Kommission vorgeschlagenen Variante wäre dann tatsächlich das, was wir hier ständig diskutieren und wir alle nicht wollen – das nehme ich Ihnen ab –: eine „Klageindustrie“. Ich glaube, da ist die Musterfeststellungsklage doch der deutlich bessere Weg.

Sie kritisieren in Ihrem Antrag auch – das ist ein altes Thema, das wissen wir –, dass wir die engen Anforderungen, die wir bei der Musterfeststellungsklage haben, auch auf europäischer Ebene anstreben. Diese aus unserer Sicht sehr richtige Auffassung der Bundesregierung hat auch einen klaren Hintergrund. Wenn nämlich die derzeitigen Vorschläge der Europäischen Kommission Wirklichkeit werden würden, dann könnten Sie in jedem Land der Europäischen Union mit den schmalsten Voraussetzungen, die dort herrschen, einen klagebefugten Verband gründen, und dieser könnte dann in der gesamten Europäischen Union das Verbandsklagewesen betreiben. Das kann doch auch nicht das Ziel der Übung sein; dann wird nämlich dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, und das wollen wir nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich fasse das kurz zusammen und schenke Ihnen zwei Minuten des Freitagnachmittags:

(Beifall des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])

Ihre Wünsche zur Verbrauchersammelklage sowohl im nationalen als auch im europäischen Bereich lehnen wir ab. Wir haben das hier gut begründet. Wir begrüßen grundsätzlich, dass der New Deal for Consumers die Verbraucherrechte überarbeitet und auf den neuen, auch digitalen Stand bringt. Die Stellungnahme nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes ist schlichtweg überflüssig, weil der Trilog abgeschlossen ist. Deutschland hat sich dort aus guten Gründen enthalten. Die Themen „Dual Quality“ – oder nennen wir es lieber: Nutella-Klausel –, „Sanktionen“ oder „Überprüfungsklausel“ haben dazu geführt, dass die Bundesregierung nicht zugestimmt hat, und das war auch richtig. Deswegen werden wir Ihren Anträgen nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)