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Petra Nicolaisen: Der öffentliche Dienst ist und bleibt gesellschaftlich von herausragender Bedeutung

Redebeitrag zur Tarifrunde im öffentlichen Dienst

Moin, verehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Ferschl, erlauben Sie mir eine Anmerkung. Ich verweise auf den 3. Juni. Damals haben wir aufgrund der Coronasituation ein Riesenpaket für die Kommunen auf den Weg gebracht. Das ist aber nicht das Einzige. Klar ist: Wir lassen die Kommunen nicht allein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Die hängen trotzdem in der Luft!)

Wenn wir von der aktuellen Tarifrunde sprechen, dann sprechen wir von 2,3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Bundes, der Kommunen und weiterer Bereiche, auf die dieser Tarifvertrag direkte Auswirkungen hat. Die Verhandlungen betreffen aber auch die rund 225 000 Bundesbeamten; denn die verhandelten Erhöhungen der Bezüge, die eventuell beschlossen werden, werden – das ist für mich eine Selbstverständlichkeit – zeit- und systemgerecht auf die Bundesbeamtinnen und ‑beamten, Richterinnen und Richter und auf die Soldatinnen und Soldaten übertragen. Verhandelt werden aber nicht nur die Entgelte der 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Vielmehr geht es um weitere Maßnahmen, die die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessern sollen. Kurzum: Es geht um die Wertschätzung der Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes und der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten. Ihr täglicher Einsatz ist von unschätzbarem Wert. Ihre Arbeit ist ein zentraler Beitrag für unser Gemeinwohl. Als Gesellschaft müssen wir – und das tun wir auch – dieses Engagement würdigen.

Ich gebe Ihnen recht: Applaus alleine reicht nicht. Die Beschäftigten müssen die Veränderungen spüren: in ihrem Portemonnaie, auf ihrem Zeitkonto und in ihrem Arbeitsumfeld. Doch ob nun jede Forderung im Einzelnen auch berechtigt oder in der Höhe angemessen ist, das entscheidet nicht der Deutsche Bundestag, sondern das entscheiden die Sozialpartner unter sich. Wir mischen uns da ganz klar nicht ein, und ich möchte Ihnen sagen: Das ist auch gut so. Schließlich haben wir eine in Artikel 9 des Grundgesetzes garantierte Tarifautonomie. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben ebenso wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht, sich zu Arbeitgeberverbänden oder zu Gewerkschaften zusammenzuschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben auch das Recht, ihre Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen frei von staatlichen Vorgaben in eigener Verantwortung zu regeln. Sie sind nicht abhängig von politischen Zusammensetzungen im Bundestag oder in den Landesparlamenten oder von anderen politischen Erwägungen. Ich bin stolz auf diese lang und gut bewährte Konzeption. Sie dient dem Wohl der Beschäftigten und den Interessen der Arbeitgeber gleichermaßen.

So stehen sich auch bei dieser Einkommensrunde wieder zwei Seiten gegenüber. Auf der einen Seite haben wir die Gewerkschaften. Sie fordern unter anderem eine Entgelterhöhung von 4,8 Prozent, mindestens 150 Euro pro Monat, monatlich 100 Euro mehr für die Auszubildenden, Studierenden und für die Praktikanten. Sie fordern auch, dass die Arbeitszeit durch zusätzliche freie Tage verkürzt werden soll. Zugleich soll die Arbeitszeit in Ostdeutschland auf Westniveau angeglichen werden. Auf der anderen Seite haben wir den Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben nicht einmal ein Angebot vorgelegt!)

Wir Abgeordnete wissen nur allzu gut, wie angespannt die finanzielle Lage in den meisten Kommunen und bei den meisten kommunalen Arbeitgebern nach wie vor ist. Lassen Sie uns kurz auf die Zahlen schauen. Alleine die Entgeltforderung der Gewerkschaften, ohne die weiteren Forderungen zu berücksichtigen, würde Mehrkosten für die kommunalen Arbeitgeberverbände in Höhe von 5,7 Milliarden Euro bedeuten. Der Bund rechnet bei den Tarifbeschäftigten des Bundes mit Mehrkosten in Höhe von 460 Millionen Euro, und zusätzlich kämen dann noch mal 1,7 Milliarden Euro für die Beamten hinzu. Angesichts der schwierigen Finanzlage und der Herausforderungen, die noch kommen könnten, kann ich beide Seiten verstehen. Als Deutscher Bundestag sollten wir uns aber zurücknehmen. Wir sollten den Verhandlungen den Raum geben, der benötigt wird, um ohne Druck von außen zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der öffentliche Dienst ist und bleibt gesellschaftlich von herausragender Bedeutung. Ich kann diejenigen verstehen, die jetzt sagen: Angesichts von Kurzarbeit, Existenzängsten, Export- und vielleicht auch Konsumrückgang sollte man mit Entgelterhöhungen im öffentlichen Dienst, wo das Entgelt und die Arbeitsplätze vergleichsweise sicher sind, zurückhaltender sein.

(Widerspruch der Abg. Susanne Ferschl [DIE LINKE])

Für mich steht jedoch außer Frage, dass sichere Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen sowie ein faires Entgelt den öffentlichen Dienst attraktiv machen. Das ist richtig so, und das soll auch so bleiben. Dennoch halten wir uns an die Regelung: Wir als Bundestag halten uns raus, insbesondere wegen der Tarifautonomie. Wir werden uns aber darum kümmern, die notwendigen Finanzmittel in den Haushaltsplänen abzubilden. Das ist unser Beitrag für den öffentlichen Dienst.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Sinne: Lassen Sie mich abschließend kurz etwas zur vergangenen Tarifrunde sagen. Bei dieser haben alle Beschäftigten bis 2020 ein Plus von mindestens 6,8 Prozent erhalten. Ich denke, das ist ein gutes Fundament für die kommenden Verhandlungen am 22. und am 23. Oktober.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

 

Petra Nicolaisen (CDU/CSU):

Darauf können die Verhandlungspartner aufbauen, den Rest machen wir. Ich wünsche dabei viel Erfolg.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)