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Sebastian Steineke: Der Verbraucherschutz ist uns sehr wichtig

Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Gesetzentwurf, den wir in erster Lesung beraten, begrüßen wir ausdrücklich. Für uns ist das Glas nicht immer automatisch komplett leer, sondern für uns ist das Glas – ich meine den Gesetzentwurf – schon relativ voll. Ich glaube, das kann man voranstellen.

(Dr. Jürgen Martens [FDP]: Relativ!)

– Ja, man kann immer noch über Verbesserungen reden. Das machen wir jederzeit.

Ein Teilaspekt sollte schon hervorgehoben werden. Wir reden über das Thema Musterfeststellungsklage nicht erst seit gestern, sondern schon seit 2015.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Dr. Jürgen Martens [FDP]: Umso schlimmer!)

Nachdem wir relativ lange auf Entwürfe gewartet haben, sind wir als Fraktion selber tätig geworden und haben unsere Eckpunkte 2016 vorgestellt.

(Räuspern des Abg. Ulrich Kelber [SPD])

– Genau. Herr Kelber weiß, wovon ich rede und wie lange wir gewartet haben.

(Ulrich Kelber [SPD]: Ich weiß, dass Sie das reden!)

– Ja, genau. – Deswegen haben wir das Thema jetzt ins Rollen gebracht. Warum sage ich das? Weil das wichtig ist, um festzustellen, dass die allgemeine Behauptung, die Union wolle das alles gar nicht und wir hätten gar kein Interesse, den Dieselkunden zu helfen, schlichtweg nicht richtig ist. Deswegen kann man das vielleicht voranstellen.

Dass wir das Gesetz aber von Anfang an nur unter bestimmten Voraussetzungen einbringen wollten, war klar. Das haben wir auch deutlich gesagt. Ein wichtiger Punkt – Kollegin Winkelmeier-Becker hat schon darauf hingewiesen – war für uns das Thema Klagebefugnis. Das ist heute schon angeklungen; auch die Ministerin hat darauf hingewiesen.

Der Verbraucherschutz ist uns sehr wichtig. Das sage ich so deutlich. Auf der anderen Seite müssen auch Seriosität und Sachkunde der klagebefugten Verbände gewährleistet werden – das ist eine Selbstverständlichkeit –, um die Unternehmen und letzten Endes auch die Verbraucherschutzverbände selber vor unseriösen Klagen zu schützen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist das Recht der Menschen, zu klagen!)

– Sie haben selber ein Interesse daran, dass eine ordentliche Klage durchgeführt wird, und deswegen lobt die Verbraucherzentrale diesen Entwurf grundsätzlich. Auch darauf kann man einmal hinweisen. – Es ist auch deswegen für uns ein wichtiger Entwurf, um den sogenannten Abmahnverbänden – wir haben darüber gesprochen – und Anwaltskanzleien kein neues Geschäftsmodell zu liefern.

Wir sollten noch ein paar Punkte zur Klagebefugnis sagen. Die ursprünglichen Überlegungen sahen vor, dass alle Verbände, ob sie im Bundesamt für Justiz oder nach EU-Recht als solche registriert sind, hätten klagen können. Das war für uns in dieser Form nicht machbar, und wir haben deutlich auf die Missbrauchsrisiken hingewiesen. Die einfachsten Beispiele sind die Gründung eines Verbraucherschutzverbandes durch eine größere Kanzlei in einem anderen europäischen Land, das praktisch keinerlei Voraussetzung an die Gründung knüpft, und dieser Verbraucherschutzverband hätte dann auch hier klagen können. Dies wollten wir von Anfang an ausschließen und sind, glaube ich, mit dem vorliegenden Entwurf da einen wesentlichen Schritt weitergekommen.

Was haben wir gemacht? Worauf haben wir hingewirkt? Was war uns wichtig? Wir haben gesagt: Die Verbände brauchen als Mitglieder mindestens 350 natürliche Personen oder mindestens 10 Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind. Sie müssen seit mindestens vier Jahren in der im Unterlassungsklagengesetz vorgesehenen Liste oder im Verzeichnis der Europäischen Kommission registriert sein, damit die Dauer der Eintragung länger ist als die Regelverjährungsfrist und Ad-hoc-Gründungen verhindert werden.

Der Kollege möchte eine Zwischenfrage stellen, obwohl Präsident Kubicki darum gebeten hatte, das nicht zu tun. Aber ich beantworte sie gerne.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Zunächst einmal muss ich das zulassen, Herr Kollege.

Sebastian Steineke (CDU/CSU):

Ich mache es gerne.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege Dr. Martens, Sie wollen eine Zwischenfrage stellen. Bitte schön.

Dr. Jürgen Martens (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Nur eine Frage: Sie haben die Kriterien aufgezählt, nach denen Klagebefugnis für Verbände erteilt werden soll. Warum soll es nicht möglich sein, solche Kriterien für die Klagebefugnis auch auf Verbände aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden?

Sebastian Steineke (CDU/CSU):

Das ist es doch. Das steht doch im Gesetzentwurf drin. Der ursprüngliche Entwurf, Herr Kollege, sah das nicht vor.

(Dr. Jürgen Martens [FDP]: Das heißt also, dass es trotzdem Verbände gibt aus der Europäischen Union!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, es gibt die Möglichkeit einer Zwischenfrage, aber keine des Gesprächs zwischen Ihnen. Die Frage ist beantwortet, und dann darf der Redner weiterreden.

Sebastian Steineke (CDU/CSU):

Wir machen das bilateral. – Eine weitere Voraussetzung, die uns wichtig war, ist, dass der Verbraucherverband im Wesentlichen und ganz deutlich im Verbraucherinteresse und nicht gewerbsmäßig tätig ist und deswegen seine Tätigkeit im Wesentlichen in der Beratung von Verbrauchern besteht.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Anders als Freshfields für VW!)

Die weitere Voraussetzung, die uns wichtig war, ist, dass die Musterfeststellungsklage nicht zum Zweck der Gewinnerzielung betrieben wird. Ich glaube, das ist auch eine Selbstverständlichkeit.

Des Weiteren dürfen Verbände nicht mehr als 5 Prozent ihrer finanziellen Mittel als Zuwendung von Unternehmen beziehen. Das Gericht kann sogar verlangen, dass offengelegt wird, wie die konkrete Finanzierung des Musterverfahrens ist. Ich glaube, dass hiermit die Kollision von Verbraucher- und Unternehmensinteressen deutlich ausgeschlossen wurde. Ich glaube, das ist ein entscheidender Fortschritt gegenüber den ursprünglichen Entwürfen und auch ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem, was die Europäische Union bisher vorgeschlagen hat. Dort ist das nämlich nicht ausgeschlossen. Auch darauf muss man vielleicht mal deutlich hinweisen. Da sind wir aus unserer Sicht deutlich weiter.

Mit diesen ganzen Voraussetzungen haben wir unserer Auffassung nach wesentliche Schritte gemacht, um dem Missbrauch vorzubeugen. Über einzelne Punkte kann man noch weiter reden.

Ein wesentlicher Punkt – darüber ist noch gar nicht in dieser Deutlichkeit geredet worden – ist, dass wir das Prozesskostenrisiko für die Verbraucherinnen und Verbraucher massiv reduzieren. Hierauf hat der ADAC in seiner letzten Stellungnahme deutlich hingewiesen. Er hat eine kleine Musterrechnung gemacht. Wenn wir davon ausgehen, dass beim Dieselskandal zurzeit 2,5 Millionen Fahrzeuge betroffen sind und dass 5 Prozent der Betroffenen bereit wären, ihre Rechte im Individualverfahren einzuklagen, dann würden wir bei einem geschätzten Fahrzeugwert von 30 000 Euro im Falle einer Rückgabe und einem Streitwert von fast 3,75 Milliarden Euro ein entsprechend hohes Prozesskostenrisiko ersparen, und zwar für die Verbraucherinnen und Verbraucher und für die Unternehmen. Ich glaube, das ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber anderen Ideen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer trägt es jetzt, das Risiko?)

– Och, Frau Künast, das machen wir gemeinsam.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, als Steuerzahler!)

– Nein, eben nicht. Bisher musste jeder individuell klagen. Also zahlt jeder seine Kosten selber. Und wenn er keine Rechtsschutzversicherung hat, muss er es selber bezahlen. Und jetzt trägt es der Verbraucherschutzverband.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, der Steuerzahler!)

Er führt dieses Verfahren für ihn und erspart ihm die Prozesskostenrisiken. Ich glaube, das ist ein deutlicher Fortschritt. Was Sie sagen, Frau Künast, ist schlicht falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir geben damit den durch VW geschädigten Dieselfahrern ein deutlich besseres Prozessinstrument zur Durchsetzung ihrer Rechte an die Hand, gerade wenn sie nicht über die finanziellen Voraussetzungen verfügen. Die zum Jahresende drohende Verjährung kann auch ohne irgendwelche Sonderregelungen, die rechtlich vermutlich gar nicht möglich sind, gehemmt werden. Es gibt sicherlich den einen oder anderen Gesprächsbedarf; darüber haben wir geredet. Man kann über das Thema Befristung reden. Man kann über das Thema Streuschäden reden. Ich glaube, das ist selbstverständlich. Dazu haben wir am Montag auch eine Anhörung, und wir werden den entsprechenden Input mitnehmen. Ich glaube, wir werden am Ende des Tages einen sehr guten Gesetzentwurf in die zweite und dritte Lesung bringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)